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«And Just Like That» versäumt es, das Alter von Carrie und Co. zu feiern

«And Just Like That» versäumt es, das Alter von Carrie und Co. zu feiern

«And Just Like That» hätte eine grossartige Fortsetzung von «Sex and the City» werden können. Eine Serie, die Frauen in ihren Fünfzigern zeigt und sie zelebriert. Doch bis jetzt kommt diese Altersklasse ein wenig gar deprimierend weg, findet die stellvertretende Chefredaktorin Kerstin Hasse.

Es gibt diese Szene im neuen «Sex and the City»-Reboot «And Just Like That», in der Sarah Jessica Parker als Carrie Bradshaw vor der Treppe in ihrem Haus steht. Weil ihre Hüfte schmerzt, packt sie sich am Treppenende einen Schirm und stützt sich dann – von Stufe zu Stufe – melodramatisch auf diesem Schirm ab und schleppt sich förmlich die Treppe hoch. Was im ersten Moment wie Satire aussieht, ist ernst gemeint.

Die Botschaft der Serienmacher:innen hinter der Szene ist klar: Auch Carrie Bradshaw wurde in den 17 Jahren seit dem Ende der Originalserie älter. Sie ist nun Mitte 50. Man könnte sagen, sie steht mitten im Leben. Schade nur, dass diese Lebensmitte abgebildet wird, als wären Carrie und Co. kurz vor dem Eintritt ins Altersheim.

Seit das Reboot gestartet ist, geht es permanent nur darum, wie alt man sich anscheinend fühlen muss, wenn man die 50er-Grenze überschritten hat. Es geht um graue Haare, Falten, Hörgeräte, Herzinfarkte, fehlende Libido und eben: schmerzende Hüften. Um es in Carrie Bradshaws Manier zu formulieren – I couldn’t help but wonder: Gibt dieses Alter wirklich nicht mehr her? 

Überzeichnet und schonungslos

Als 1998 die allerersten Folgen von «Sex and the City» ausgestrahlt wurden, war Sarah Jessica Parkers Charakter Carrie Bradshaw 32 Jahre alt. Also fast so alt wie ich heute. Als ich die Serie zum ersten Mal sah, war ich allerdings noch ein Teenie. Ich war fasziniert von Carries Welt: der Grossstadt, den Affären – und den Schuhen natürlich. Die Themen, die sie als Thirtysomething in New York beschäftigten, hätten jedoch nicht weiter entfernt sein können von meiner Lebensrealität als 14-jähriges Mädchen aus Graubünden.  

Heute sieht das ein wenig anders aus. Nein, Zürich ist nicht New York und Gott sei Dank habe ich auch keinen Mr. Big in meinem Leben. Aber wenn ich die alten Episoden wieder schaue, erkenne ich mich und meine Freundinnen natürlich viel mehr wieder in den Fragen, die sich Carrie, Miranda, Charlotte und ja, auch Samantha, stellen.

Meine Freundinnen und ich diskutieren über Beziehungen, die zerbrechen oder gerade entstehen, über gute Affären und schlechten Sex – oder eben schlechte Affären und guten Sex – aber eben auch über Familienplanung, über unsere Finanzen oder Karrierepläne. Wie belastend es für eine Freundin sein kann, nicht schwanger zu werden, wie sich echter Liebeskummer anfühlt, wie viel Geld man wirklich für ein Paar Manolos hinblättern muss, wie schön Leidenschaft sein kann oder wie viel Druck man als Frau in der Arbeitswelt ausgesetzt ist – das verstand ich als Teenie nicht.  

Die Diskussionen, Sorgen und Sexeskapaden sind in SATC überzeichnet, ja, aber in ihrer Schonungslosigkeit waren sie – vor allem für damalige Verhältnisse – eben auch bahnbrechend. Und genau das zeichnete die Serie aus: Tabus wurden gebrochen, das Bild einer modernen Frau wurde gezeichnet – fortschrittlich für die 90er, in denen es tatsächlich noch immer keine Selbstverständlichkeit war, dass Frauen masturbieren und ein selbstbestimmtes Leben führen möchten.   

