Kinderwunsch
In Russland: Viele Optionen und grosses Know-how
- Text: Anastasia Sorvacheva
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Ein Überblick über Behandlungsmethoden und die Regelungen rund um das Thema Reproduktion in Russland.
Die Russische Föderation ist das flächenmässig grösste Land der Erde und besticht durch seine kulturelle und landschaftliche Vielfalt, sowie durch seine bewegte Vergangenheit. Im Vielvölkerstaat leben rund 100 unterschiedliche Ethnien, gesamthaft zählt Russland rund 145 Millionen Einwohner. Die gesetzlichen Regelungen rund um das Thema Reproduktion gelten als liberal. Russland unterstützt die Kinderwünschenden sehr stark, die meisten Fortpflanzungsbehandlungen sind durch die Krankenversicherung abgedeckt. Seit 2020 wird auch das Social und Medical Freezing, die Kryokonservierung von Eizellen und Embryos, von den Versicherungen übernommen.
Bereits in den 1960er Jahren begannen russische Spezialisten mit den IVF Forschungen und perfektionierten sie sukzessive mit den modernsten Anwendungen. Das erste IVF-Baby kam bereits in den 80ger Jahren zur Welt und wurde von der Bevölkerung zelebriert. Mittlerweile werden in ganz Russland jährlich rund 160’000 Behandlungszyklen durchgeführt. Die Hauptstadt Moskau und die nördliche Metropole Sankt Petersburg sind nicht nur touristische Magnete, sondern auch die Hauptzentren der Kinderwunsch Kliniken in Russland.
Die grosse Erfahrung mit den modernsten Reproduktionsmethoden, die hohe Qualität und das niedrige Kostenniveau ziehen auch Kunden aus dem Ausland an. Die meisten ausländischen Kinderwünschenden kommen aus China, Ost- und Westeuropa. In einigen Kliniken finden sich daher Mitarbeiter (Ärzte und Betreuer), welche neben Russisch und Englisch, auch in vielen anderen Sprachen kommunizieren können. Rund 60% aller Kinderwunschzentren im Land sind Privatkliniken. Anders als in den meisten Kinderwunsch Destinationen, gibt keine gesetzliche Höchstgrenze für Kinderwünschende.
Reproduktionsbehandlungen stehen allerdings nur Heteropaaren und Singles offen. In Russland sind Eizellen- sowie Spermien- und Embryonenspenden gestattet. Sämtliche Spendenbehandlungen sind aber strikt anonym.
Fragen an die Kinderwunsch Spezialisten
Wir haben nachgefragt bei Professor Dr. med. Vladislav Korsak, Präsident der Russian Association of Human Reproduction (RAHR) und General Direktor von MCRM (International Centre for Reproductive Medicine, Moskau), sowie bei Dr. med. Diana Obidniak, Chefärztin und Mitgründerin der Art of Birth Clinic und ISA Group in St. Petersburg, Mitglied der Russian Association of Human Reproduction (RAHR), regionale Vertreterin der European Society of Human Reproduction and Embryology, Mitglied der American Society of Reproductive Medicine.
Wie ist die Geschichte der assistierten Reproduktion in Russland?
Professor Vladislav Korsak: Die Pioniere der russischen IVF waren in den 1960er Jahren die Laborwissenschaftler in Moskau (unter der Leitung von Prof. Leonov) und im damaligen Leningrad heutigen Sankt Petersburg (unter der Leitung von Prof. Nikitina). Das erste IVF-Baby, ein Mädchen, wurde im März 1986 in Moskau geboren. In den 1990er Jahren initiierte Yuri Verlinsky, Direktor des Chicago Reproductive Genetics Institute (USA), die Einrichtung einer Reihe von IVF-Zentren in ganz Russland. Sein Engagement ermöglichte es, von Beginn an hervorragende Erfolgsquoten zu erzielen. Dank ihm wurde 1995 in Sankt Petersburg auch die erste Eizellen-Spende-Bank gegründet und die PID-Methoden (Präimplantationsdiagnostik) etabliert. Heute haben alle russischen Großstädte IVF-Zentren und ihre Zahl wächst laufend. Die Russische Vereinigung für menschliche Reproduktion, in welcher die meisten IVF-Zentren und deren Spezialisten Mitglieder sind, veröffentlicht das Journal of Human Reproduction und das jährliche ART-Register.
Welche Behandlungsmethoden sind generell sehr gefragt?
Professor Korsak: In Russland sind sämtliche aktuellen ART-Methoden (Assistierte Reproduktionstechnologien) verfügbar und legitim. Die nachgefragten bzw. die notwendigen Methoden hängen von der Art der zu behandelnden Unfruchtbarkeit ab und sind daher individuell unterschiedlich.
