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Bella Cherry will Porno-Star werden: Warum ihr euch im Kino «Pleasure» ansehen solltet
- Text: Vanja Kadic
- Bild: Xenix Filmdistribution GmbH
In «Pleasure» reist eine junge Schwedin nach Los Angeles, um zum nächsten grossen Porno-Star zu werden. Ein schwer verdauliches Porträt über die hässlichen – und lustvollen – Seiten der Pornofilm-Branche.
«Business or Pleasure?», fragt ein Beamter die 19-jährige Schwedin Linnéa am Flughafen nach dem Grund für ihren Aufenthalt, als sie in Los Angeles ankommt. «Pleasure», antwortet sie, Vergnügen. So beginnt der gleichnamige Film der schwedischen Regisseurin Ninja Thyberg.
Linnéa, gespielt von Newcomerin Sofia Kappel, hat ein grosses Ziel: Sie will in den USA zum Porno-Star werden und als Bella Cherry in die A-Liga der Industrie aufsteigen. Überraschend nah und sehr explizit zeigt Thyberg Bellas ersten Dreh. Begleitet von anfänglicher Nervosität und mit orchestralem Frauengesang untermalt, startet die Amateurin ihre Karriere mit einem deutlich älteren Mann. Danach postet sie ein Selfie mit Sperma auf ihrem Gesicht bei Instagram – mit dem Hashtag #proudslut.
Keine klischierte Porno-Story
Warum will Bella Cherry Porno-Star werden, welche Geschichte steckt dahinter? Diese Frage stellt man sich als Zuschauerin von Anfang an – und wird schnell mit eigenen Schubladen konfrontiert, in die man Sex-Darstellerinnen stecken will. «Mein Vater hat mich vergewaltigt, als ich jung war…», sagt Bella zu einem Kollegen, der sie fragt, warum sie Pornos drehen möchte. Ein Witz, sie fängt an zu lachen. «Ich bin hier, weil ich ficken will!» Ninja Thyberg lässt Vorurteile gleich von Anfang an zerspringen und macht klar, dass «Pleasure» eben nicht die klischierte Porno-Story ist, die man sonst aus Filmen kennt. Dass nicht alle Porno-Darsteller:innen kaputte Figuren sind und ein Trauma oder eine düstere Geschichte haben, die sie in die Sex-Industrie trieb.
Während ihre Mutter in Schweden denkt, sie absolviere in Los Angeles ein Praktikum, lernt Bella Cherry die Szene kennen. Thyberg betrachtet die Pornoindustrie in LA in «Pleasure» aus weiblicher Sicht – und will aufzeigen, wie vielseitig die Szene sein kann. So erlebt Bella an einem Set für einen S&M-Film, an dem sowohl Frauen als auch Männer arbeiten, einen respektvollen, professionellen und zuvorkommenden Umgang. Im ständigen Dialog mit ihr wird sichergestellt, welche Safewords verwendet werden, was No-Gos sind oder was sie wiederum anturnt.
Explizite Darstellungen und Gewalt
Doch die Amateurin erlebt schnell, dass es auch anders geht: Beim Dreh mit drei Männern stimmt sie zwar zu «rough stuff» zu, doch es gibt keine Vorbesprechung oder einen Austausch zum Thema Konsens. Die Szene wird zunehmend brutaler und Bella wird unter Druck gesetzt und dazu gedrängt, weiterzumachen, – obwohl sie sagt, sie wolle nicht mehr. Solche Szenen mit expliziten Darstellungen, Gewalt und Erniedrigung machen «Pleasure» teilweise schwer verdaulich.
Der Film zeigt auf spannende Art und vor allem ohne moralischen Zeigefinger auf, wie facettenreich die Pornoindustrie ist – ohne diese zu romantisieren. Denn Bella merkt bald, dass sie auch extreme sexuelle Fantasien erfüllen muss – doppelte Anal-Penetration oder die rassistische Porno-Kategorie «Interracial» zum Beispiel –, um es nach ganz oben in den Porno-Olymp zu schaffen. Der Deal: Wer keine Limits kennt, hat Chancen auf den Ruhm. Und das ist, was Bella will. «Ich mache das nicht wegen Geld. Ich liebe es, vor der Kamera zu sein, – ich bin eine Performerin», sagt sie.
Thyberg recherchierte fünf Jahre lang
Es ist eine erfrischende Perspektive, eine Hauptfigur zu sehen, die selbstbestimmt ihre Karriere in der männerdominierten Porno-Industrie geht, ohne dabei von Geldnot oder einer traurigen Background-Story getrieben zu werden. Bella Cherry ist kein Objekt – oder zumindest nur eines, wenn die Kamera an ist und sie dafür bezahlt wird.
Mit «Pleasure» gelang Ninja Thyberg ein starkes Porträt über die Porno-Industrie und die Menschen vor und hinter der Kamera. Sie schafft es, realitätsnah und relativ nüchtern zu zeigen, wer und wie die Leute so sind, die ihr Geld mit Sex-Filmen verdienen. Welche positiven, lustvollen Seiten die Branche hat – und welche hässlichen. Als Recherche für den Film tauchte Thyberg fünf Jahre lang selbst in die Szene in Los Angeles ab und besuchte unzählige Porno-Sets. Das merkt man dem Film an.
«Pleasure» ist nicht nur ein grossartiges Debüt von Ninja Thyberg, sondern auch von Sofia Kappel: Für die Schwedin, die zu den wenigen Cast-Mitgliedern gehört, die keine professionellen Porno-Darsteller:innen sind, ist es die erste Rolle überhaupt. «Pleasure» regt zum Nachdenken über die eigene Voreingenommenheit zum Thema Pornografie an und sei allen empfohlen, die sich für das Thema – vor allem im feministischen Kontext – interessieren.
Der Film ist ab dem 13. Januar im Kino zu sehen.