
Büchertipps: 7 Neuheiten, die wir empfehlen können
Hier kommen sieben neue Bücher für alle, die noch aktuellen Lesestoff für entspannte Stunden im Garten oder unter dem Sonnenschirm suchen.
- Von: Marah Rikli, Barbara Loop (Text); Jacqueline Krause-Blouin (Redaktion)
- Bild: Stocksy

Relevante Revolte
Ein feministischer Gesellschaftsroman mit der Frage: Was passiert, wenn Frauen nicht mehr die Arbeit machen, die ihnen zugetragen wird? Im Juni liegen Frauen auf der Strasse. Reglos, in stillem Protest. Dort begegnen sich Elin, Nuri und Ruth. Elin ist seit der Coronapandemie eine erfolgreiche Influencerin. Sie versucht, ein gewaltvolles Erlebnis einzuordnen. Nuri hat die Schule abgebrochen und versucht, mit schlecht bezahlten Jobs über die Runden zu kommen. Ruths behinderter Sohn ist gestorben, nun arbeitet sie als Pflegefachkraft und ist zunehmend erschöpft. Was ist das für eine Revolte, in welche die drei sich begeben? Wie beeinflusst diese ihr Leben? Ein Roman mit Pathos, aber viel Relevanz in der feministischen Debatte um die Rolle der Frauen und den Wert der Care-Arbeit.
Mareike Fallwickl: Und alle so still. Rowohl-Verlag, Hamburg, 368 Seiten, ca. 35 Fr.

Looploop!
Ein Roman wie eine intellektuelle Pop-Achterbahnfahrt: Als Res nach einem Stromschlag im Sterben liegt, sieht sie ihr Leben in Filmtropen und Werbeslogans an sich vorbeiziehen. Die Autorin Julia Friese sagt über ihren Roman «Delulu»: «Die Leser:innen haben damit das Ticket gelöst für den halluzinogenen Rausch Res’ letzter Minuten. Mit einem grossen Löffel geht es noch einmal tief, tief rein, in eine Vollmilch, in der grellbunte Fruit Loops schwimmen.» Übrigens: «Delulu» ist die Kurzform von delusional, was so viel heisst wie wahnhaft. Der Begriff wird genutzt, um jemanden zu beschreiben, der unrealistische Überzeugungen hat. Passt.
Julia Friese: Delulu. Wallstein-Verlag, Göttingen, 247 Seiten, ca. 34 Fr

Absurde Welt
Etgar Kerets neueste Kurzgeschichten überzeugen auf jeder Ebene. Nicht nur die pointierte Sprache, sondern auch die traurigen, witzigen und nicht zuletzt provozierenden Handlungen: Da ist zum Beispiel der von Deborah verlassene Ehemann, der eine neue Deborah kennenlernt, die er Nicht-Debbie nennt. In einer anderen Geschichte trifft eine Frau einen Mann, der behauptet, verheiratet zu sein. Die beiden verlieben sich, bis sich herausstellt, dass die vermeintliche Ehefrau seine Schwester ist. Warum lügt er? Und wird eine Ehefrau normalerweise nicht eher verheimlicht als erfunden? Geschichte um Geschichte führt uns Keret vor Augen, in welch einer absurden Welt wir leben oder leben könnten. Lesetipp für Fans von Ironie und Sarkasmus.
Etgar Keret: Starke Meinung zu brennenden Themen. Storys. Aufbau-Verlag, Berlin, 224 Seiten, ca. 35 Fr

Verbunden
Zehn Jahre nach dem Weltbestseller «Americanah» endlich der neue grosse Roman von Chimamanda Ngozi Adichie. In «Dream Count» schreibt sie aus Sicht von vier Frauen über ihre Sehnsucht nach Selbstbestimmung in ihren unterschiedlichen Lebenswelten: Chiamaka pendelt zwischen den USA und ihrer nigerianischen Heimat. Zikora ist Anwältin und alleinerziehende Mutter. Omelogor lebt in Nigeria und Kadiatou ist Chiamakas Haushälterin. Ein überwältigender und richtungsweisender Roman über Differenzen und Verbindung von Frauen in einer Welt, die noch immer gegen Frauensolidarität hält. Die Feministin bringt das immer wieder auf den Punkt, zum Beispiel so: «Immer, wenn ich Binta fragte: ‹Wie geht es deiner Mutter?›, gab sie mir dieselbe Antwort: ‹Sie weint nachts.›»
Chimamanda Ngozi Adichie: Dream Count. Fischer-Verlage, Berlin, 528 S., ca. 40 Fr.

Ahninnen
Issa ist eine junge deutsche Frau, die ins Heimatland ihrer Mutter nach Kamerun reist. Dort soll sie sich den Ritualen ihrer Gemeinschaft unterziehen, die die Schwangere und das ungeborene Kind bei der Geburt schützen sollen. In Kamerun fühlt sich Issa jedoch nicht so zugehörig wie erwartet. Inmitten dieser Reise dringt sie zudem immer tiefer in die Schicksale ihrer Vorfahrinnen ein. Diese sind geprägt von Kolonialgeschichte, patriarchaler Gewalt, aber auch von Selbstbehauptung und Resilienz. Die Autorin bearbeitet poetisch empathisch Fragen nach Identität und Zugehörigkeit, ohne in Klischees zu verfallen. Ein beeindruckender Roman.
Mirrianne Mahn: Issa. Rowohlt Verlag, Hamburg 2025, 304 Seiten, ca. 35 Fr.

Das, was bleibt
«Im Meer waren wir nie» beginnt mit einem Ende: Lili wird an ihrem 95. Geburtstag im Sarg aus dem Altenheim getragen. Die Ich-Erzählerin betet für die Verstorbene, mit der sie viel Zeit verbrachte. Es war ein Brot-Job, besser bezahlt als der im Café. Mit Lilis Enkelin Sophie ist die Erzählerin seit Kindheit befreundet, gemeinsam ziehen sie Sophies Sohn auf. Die Bernerin Meral Kureyshi erzählt von generationsübergreifenden Beziehungen, der Liebe, von Abschieden und dem, was bleibt. Poetisch verdichtet in alltägliche Szenen nähert sich Kureyshi frei von Kitsch und politischem Kalkül den grossen Themen des Lebens.
Meral Kureyshi: Im Meer waren wir nie. Limmat Verlag, Zürich 2025, 216 Seiten, ca. 30 Fr.

Ein Jahr im Leben
Sunil Mann, bekannt für seine Kriminalromane und Kinderbücher, zeigt in seinem ersten Erzählband eine weitere literarische Seite. Der Band versammelt zwölf Geschichten, die jeweils einen Monat des Jahres widerspiegeln und geheimnisvoll miteinander verbunden sind. Mann beschreibt das Werden und Vergehen der Natur sowie die Höhen und Tiefen menschlicher Beziehungen – von der aufkeimenden Liebe bis hin zur Ernüchterung im Herbst und Winter. Mit feiner Ironie erzählt er von komplizierten Dreiecksbeziehungen, heimlichen Sehnsüchten und schicksalhaften Wendungen, die lange nachhallen.
Sunil Mann: Bleiben tun sie nie. Geparden Verlag, Zürich 2025. 240 Seiten, ca. 35 Fr.