Dr. Diana Obidniak: Von traditioneller IVF bis zur umfangreichen genetischen Präimplantationsdiagnostik (PID), sowie Behandlungen mit Anwendung von Spenderprogrammen (Eizellen, Spermien). Zu den nachgefragten Behandlungen gehört auch die Methode der Ersatzschwangerschaft. Ein bedeutender Vorteil Russlands ist der hohe Entwicklungsstand der ART (assisted reproductive technology) und die grosse Erfahrung bei komplizierten Fällen. Am meisten nachgefragt ist IVF mit PID. Das Ziel ist dabei die Geburt eines gesunden Kindes, weshalb die genetische Diagnostik in der Behandlung von relevanter Bedeutung ist. Sie ermöglicht es, die Chromosomenpaare zu untersuchen, was die Schwangerschaftschancen erhöht und die Risiken eines Schwangerschaftsabbruchs, sowie gesundheitliche Störungen minimiert. In Russland werden auch weitere genetische Untersuchung durchgeführt wie beispielsweise der Test auf Genkompatibilität (GKT). Dabei werden die Gene der Erzeuger analysiert und die Informationen abgeglichen. So können mögliche Inkompatibilitäten frühzeitig erkannt werden. Sehr nachgefragt ist auch die Untersuchung des Endometriums (Gebärmutterschleimhaut) und seiner Rezeptivität (Empfangsfähigkeit). Für eine erfolgreiche Embryoimplantation ist das richtige Timing des Embryotransfers von grosser Bedeutung. Diese Diagnostik macht die Identifizierung dieses sogenannten Implantationsfensters möglich.
Gibt es in naher Zukunft mögliche Änderungen im russischen Reproduktionsgesetz?
Dr. Diana Obidniak: Ja, im Januar 2021 traten einige Änderungen in Kraft. Laut der neuen gesetzlichen Ordnung wurden die Bedingungen für die Anwendung von Spenderprogrammen für Wunscheltern neu definiert. Und zwar muss wenigstens einer der Wunscheltern genetische Verbindung mit dem Kind haben. Sofern die Wunscheltern Eizell- und Samenspende benötigen, ist dies gesetzlich nur dann erlaubt, wenn der daraus kultivierte Embryo in die Gebärmutter der Wunschmutter implantiert wird. Im November 2020 wurde zudem ein Entwurf zur Einbringung von Änderungen in das Gesetz über Leihmutterschaft vorgeschlagen. Er möchte die Leihmutterschaft nur für in Russland lebende Personen ermöglichen. Die parlamentarische Besprechung (Duma) dieses Entwurfes wurde jedoch nicht wie vorgesehen am 17. März 2021 durchgeführt, sondern vertagt.
Wie viele Menschen werden jährlich in Russland behandelt und wie viele davon sind ausländische Reproduktionskunden?
Dr. Diana Obidniak: In Russland wird durch das offizielle Register der RAHR eine Registrierung der Anzahl der jährlich im Land durchgeführten Zyklen geführt. Das Register sammelt Daten aus allen öffentlichen und privaten Kliniken, welche Unfruchtbarkeitsbehandlung und ART anbieten. Aufgrund der grossen Datenmenge werden die Statistiken mit einer Verzögerung von ca. 2 Jahren bereitgestellt. Momentan sind die Daten für 2019 bekannt, welche mehr als 155’000 Zyklen umfassen. Davon sind ca. 2 500 ausländische Personen, welche hauptsächlich die renommierten Kinderwunschzentren von St. Petersburg und Moskau aufsuchten. Die Anzahl steigt kontinuierlich an. Oft sind es Patientinnen mit schwierigen Fällen, die bereits mehrere erfolglose IVF-Versuche in anderen Ländern hinter sich haben.
Aus welchen Herkunftsländern kommen diese Kunden mehrheitlich? Und mit welchem Beziehungsstatus?
Dr. Diana Obidniak: Nach Russland kommen Patientinnen aus der ganzen Welt, die meisten davon allerdings aus den europäischen Ländern. Wohl aufgrund der kulturellen Nähe und der gemeinsamen Ansichten betreffend Unfruchtbarkeitsbehandlungen. Sicherlich spielt auch die Logistik bzw. die überschaubare Reisedistanz eine wichtige Rolle. Weitere Herkunftsregionen sind China, die Philippinen, Japan, Australien, Neuseeland und auch die Vereinigten Staaten.
Wie viele Kinderwünschende kommen aus der Schweiz und was sind ihre häufigsten Behandlungsmethoden?
Professor Korsak: Das wird statistisch nicht im Detail erhoben. Aber aus Erfahrung wissen wir, dass noch nicht sehr viele Personen aus der Schweiz für eine Reproduktionsbehandlung nach Russland kommen.
Dr. Diana Obidniak: Bei Patientinnen aus der Schweiz spüren wir ein grosses Interesse an den genetischen Analysen und Behandlungsmethoden, sowie der Eizellenspende. Sie wissen um die hohe medizinische Qualität und Erfahrung in sämtlichen modernen Behandlungsmethoden.
Was sind die wichtigsten Vorteile, wenn man die Behandlung in Russland macht?
Professor Korsak: Sämtliche modernen Reproduktionsmethoden werden in Russland angewendet. Hochqualifiziertes Personal, erstklassige Ausrüstung und im Vergleich zu den westlichen Ländern, ein niedriges Preisniveau für Reproduktionsbehandlungen, sind die relevanten Vorteile unseres Landes.
Dr. Diana Obidniak: Ein wichtiger Grund für die Behandlung in Russland sind herausfordernde medizinische Fälle und die Behandlung an den entsprechend spezialisierten Zentren. Beispielsweise bei Patientinnen mit Krebs, Patientinnen mit systemischen Erkrankungen, Nierenerkrankungen, entzündliche Darmerkrankungen, sowie wiederholte erfolglose Embryotransfers. Andererseits ist die Verfügbarkeit grosser Datenbanken genetisch geprüfter Spender ebenfalls ein wichtiges Kriterium bei der Auswahl eines Landes für die Behandlung.
Partner Content: Dieser Artikel wurde von kinderwunschinfo.ch publiziert.