Social Freezing: Moderne Technologien gegen die biologische Uhr
- Text: Markus Will; Bild: UnsplashDieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit kinderwunschinfo.ch entstanden
Wie teuer ist Social Freezing, wie lange können Eizellen konserviert werden und in welchem Alterszeitraum sollte man die Eizellen idealerweise entnehmen lassen? Experten und Expertinnen geben Auskunft.
Social Freezing ist ein eher neueres Verfahren, bei welchem Frauen ihre eigenen Eizellen einfrieren lassen und sich den Kinderwunsch zu einem späteren Zeitpunkt mittels In-Vitro-Fertilisation (IVF) erfüllen können.
Das Einfrieren wird Kryokonservierung (die Eizellen werden in flüssigem Stickstoff extrem schnell auf -196º Celsius gefroren) genannt und bietet ganz neue Möglichkeiten der Familienplanung. Und es kann damit den biologischen Zeitdruck umgehen, weil die Frau so auch im höheren Alter auf ihre noch jungen Eizellen zurückgreifen kann. Allerdings fehlen noch Langzeitstudien, welche auch allfällige Risiken aufzeigen könnten.
Viele meinen, Social Freezing werde vor allem von Frauen in Anspruch genommen, welche sich erst ihrer Karriere widmen möchten und den Kinderwunsch aufschieben. Laut der 2019 durchgeführten Studie «Social Freezing – Kinderwunsch auf Eis» der Stiftung für Technologiefolgen-Abschätzung, ist das aber falsch.
«Der mit Abstand am meisten zitierte Grund für die Inanspruchnahme des Social Freezing ist das Fehlen eines geeigneten Partners. Die Technologie wird von den Frauen als Möglichkeit erachtet, den Druck aus der Partnersuche zu nehmen und nicht nur wegen ihres Kinderwunsches eine missliebige Beziehung einzugehen.» (Zitat Studie «Social Freezing – Kinderwunsch auf Eis», TA-SWISS 2019)
Aber Achtung, der richtige Zeitpunkt ist entscheidend. Die Eizellentnahme sollte in jungen Jahren stattfinden. Viele Frauen sind sich zu wenig bewusst, dass es ab Mitte 30 mit der Reproduktionsfähigkeit leider sehr rasch abwärts geht. Es ist daher sehr relevant, sich bereits in jüngeren Jahren mit diesem Thema zu beschäftigen, um sich die viel höhere Erfolgswahrscheinlichkeit in späteren Jahren zu erhalten. Der Faktor Zeit spielt auch noch eine weitere wichtige Rolle. In der Schweiz dürfen die Eizellen maximal 10 Jahre aufbewahrt werden, andere Länder kennen hier keine Einschränkung.
Social Freezing ist ein sehr vielschichtiges Thema, welches eine ganze Reihe von Fragen aufwirft. Wir haben uns daher umgehört und einige Kinderwunsch-Spezialisten aus der Schweiz und aus anderen europäischen Ländern mit den häufigsten Fragen aus der Leserschaft konfrontiert.
Sehen Sie hier das gesamte Interview.
Wie lange können die Eizellen konserviert werden?
Dr. med. Mischa Schneider (Schweiz): Gemäss dem neuen Schweizer Fortpflanzungsmedizingesetz ist die Aufbewahrungsdauer für Eizellen auf 10 Jahre begrenzt. Im Fall einer Krebserkrankung gibt es keine zeitliche Einschränkung. Ich möchte an dieser Stelle aber auf eine Stellungnahme der Nationalen Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin NEK von 2017 hinweisen. Dort wird klar zum Thema Social-Egg-Freezing die Forderung erhoben, dass die Befristung der Kryokonservierung aufzuheben sei.