Man kann auch mit über 50 Jahren noch Sex haben

Wo ist diese Fortschrittlichkeit nun im Reboot geblieben? Natürlich hat sich das Leben der Protagonist:innen verändert. Ich erwarte auch nicht, dass ich mit Mitte 50 noch das gleiche Leben führen werde wie jetzt. Umso wichtiger ist es, dass die Macher:innen der Serie mit der gleichen Schonungslosigkeit die Herausforderungen beleuchten, die das Älterwerden mit sich bringen. Spoiler-Alarm: Dass Mr. Big stirbt und sich Carrie mit dem Tod ihres Partners auseinandersetzen muss, war zum Beispiel erzählerisch ein mutiger Schritt, den ich durchaus interessant und wichtig finde. 

Ich selber kann es nicht beurteilen, aber eine kurze Umfrage bei Freund:innen über 50 hat bestätigt, was ich vermutet hatte: Es gibt dennoch weit mehr, was einen in diesem Alter bewegt, als die eigene Vergänglichkeit. Und: Auch mit über 50 kann man noch Sex haben. Das wurde bis jetzt leider aber kaum in «And Just Like That» abgebildet. Bei der Szene zwischen Steve und Miranda in der Küche, als er – Achtung, nochmals Spoiler – kläglich daran scheitert, sie zu befriedigen, sind mir fast die Tränen gekommen.

Wo ist die ganze sexpositive Einstellung der Serie hin? Gerne erinnere ich daran, dass Samantha in den zugegebenermassen furchtbaren «Sex and the City»-Filmen auch bereits ein gutes Stück über 50 ist. Das hindert sie aber nicht daran, das Leben noch zu geniessen. Oder Sex zu haben.  

Dass der Sextrieb mit zunehmendem Alter eher nachlässt, ist eine Tatsache. Das auszublenden, wäre auch nicht zielführend gewesen. Aber eine gewisse Überzeichnung ist doch auch Teil der Unterhaltung. Carrie stöckelt in «And Just Like That» ja auch nächtelang in 12-cm-Heels durch New York und bezeichnet ihre Plateau-Sandalen sportlich als ihre «Sneaker». (Was eventuell auch das Hüftproblem erklärt, aber lassen wir das). Dass das nicht der Realität entspricht, ist klar.

Warum also muss jede einzelne Sexszene bis anhin irgendwie problembehaftet sein? Selbst wenn es im echten Leben nicht immer so ist – egal in welchem Alter, übrigens – wäre es doch mutig und fortschrittlich, in einer Serie zu zeigen, wie gut und hemmungslos der Sex über 50 noch sein kann.  

Wo bleibt die Lust, Tabus zu brechen?

Die fehlende Fortschrittlichkeit spiegelt sich aber nicht nur in den Schlafzimmern der Protagonist:innen wider, sondern auch in den popkulturellen Referenzen. Miranda zuckt schon beim Wort «Podcast» zusammen (!), Instagram ist etwas für die jungen, hippen Dinger und die Art und Weise, wie sich die ganze Truppe über Episoden hinweg mit Themen wie Non-Binarität und Gender-Diversität rumschlägt, ist einfach nur seltsam. Was ich vermisse, ist der Humor, den diese Serie immer auszeichnete. Die Selbstironie, den Mut und die Lust, Tabus zu brechen. Und ja: Ich habe die Sexszene zwischen Miranda und Che in Carries Küche gesehen. Was ich daran schade fand: Miranda konnte sich anscheinend nur durch Einfluss von Joints und Shots für einen Moment gehen lassen. 

Ich weiss nicht, ob ich «And Just Like That» in 20 Jahren mit anderen Augen anschauen werde. Ob ich ohne Sex, aber dafür mit viel Botox in den rosigen Wangen meine kaputte Hüfte durchs Leben schleppen werde – auf Manolos, selbstverständlich – und so etwas denken werde wie: Sarah Jessica Parker hatte also doch recht.  

