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Unsere Achterbahnfahrt zum Wunschkind

Kinderwunsch

Unsere Achterbahnfahrt zum Wunschkind

  • Text: Sandra Huwiler; Bild: Getty Images

Die 30-jährige Maude K.* aus Zürich konnte nicht auf natürlichem Weg schwanger werden. Was das wirklich bedeutet und mit sich bringt, erzählt sie in ihrer persönlichen Geschichte.

«Als der Arzt uns mitteilte, dass unsere Chance, auf natürlichem Weg schwanger zu werden, geringer sei, als im Lotto zu gewinnen, brach für mich eine Welt zusammen. Ich bin altmodisch, dachte: Mann plus Frau plus Sex gleich Baby.

Sofort geisterten Spuk-Geschichten in meinem Kopf herum, von riesigen Geldsummen und von missglückten künstlichen Befruchtungen im Ausland. Mir stiegen augenblicklich Tränen in die Augen. Meine Gynäkologin zeigte keinerlei Mitgefühl oder Verständnis. Das war dann auch mein letzter Besuch bei ihr.

Vernichtendes Spermiogramm

Das Spermiogramm meines Partners war wahnsinnig schlecht – als wäre er ein Leben lang Kettenraucher gewesen. Dabei hat er in seinem Leben noch keine einzige Zigarette geraucht und immer viel Sport getrieben.

Für ihn war sofort klar, dass wir den Weg einer künstlichen Befruchtung einschlagen werden. Meinem Partner war es wichtig, dass unser Kind auch biologisch unser Kind sein würde. Zumal er gute Spermien hat. Einfach verschwindend wenige.

Schwarz-weisse Welt

Ich musste das alles erst einmal verarbeiten. Wir waren damals in zwei Welten zuhause: Ich sah alles schwarz, war der ganzen Sache gegenüber negativ eingestellt und machte mir keine grossen Hoffnungen.

Ich war noch sehr im Verdrängungsmodus und wollte nicht wahrhaben, dass es uns nicht vergönnt war, einfach so schwanger zu werden, wie es anderen Paaren möglich ist. Er hingegen war positiv und hoffnungsvoll. Das führte zu viel Unverständnis der anderen Person gegenüber.

Spanien – das Land der Hoffnung

Was mir half: Informationen. Wir stürzten uns also in die Recherche. Künstliche Befruchtung war für uns zuvor nur ein entfernt bekannter Begriff – mittlerweile könnten wir einen Vortrag darüber halten.

Bald stiessen wir auf eine Klinik in Spanien – das Land ist eine IVF-Hochburg. Doch dann kam Corona, eine Ausreise war nicht mehr möglich. So vereinbarten wir einen Termin im Unispital in Zürich.

Das Schicksal ist ein mieser Verräter

Genau zu der Zeit erfuhr ich, dass meine beste Freundin schwanger war – zum für mich unglücklichsten Zeitpunkt. Auf der einen Seite freute ich mich unglaublich für sie, gleichzeitig war ich todtraurig. Dass sie ohne weiteres schwanger wurde, empfand ich als unglaublich unfair. Das war richtig schlimm für mich.

Ich haderte mit meinem Schicksal, war rasend wütend und in meinem Schmerz gefangen, kämpfte gegen miese Gefühle, Eifersucht und konnte nichts dagegen tun. Rückblickend war das eine der schwierigsten Erfahrungen in meinem ganzen Leben.

Das eine gute Spermium finden

Um eine künstliche Befruchtung beginnen zu können, muss man vorher eigentlich ein Jahr lang erfolglos versucht haben, schwanger zu werden. Das war bei uns noch nicht der Fall – aber ein Blick des Arztes auf das Spermiogramm meines Partners reichte aus und die Sache war klar. Intrazytoplasmatische Spermieninjektion – kurz: ICSI – heisst die Behandlung, welche bei uns durchgeführt werden sollte.

Anders als bei der In-vitro-Fertilisation (IVF) werden bei ICSI die Spermien nicht einfach auf gut Glück über ein vorher entnommenes Ei geleert, sondern es wird bewusst ein qualitativ gutes Spermium ausgewählt, welches dann in die Eizelle eingesetzt wird.

Kostenvoranschlag für die Familienplanung

Ein Ei zu entnehmen tönt weit harmloser, als es in Wirklichkeit ist. Bis ein Ei entnommen werden kann, passiert extrem viel. Zuerst gibt es Voruntersuche. Bei mir war das eine Gebärmutterspülung, quasi eine Untersuchung der physischen Bedingungen für eine Schwangerschaft.

Danach erhielten wir einen Kostenvoranschlag. Tönt sehr bürokratisch, bei Kosten von 7000 bis 20 000 Franken – je nach Menge der Versuche, bis sich ein Ei einnistet – macht das aber durchaus Sinn. Wir waren glücklicherweise in der finanziellen Lage, uns immerhin zwei Versuche leisten zu können.

Hormon-Fight

Ich begann im Mai mit einer Hormontherapie, die körpereigene Hormone unterdrückt, damit diese später nicht mit den gespritzten Hormonen konkurrieren würden. Ich fühlte mich einen ganzen Monat lang so, als ob ich konstant PMS hätte. Ich war sehr dünnhäutig und hatte ständig Stimmungsschwankungen.