Dr. Francesca Bongioanni, Dr. Laura Rienzi, Dr. Mónica Aura (Italien, Spanien): Die Eizellen können viele Jahre lang aufbewahrt werden: Es gibt kein «Verfallsdatum», da ihr Stoffwechsel gestoppt ist und sie für das gesamte fruchtbare Alter einer Frau aufbewahrt werden können. Die Entdeckung und weit verbreitete Anwendung erfolgreicher Kryokonservierungsmethoden war einer der größten Erfolge bei der menschlichen Reproduktion im letzten Jahrzehnt <…>. Jüngste prospektive randomisierte Studien in Eizellenspendeprogrammen haben keine signifikanten Unterschiede zwischen frischen und vitrifizierten Eizellen hinsichtlich des In-vitro- und In-vivo-Entwicklungspotenzials festgestellt. Durch die Vitrifizierung konnten fast alle Unterschiede bei der Lebendgeburt zwischen frischen und gefrorenen Eizellen egalisiert werden.
Die Entdeckung und weit verbreitete Anwendung erfolgreicher Kryokonservierungsmethoden war einer der größten Erfolge bei der menschlichen Reproduktion im letzten Jahrzehnt.
Dr. Libor Hradecký (Tschechische Republik): Eizellen können in der Tschechischen Republik unbegrenzt aufbewahrt werden. In unseren Labors kryokonservieren wir Eizellen mittels Vitrifizierung und sobald die Eier kryokonserviert sind, nimmt ihre Qualität mit der Zeit nicht mehr ab. Die Frauen können mit ihren Partnern zurückzukehren, sobald sie sich entschlossen haben, die Schwangerschaft und Mutterschaft zu planen. Laut tschechischer Gesetzgebung können wir Frauen bis zum Alter von 49 Jahren behandeln. Je früher die Frau beschließt, die eigenen Eizellen einzufrieren, desto besser ist deren Qualität und desto höher ist die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft.
Je früher die Frau beschließt, die eigenen Eizellen einzufrieren, desto besser ist deren Qualität und desto höher ist die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft.
Wie viele Eizellen soll man im Idealfall einfrieren lassen?
Dr. Florian Götze (Schweiz): Es sei vorausgeschickt, dass naturgemäss keine 100%ige Garantie besteht. Es ist zudem unseriös, hier eine pauschale Zahlenangabe zu machen. Die individuellen Ziele einer Frau müssen zunächst im Verlauf eines detaillierten Beratungsgesprächs besprochen werden, denn die sinnvolle Anzahl hängt massgeblich vom gewünschten Absicherungsniveau der Frau ab. Als Nächstes können wir an anhand von recht konkreten Berechnungsmodellen aufzeigen, wie hoch die kalkulierten, zukünftigen Erfolgsaussichten einer Frau in Anhängigkeit einer Anzahl Eizellen aussehen könnte und ob ein Zyklus ausreichen werden. In einzelnen Fällen sind nämlich mehrere Behandlungszyklen notwendig, um gesamthaft eine aussichtsreiche Anzahl von Oozyten einfrieren zu können. Notwendig zur Abschätzung sind gewisse Blutkontrollen (FSH Tag 2-5, AMH) zur Bestimmung der Eizellreserve und des zu erwartenden Stimulationserfolges.
Dr. Maximilian Murtinger (Österreich): Etwa 17-20 Eizellen sind eine gute Voraussetzung. Um in Folge die Chancen auf eine intakte Schwangerschaft, die zur Geburt eines gesunden Kindes führt, möglichst zu erhöhen, ist die sichere Anwendung der Kryokonservierungstechniken durch eine erfahrenes Labor- und Ärzteteam mitentscheidend. Dabei spielt das Alter der Frau bei der Eizellentnahme eine wesentliche Rolle. Ab Mitte 30 nimmt die Eizellqualität deutlich ab und der Anteil der Eizellen mit chromosomalen Anomalien nimmt zu. Aber auch andere anamnestische Parameter sind zu berücksichtigen. Die Geburtenrate von kryokonservierten und «frischen» Eizellen mit anschließender Kinderwunschbehandlung ist dabei vergleichbar.
Prof. Michael von Wolff (Schweiz): Dies hängt ganz von den Wünschen der Frau ab. Die Frau muss entscheiden, wie hoch die Chance sein soll, später mit den Eizellen ein Kind zu bekommen. Für eine 80%ige Erfolgschance sind bei einer Anfang 30jährigen mit einer altersgemässen Eierstockreserve rund 20 Eizellen erforderlich, was ca. 2 Stimulationszyklen entspricht. Geht die Frau auf die 40 Jahre zu, sind doppelt so viele Eizellen erforderlich, wofür sie ca. 3-mal so viele Stimulationszyklen bräuchte.