Ich hoffe es nicht. Wenn ich auf die tollen Frauen in meinem Umfeld blicke, die teilweise weit über 50 sind, bin ich mir jedoch fast sicher, dass es nicht so weit kommen wird.   

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SNoemi

couldn‘t agree more 🙂

Anna Esposito

I prefer Golden Girls.

Pamacs

Ganz genau. Sie haben mit 32 noch echt keine Ahnung!!
Ich weigerte mich auch zu akzeptieren, dass ich älter werde. Eigentlich tue es noch immer….aber mit 51 Jahren tut fast immer etwas weh….Ich mache Sport täglich….kardio, Kraft. Mache alles gegen den körperlichen Zerfall….aber ich bin nicht mehr 32.
Und Sex ist nur noch lästig….
In 20 Jahren können Sie mitreden.
Jetzt haben sie nur die Vorstellung….
Aber nur für das Protokoll….
Ich fühle mich nicht alt . Ganz im Gegenteil….aber mein Körper ist 51 geworden und das spüre ich.

Kerstin Hasse

Vielen Dank für Ihren Kommentar. Ich habe bewusst hervorgehoben, dass ich das als junge Frau nur bedingt kommentieren kann. Ich habe jedoch mit Frauen über 50 und 60 geredet, die diese sehr überzeichnete Darstellung von Frauen über 50 eher als unpassend empfanden. Liebe Grüsse!

Kris

Du hast so recht 🙋‍♀️

Sonja

Liebe Kerstin,
danke und nein.
Es ist sehr traurig, sie hätten so viel mehr zeigen können. Ich bin über 50 und freier denn je. Meine Gesundheit beschäftigt mich leider schon mehr als vor 20 Jahren, aber absolut nicht hauptsächlich. Ich finde es traurig was da für ein Frauenbild gezeichnet wird.
Lieben Gruß
Sonja

LukiSilvi

Ajajaj. Ich schätze mal, das mit den 50ern ist individuell wie das Leben selbst. Ich bin 52 und habe mich nie lebendiger, attraktiver und selbstbestimmter gefühlt. Natürlich, es zwickt mal da und mal dort, aber es ist nicht grad zwingend eine Rundumerneuerung. Der Alterung können wir uns nicht entziehen, wenn wir anstreben, immer älter zu werden. Damit verbunden ändert sich nun mal der Körper und leistet nicht mehr das selbe. Aber immer noch ist er ein Wunderwerk. Vielleicht sollten wir einfach unsere Hobbies anpassen statt und zu beklagen. Schliesslich kleide ich mich heute auch anders als mit 30. Und betreffend Sex… vielleicht liegt es eher am eintönigen Alltag – der kommt aber in langjährigen Beziehungen erfahrungsgemäss schon vor den 50ern. Ich hab da eine andere Erfahrung gemacht. Ich weiss heute was ich will und was ich brauche, und worauf ich verzichten kann.
Frauen, ich muntere euch auf, das Altern zu zelebrieren. Noch nie war es so einfach. Es ist ein neuer Abschnitt, aber durchaus reizend, liebens- und lebenswert.

meia

vielleicht mit 70? immerhin, ich hab mit 55 einen jüngeren mann geheiratet!

Dorothea

Und wieder kommt Frau Hasse nicht drum rum, sich als Protagonistin ihres Textes zu positionieren anstatt Frauen um die 50 zu Wort kommen zu lassen. Dieser Narzissmus ist schlicht kaum zum aushalten.

Kerstin Hasse

Liebe Dorothea, ich habe im Vorfeld des Textes mit insgesamt mehreren Frauen über 50 und 60 Jahren in meinem Umfeld gesprochen und im Text klar herausgestrichen, dass ich einer anderen Altersgruppe angehöre. Bleiben wir doch fair – auch in der Kommentarspalte! Freundliche Grüsse, Kerstin Hasse