Anfang Juli konnte ich die Hormonspritzen abholen und musste mir dann elf Tage lang täglich zu einer auf fünf Minuten genau festgelegte Zeit zwei Spritzen setzen. Eine Spritze stimuliert die Eierstöcke, damit sie Eier produzieren. Die zweite Spritze soll die Überstimulation der Eierstöcke und einen möglichen Eisprung verhindern. Nichtsdestotrotz schwoll mein Unterleib an und meine Eierstöcke waren fünfmal grösser als normal. Ich hatte starke Schmerzen.

Potenziell schwanger

Mitte Juli fand dann die Punktion statt. Ein ambulanter operativer Eingriff, bei dem mit einer Nadel durch die Scheidenwand mithilfe eines Ultraschallgeräts Eibläschen fokussiert, punktiert und abgesaugt werden. Diese Prozedur tönt nicht nur extrem schmerzhaft, sie war es auch.

Drei Tage später wurde mir ein zuvor im Labor befruchtetes Ei mit einem Schläuchlein in die Gebärmutter eingesetzt. Dieser Moment war sehr speziell: Ich sah auf dem Bildschirm ein in acht Zellen geteiltes Ei. Wenn alles gut gehen würde, also das erste Bild meines Babys. Ich war jetzt potenziell schwanger.

Befruchtung abgeschlossen

Die Ei-Injektion war der letzte Schritt der künstlichen Befruchtung. Jetzt folgte eine nervenraubende zweiwöchige Wartezeit. Ich wusste, da war ein befruchtetes Ei in mir, aber ob es sich eingenistet hatte, wusste ich nicht.

Zwei Wochen und eine Schmierblutung später konnte ich endlich zum Bluttest, bei dem das Beta-HCG-Hormon im Blut gemessen wurde. Für einen Urintest wäre es noch zu früh gewesen. Wenige Stunden danach erhielt ich den erlösenden Anruf: Ich war schwanger!

Grenzerfahrung

Mittlerweile bin ich in der 14. Woche. Da dieser ganze Befruchtungsprozess wahnsinnig energieraubend war, fühlt es sich fast so an, als hätte ich schon eine Schwangerschaft hinter mir. Mein Körper wurde bereits vor der effektiven Schwangerschaft an seine Grenzen gebracht – ich war körperlich und mental oft am Anschlag.

Ich hätte mehrmals am liebsten aufgegeben, warf meinem Partner die schlimmsten Dinge an den Kopf, kämpfte mit düsteren Gedanken. Besonders den Fakt, dass er nur einen Becher füllen und ich den ganzen Rest ertragen musste, das empfinde ich auch jetzt noch als unfair.

Aber wir haben uns ganz zu Anfang versprochen, dass es keine Schuldzuweisungen geben würde. Für mich war klar: Ich will mein Leben mit diesem Mann verbringen und er wird der Vater meiner Kinder sein – auf welchem Weg auch immer. Und er hat mich immer bedingungslos unterstützt.

Tabu brechen

Dass künstliche Befruchtungen nach wie vor ein Tabu sind, ärgert mich. Ich fühlte mich am Anfang dieser Reise oft sehr allein. Gleichzeitig wollte ich während der Phase der künstlichen Befruchtung nicht alle Welt miteinbeziehen. Mein Chef wusste es – auch aus organisatorischen Gründen –, weiter zwei Arbeitskolleginnen, die Familie, der engste Kreis.

Glücklicherweise fand ich auf Facebook eine Gruppe von Leidensschwestern, mit denen ich mich eng austauschte. Doch sie sind jetzt in der Situation, in der ich im Frühling war, bangen und hoffen, irgendwann schwanger zu werden. Der Kontakt wurde weniger.

Bewährungsprobe

Ich hatte damals mit meiner besten Freundin irgendwann ein klärendes Gespräch, denn wir trauten uns nicht mehr, offen miteinander zu sprechen, packten uns gegenseitig in Watte. Unsere Freundschaft drohte, daran zu zerbrechen.

Je sichtbarer ihre Schwangerschaft wurde, desto schwieriger war es für mich. Ich wollte teilhaben an ihren Erlebnissen. Und gleichzeitig konnte ich es nicht, weil es wehtat, ihr dabei zuzusehen, wie sie das erlebte, was ich mir so sehr wünschte.

Ungleicher Weg, gleiches Ziel

Wenn sie über Übelkeit und andere Beschwerden klagte, machte mich das hässig. Heute weiss ich, dass ich aufgrund des unbedingten Wunsches, schwanger zu werden, schon viel vorbereiteter war darauf, was eine Schwangerschaft mit sich bringt, als meine Freundin, die davon erst einmal überrumpelt wurde.

Jetzt da ich selbst schwanger bin, kann ich ihr viel besser nachfühlen und verstehe, was sie jeweils meinte. Ich bin dankbar dafür, dass sie ihre Erfahrungen mit mir teilt. Und doch wird mir immer bewusster: Schwangerschaften lassen sich nicht vergleichen. Jede Frau, jedes Paar geht einen ganz eigenen Weg.»

* Maude K. (30), die nur ihren Vornamen nennen möchte, lebt mit ihrem Partner in Zürich. Ihr Baby kommt voraussichtlich im Frühling 2021 zur Welt.