Wo werden sie aufbewahrt?
Dr. med. Mischa Schneider (Schweiz): Die Eizellen werden einzeln in kleine Röhrchen, englisch genannt Straws, eingeschweisst und anschliessend im flüssigen Stickstoff bei -196 ° Grad eingefroren. Die Lagerung geschieht anschliessend in speziellen Tanks in Flüssigstickstoff. Um Verwechslungen vorzubeugen, werden diese Straws mit dem Namen der Patientin und der Patientennummer angeschrieben. Zudem kommt ein Farbcodesystem zum Einsatz.
Welche Kosten kommen auf die Frau zu?
Prof. Michael von Wolff (Schweiz): Die Kosten liegen pro Stimulationszyklus grob orientierend bei rund 5000 Fr. Bei zwei Stimulationszyklen sind dies somit 10’000 Fr. Die Lagerung kostet pro Jahr pauschal rund 400 Fr. Sollen die Eizellen später aufgetaut werden, kommen noch einige Tausend Franken für die Befruchtung etc. dazu.
Dr. med. Mischa Schneider (Schweiz): Insgesamt fallen Kosten von ca 5000 Fr. an. Einerseits sind die Kosten für die medikamentöse Anregung der Eierstöcke und die Ultraschallkontrollen zu tragen. Die Follikelpunktion (kleine Operation) inklusive Anästhesie kostet um die 1900 Fr. Die Kosten für das Einfrieren der Eizellen ist abhängig von der Anzahl der Zellen und kostet maximal 1400 Fr. Die Lagerungskosten belaufen sich auf 300 bis 400 Fr. pro Jahr.
Dr. Marcel Stelcl (Tschechische Republik): Der Preis für die Behandlung ist 1650 Euro, im Preis sind Behandlungsplan, Stimulierung, Kontrollen, Follikelpunktion, Vollnarkose, Kryokonservierung der Eizellen und das erste Jahr der Aufbewahrung inkludiert. Die Medikamente sind extra, der Preis für Medikamente für Stimulierung sind individuell, durchschnittlich gegen 1000 Euro.
Dr. Tomas Cepelak, Michaela Silhava (Tschechische Republik): Die Kosten für das soziale Einfrieren betragen 2200 Euro und etwa 700 bis 1300 Euro für die Stimulierung von Medikamenten.
Wieviel höher ist dadurch die Wahrscheinlichkeit der Schwangerschaft, wenn die Frau um die 40 Jahre ist?
Prof. Michael von Wolff (Schweiz): Die Chance, im Alter von Anfang 40 Jahren schwanger zu werden und ein Kind zu gebären liegt noch bei rund 50%. Wenn mit Anfang 30 Jahren genug Eizellen konserviert wurden steigt entsprechend die Gesamtchance auf rund 90% an.
Dr. med. Mischa Schneider (Schweiz): Diese Antwort ist relativ komplex, da sie abhängig ist von der Qualität und der Anzahl der Eizellen. Jede Frau kommt mit einer gewissen Menge an Eizellen auf die Welt, dem sogenannten Eizellen-Pool. Ab der Pubertät schöpft sie jeden Monat aus diesem Pool jene Eizelle, die dann reift, zum Eissprung kommt und allenfalls eine Schwangerschaft ergibt. Deswegen nimmt die Menge an Eizellen mit der Zeit ab. Zudem sinkt auch im Alter die Eizellqualität. Gemäss der beiliegenden Grafik ist die Chance auf Eintritt einer Schwangerschaft mit einer einzigen Eizelle zwischen 30-35 Jahren ca. 25-30%. Mit 40 Jahren noch 10%. Daher kann im besten Fall durch ein Social Freezing die Chance auf eine Schwangerschaft verdoppelt bis verdreifacht werden.
Die Chance auf eine Schwangerschaft kann durch ein Social Freezing verdoppelt bis verdreifacht werden.
Dr. Andrei Sõritsa (Estland): Die Schwangerschaftserfolgsrate mit gefrorenen Eizellen hängt vom Alter der Frau zum Zeitpunkt der Entnahme und des Einfrierens der Eizellen ab und nicht von dem Alter, in dem sie später verwendet werden. Wenn eine Frau zum Zeitpunkt des Einfrierens der Eizellen älter als 38 Jahre ist, ist die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft im Vergleich zu jüngeren Frauen geringer.
Dr. Yuliya Masliy (Ukraine): Ältere Frauen haben grundsätzlich weniger Chancen, schwanger zu werden. Wir sehen, dass Frauen über 43 Jahre durchschnittlich noch eine Chance von etwa 5% haben. Mit den eigenen Eizellen aus jüngeren Jahren ist Chance natürlich um ein Vielfaches höher.
Werden die Erfolgsstatistiken durch Behörden kontrolliert und statistisch erfasst?
Prof. Michael von Wolff (Schweiz): Social Freezing-Zyklen werden inzwischen von der Schweizer Gesellschaft für Reproduktionsmedizin (SGRM) erfasst. Erfolgsraten basieren aber bisher nur auf internationalen Statistiken, da die Erfassung in der Schweiz erst 2020 begonnen hat.
Dr. Francesca Bongioanni, Dr. Laura Rienzi, Dr. Mónica Aura (Italien, Spanien): Alle Behörden der europäischen Länder haben nationale Register. In Italien gibt es das Istituto superiore di Sanità, das dies regelt. Darüber hinaus überwacht die Europäische Gesellschaft für menschliche Reproduktion und Embriologie (ESHRE) alle europäischen Kliniken und zeichnet die Statistiken auf.
In welchem Alterszeitraum sollte man die Eizellen idealerweise entnehmen lassen?
Dr. Florian Götze (Schweiz): Üblicherweise empfiehlt sich eine Entnahme vor Mitte dreissig, idealerweise vor dem 35. Lebensjahr. In einigen Fällen kommt sie auch deutlich früher in Frage, wenn nämlich eine ungewöhnlich niedrigen Eizellreserve vorliegt (niedriges AMH) oder eine möglichweise genetisch-familiär bedingte vorzeitige Erschöpfung der Eizellfunktion droht.
Dr. Maximilian Murtinger (Österreich): So früh wie möglich. Zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr ist die weibliche Fertilität am stärksten ausgeprägt und nimmt danach ab.
Dr. Marcel Stelcl (Tschechische Republik): Das ideale Alter der Frau für Social Freezing ist 25-35 Jahre, maximal bis 39 Jahre. Die Kryokonservierung der Eizellen nach dem 39. Lebensjahr der Frau ist weniger effektiv aus der Sicht der Erfolgsquote. Die Anzahl und die Qualität der Eizellen nach dem 40. Lebensjahr der Frau sinkt stark nach unten. Deswegen führt Social Freezing bei Frauen über 39 Jahren nicht zum gewünschten Effekt.
Kann Eizellentnahme schmerzhaft sein?
Dr. Libor Hradecký (Tschechische Republik): Die Eizellentnahme erfolgt unter Vollnarkose, dauert 15 bis 20 Minuten und nach 2 Stunden Bettruhe kann die Patientin die Klinik meist wieder verlassen. In Ausnahmefällen können leichte Krämpfe spürbar sein aber im Allgemeinen ist die Entnahme von Eizellen kein schmerzhafter Vorgang und der Patient erholt sich schnell und ohne Nebenwirkungen. Für reisende Patienten empfehlen wir, am Tag der Eizellentnahme in der Tschechischen Republik zu bleiben, damit sie am nächsten Tag wieder nach Hause reisen können.
Die Eizellentnahme erfolgt unter Vollnarkose, dauert 15 bis 20 Minuten und nach 2 Stunden Bettruhe kann die Patientin die Klinik meist wieder verlassen.
Dr. Vera Hungerbühler (Schweiz): Die Eizellentnahme führen die meisten Kinderwunschkliniken mit einer sogenannten Analgo-Sedation durch. Hierbei erhält die Frau eine Infusion mit Medikamenten zur Schmerzlinderung und leichten Beruhigung. So wird die Eizellpunktion meistens als recht angenehm empfunden.
Dr. Andrei Sõritsa (Estland): Nein, wir verwenden eine intravenöse Sedierung, bevor wir mit der Eizellenentnahme beginnen.
Wem würden Sie grundsätzlich das Einfrieren von eigenen Eizellen empfehlen?
Dr. Libor Hradecký (Tschechische Republik): Wir sehen zwei Hauptgruppen. 1. Onkologische Patienten: Vor Beginn der Bestrahlung, welche die Eierstöcke schädigen könnten. 2. Junge Frauen, welche die Schwangerschaft und Mutterschaft noch aufschieben möchte. Die biologische Uhr setzt viele junge Frauen psychischem Stress aus, sie fühlen sich unter Druck gesetzt, zwischen Bildung/Karriere und Mutterschaft zu wählen, oder sie haben einfach noch nicht den richtigen Partner getroffen. Wenn sie die Last einer tickenden Uhr wegnehmen, können sie sich ohne Druck auf Situation konzentrieren und die Lebensplanung gestalten.
Die biologische Uhr setzt viele junge Frauen psychischem Stress aus, zwischen Bildung/Karriere und Mutterschaft zu wählen, oder sie haben einfach noch nicht den richtigen Partner getroffen.
Prof. Michael von Wolff (Schweiz): Als Reproduktionsmediziner würde ich jeder Frau empfehlen, möglichst jung und auf natürlicher Weise schwanger zu werden. Ein Social Freezing ist keine Garantie für ein Kind und eine Schwangerschaft im höheren Alter ist mit mehr Risiken verbunden. Somit gibt es keine medizinischen Empfehlungen, sondern es ist ein individueller Entscheid der Frau, dem wir gerne folgen.
Dr. med. Mischa Schneider (Schweiz): Die Empfehlung richtet sich vor allem an Patientinnen Ende 20 bis Mitte 30, die den Kinderwunsch wegen einer fehlenden Partnerschaft oder der Karriere auf später verschieben möchten. Auch für Frauen nach dem 35 Altersjahr können diese Gründe für ein social egg freezing sprechen. Ganz wichtig ist hier sicher die eigenständige Entscheidung jeder einzelnen Patientin, die sich weder von familiären noch von gesellschaftlichen Normen unter Druck setzen lassen sollte.
Ist Eizellentnahme für Gesundheit einer Frau schädlich und welche Risiken sind damit allenfalls verbunden?
Dr. Maximilian Murtinger (Österreich): Bei der hormonellen Stimulation sind sowohl die Medikation und Dosierung als auch die Verabreichung auf die Patientin abgestimmt. Im Grunde ist die Behandlung nebenwirkungsarm. Übelkeit, Gewichtszunahme, Stimmungsschwankungen sind möglich. In wenigen Einzelfällen kann ein ovarielles Hyperstimulationssyndrom (OHSS) auftreten. Bei der Therapieplanung und im Therapieverlauf wird aber alles daran gesetzt dies zu vermeiden. Dazu gehören engmaschige Kontrollen und gegebenenfalls eine Anpassung des Stimulationsschemas. Wie bereits erwähnt, erfolgt die Entnahme der Eizellen ambulant unter Sedoanalgesie. Das heißt, die Patientin befindet sich in einem Art Schlafzustand und spürt dadurch nichts.
Prof. Michael von Wolff (Schweiz): Nein, die Behandlungsprotokolle sind inzwischen so sicher, dass die Risiken bei gesunden Frauen nur noch minim sind und somit kein Argument für oder gegen ein Social Freezing darstellen.
Dr. med. Mischa Schneider (Schweiz): Es bestehen bei einem Social Freezing drei Hauptrisiken. Einerseits kann die hormonelle Anregung der Eierstöcke auch zu einer Überstimulation führen. Mit den neuen Stimulationsmöglichkeiten und Medikamenten können wir dieses Risiko aber minimieren. Das zweite Risiko ist die Follikelpunktion, bei der es auch einmal zu einer Blutung kommen kann. Das Risiko ist aber mit 1:300 äusserst gering. Das dritte und wichtigste Risiko ist die Möglichkeit, dass die Patientin die eingefroren Eizellen gar nicht weiterverwenden wird. Dies entweder, weil sie glücklicherweise auf natürlichem Wege schwanger geworden ist oder weil sie sich grundsätzlich gegen das «Mutter werden» entschieden hat.
Das dritte und wichtigste Risiko ist die Möglichkeit, dass die Patientin die eingefroren Eizellen gar nicht weiterverwenden wird.
Wie läuft die Eizellentnahme in Ihrer Klinik ab?
Dr. Florian Götze (Schweiz): Zunächst erfolgt die individuelle Beratung und Aufklärung, gekoppelt an die Bestimmung der Eizellreserve. Dann gemeinsame Festlegung eines Stimulationsprotokolls (Art und Umfang der Hormonbehandlung), des Zeitpunktes der Therapie und Klärung der Frage, ob eine Narkose gewünscht wird. Es schliesst sich eine Hormonstimulation und die sichere Entnahme an. Die Eizellen werden dann in flüssigem Stickstoff extrem schnell auf – 196º Celsius heruntergekühlt.
Dr. med. Mischa Schneider (Schweiz): Die Patientin wird während der Hormonbehandlung regelmässig mit Ultraschall kontrolliert. So kann der ideale Zeitpunkt für die Eizellentnahme zwei bis vier Tage vorher festgelegt werden. Die Patientin kommt am frühen Morgen in unsere Klinik. Sie hat dort einen eigenen Ruheraum und wird dort von der Narkoseärztin auf die Operation vorbereitet. Sie erhält eine Infusion und wird anschliessend in den kleinen Operationsraum gebracht. Dort erwartet sie die Reproduktionsmedizinerin, die die Patientin bereits durch die ganze Stimulation begleitet hat. Die Patientin bekommt die Medikamente zur Unterdrückung des Schmerzreizes und zur Beruhigung. Die Punktion der Eierstöcke dauert 5-10 Minuten und wird von der Patientin nicht als schmerzhaft empfunden. Anschliessend hat die Patientin Zeit, im Ruheraum aufzuwachen. Sie erhält ein leichtes Frühstück und bei Bedarf noch Schmerzmittel. Anschliessend kann sie nach Hause gehen.
Dr. Andrei Sõritsa (Estland): Vor dem Eingriff sollte eine Patientin an ca. 3-4 Konsultationen und Scans in der Klinik oder durch einen Arzt im Heimatland teilnehmen. Wir können der Patientin alle Empfehlungen zur Vorbereitung mit Medikamenten per E-Mail senden. Am Tag des Eingriffs sollte sich die Patientin morgens (in nüchternem Zustand) im Krankenhaus eintreffen. Etwa eine Stunde später wird dann der Eingriff durchgeführt. Die Patientin müsste nach der Entnahme einige Stunden im Krankenhaus ruhen und danach nach Hause gehen.
Dr. Marcel Stelcl (Tschechische Republik): Wir bevorzugen einen individuellen Zugang zu jeder Patientin, die Patientin wird begleitet von ihrer perönlichen IVF-Koordinatorin, welche auch ihre Sprache spricht und rund um die Uhr zur Verfügung – via E-Mail, Whats up, Telefon – steht. Frauen füllen unser medizinisches Formular aus und diese Daten beurteilt unser IVF Speziallist. Die Patientin kann zudem auch eine kostenlose SKYPE Konsultation mit unserem Speziallist buchen. Wenn alle Informationen vorliegen, wird der individuelle Behandlungsplan erstellt. Die Behandlung beginnt für ausländische Patientinnen bereits zu Hause und sie bekommen alle Rezepte und den detaillierten Behandlungsplan zugestellt. Zu uns kommt dann die Patientin für den ersten Ultraschall und meistens noch eine Kontrolle nach 3 Tagen. Dann, ungefähr am 14. Zyklustag im Stimulationszyklus, werden die Eizellen entnommen und eingefroren.
Die Patientin kann zudem auch eine kostenlose SKYPE Konsultation mit unserem Speziallist buchen.
Aus verschiedenen Gründen hat eine Leserin ihre Eizellen im Ausland einfrieren und aufbewahren lassen. Kann sie ihre Eizellen in die Schweiz senden und sich bei einem hiesigen Spezialisten behandeln lassen?
Dr. Florian Götze (Schweiz): Das ist innerhalb der geltenden gesetzlichen Regelungen (Fmed, Fortpflanzungsmedizingesetz) möglich: Transport mittels professionellen Kurierdienstes, Einhalten der maximalen Aufbewahrungsfristen, Bestätigung des ursprünglichen Zentrums, dass es sich um eigene Eizellen und nicht um eine Spende handelt.
Prof. Michael von Wolff (Schweiz): Eine Versendung von Eizellen ist grundsätzlich möglich, aber fraglich sinnvoll. Das Einfrieren ist weiterhin Handarbeit und der Auftau sollte von den gleichen «Händen» und mit dem gleichen System durchgeführt werden, mit dem die Eizellen eingefroren wurde. Somit führt eine Versendung Eizellen zu einer nicht bezifferbaren Reduktion der Erfolgschance.
Dr. med. Mischa Schneider (Schweiz): Ja das ist möglich. Da es sich um die körpereigenen Eizellen handelt, bestehen keine speziellen Hürden für den Import in die Schweiz. Es gibt mehrere Logistikunternehmen, die diese Aufgabe professionell durchführen. Allenfalls gibt es Restriktionen im Ausland so kann zum Beispiel eine in den Niederlanden eingefrorene Eizelle nach zwei Jahren nicht mehr aus der EU exportiert werden. Sobald die Eizellen hier in der Schweiz sind, kann ganz normal eine Behandlung mit einer In-Vitro-Fertilisation erfolgen. Das Vorgehen ist dann genau gleich wie bei einem Social Freezing in der Schweiz.
Sobald die Eizellen hier in der Schweiz sind, kann ganz normal eine Behandlung mit einer In-Vitro-Fertilisation erfolgen.
Die Umfrage wurde im Dezember 2020 erstellt. Konkrete Einschätzungen können von den Spezialisten natürlich erst angesichts der jeweiligen persönlichen Situation der Kinderwünschenden getroffen werden. Daher ist eine frühzeitige, individuelle Abklärung der Möglichkeiten und Risiken auf jeden Fall zu empfehlen.
Die Kinderwunsch-Sprechstunde nimmt regelmässig relevante Fragen auf und klärt sie mit diversen Medizinern und Spezialisten des Schweizerischen und internationalen Reproduktionsbereichs. Gerne nehme ich ([email protected]) Ihre weiteren Fragen, Anregungen oder Kritik entgegen.
Sehen Sie hier die kompletten Interviews aller Umfrage Teilnehmer.
Umfrageteilnehmer:
360 Grad Kinderwunsch Zentrum
Dr. Florian Götze
Zürich, Schweiz
NEXTCLINIC IVF Zentren Prof. Zech
Dr. Maximilian Murtinger
Bregenz, Österreich
GENERALIFE
Dr. Laura Rienzi
Livet Center
Dr. Francesca Bongioanni
Turin, Italien
Ginefiv
Dr. Mónica Aura
Barcelona, Spanien
NEXTCLINICS Czech a.s.
Procrea Prag / Zech Pilsen
Dr. Libor Hradecký
Pilsen, Tschechische Republik
Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Inselspital Bern
Prof. Michael von Wolff
Bern, Schweiz
Unica Praha
Dr. Tomas Cepelak, Michaela Silhava
Prag,Tschechische Republik
Fiore – Fachinstitut für Reproduktionsmedizin und gynäkologische Endokrinologie
Dr. Vera Hungerbühler
St. Gallen, Schweiz
Kinderwunschzentrum Baden
Dr. med. Mischa Schneider
Baden, Schweiz
Nadiya Clinic
Dr. Yuliya Masliy
Kiev, Ukraine
ReproGenesis
Dr. Marcel Stelcl
Brno, Tschechische Republik
Elite Clinic
Dr. Andrei Sõritsa
Tartu, Estland
Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit kinderwunschinfo.ch entstanden.