Markus Theunert wird der erste Männerbeauftragte in der Schweiz. Sind wir wirklich schon so weit?
ANNABELLE: Markus Theunert, Ihre Partnerin wird in weinseliger Frauenrunde gefragt: «Was macht eigentlich dein Mann?» Und sie sagt: «Er ist Männerbeauftragter.» Wie wird sie sich dabei fühlen?
MARKUS THEUNERT: Ich bin ganz optimistisch, dass meine Partnerin auch in nüchternem Zustand sagen kann, welche Stelle ich ab 1. Juli innehabe.
Man wird Ihre Frau beneiden.
Das kommt auf den Weinpegel an.
Jedenfalls dürften sich die meisten Frauen den ersten Männerbeauftragten der Schweiz weniger attraktiv vorgestellt haben.
Alle Welt scheint zu denken, ein Männerbeauftragter sei ein schlurfender Sandalenträger im Batikhemd. Dass mein Aussehen überhaupt ein Thema ist, ist ja eine fast schon ironische Umkehrung des alten Musters. Sogar Alice Schwarzers erste Aussage über den Männerbeauftragten war, «dass der junge Mann sehr gut aussieht». Ist doch faszinierend.
Sie sind das, was man früher als Wyberschmöcker bezeichnet hat, arbeiten aber als Männerbeauftragter. Ein Widerspruch?
Im Dienst der Gleichstellung männerpolitisch aktiv zu sein, heisst, von zwei Seiten angegriffen zu werden: einerseits von Männern, die das anbiedernd und/oder überflüssig finden, andererseits von Frauen, die angesichts der langen Geschichte der Frauenunterdrückung meinen, dass über Männeranliegen nicht diskutiert werden soll, bis die Gleichstellung der Frauen vollständig erreicht ist. Tragischerweise übersehen sie, dass Gleichstellung gegen den passiven Widerstand der Männer schlicht nicht zu erreichen ist.
Sie sagen, Sie seien mit 15 Jahren ein Feminist gewesen, hatten «ein schlechtes Männerbild». Wie sah dieses Bild konkret aus?
Übergriffig, gewalttätig, gefühlsarm, tough. Oder abwesend. Das waren und sind bis heute Eckwerte des gesellschaftlich transportierten Männerbilds. So habe ich das gelernt und erst mit der Zeit zu hinterfragen begonnen.
Ist Mann heute schöner?
Die Vielfalt «erlaubter» Männlichkeiten hat sich erweitert, der Mechanismus aber ist der alte geblieben: Ein Mann, der nicht dem Männerbild des leistungsstarken Machers entspricht, wird als unmännlich abgewertet.
Sie sind das, was man früher als Wyberschmöcker bezeichnet hat, arbeiten aber als Männerbeauftragter. Ein Widerspruch?
Im Dienst der Gleichstellung männerpolitisch aktiv zu sein, heisst, von zwei Seiten angegriffen zu werden: einerseits von Männern, die das anbiedernd und/oder überflüssig finden, andererseits von Frauen, die angesichts der langen Geschichte der Frauenunterdrückung meinen, dass über Männeranliegen nicht diskutiert werden soll, bis die Gleichstellung der Frauen vollständig erreicht ist. Tragischerweise übersehen sie, dass Gleichstellung gegen den passiven Widerstand der Männer schlicht nicht zu erreichen ist.
Eines Ihrer zentralen Anliegen ist das Schaffen von mehr Teilzeitstellen für Männer. Aber wollen diese überhaupt das Zepter des Ernährers aus der Hand geben?
90 Prozent der Männer haben in einer repräsentativen Studie des Kantons St. Gallen gesagt, sie wollten weniger arbeiten und seien bereit, Lohneinbussen in Kauf zu nehmen. Auch wenn manche vielleicht eher aus Gefälligkeit so geantwortet haben: Das Bedürfnis nach Teilzeitarbeit ist zweifellos vorhanden.
Effektiv arbeiten nur 13.6 Prozent der Männer Teilzeit. Wie erklären Sie sich diesen Widerspruch?
Das ist vielschichtig. Faktoren sind die Verbindung von Selbstwert und Leistungsfähigkeit, die mangelnde Offenheit im Betrieb, aber auch die befürchteten schrägen Blicke der Arbeitskollegen. Es ist zu einfach, wenn man sagt: Ha, die Männer wollen doch nicht wirklich, sonst würden sie es tun. Ebenso ist es aber auch zu einfach zu sagen: Die Männer wollen schon, sie können einfach nicht. Aber ich teile Ihre Einschätzung: Es tut weh, sich vom Ernährerbild zu lösen – ebenso wie es für eine Frau nicht einfach ist, die Definitionsmacht abzugeben darüber, wie Haushalt und Kinderbetreuung richtig gemacht werden.
Ein oft gehörter Vorwurf lautet: Jetzt muss Mann ein wenig zurückstecken, und schon schreit er: Hilfe, Diskriminierung!
Ist es besser, fünf Jahre früher zu sterben oder acht Prozent weniger zu verdienen? Wertende Vergleiche führen in der Geschlechterpolitik immer in die Sackgasse. Interessant finde ich das Argument deshalb, weil sich die Kritikerinnen der Männerbewegung hier selber patriarchaler Deutungsmuster bedienen: Ein rechter Kerl hat keine Anliegen. Und wenn er Anliegen hat, ist er eben kein rechter Kerl.
Gibt es eigentlich noch so etwas wie ein faules Geschlecht?
Die Zahlen sind eindeutig: Männer und Frauen arbeiten nahezu gleich viel, wobei Männer mehr Erwerbsarbeit und Frauen mehr Familien- und Hausarbeit leisten. Ein faules Geschlecht gibt es nicht – wohl aber ein besser bezahltes.
Sie haben keine Kinder, machen sich aber stark für eine bezahlte Väterzeit.
Weil ich dafür keine Zeit hätte, wenn ich Vater wäre … Nein, im Ernst: Ich finde das, was die Schweiz werdenden Eltern an Unterstützung bietet, eine Frechheit. Besonders krass ist es bei den Vätern: Sie sind auf den Goodwill der Arbeitgeber angewiesen, wenn sie schon nur für die Geburt frei bekommen wollen. Am nächsten Tag werden sie im Büro erwartet, als hätte sich gar nichts geändert. Das ist staatlich geförderte Entfremdung der Männer vom häuslich-familiären Bereich.
Haben Sie deshalb noch keine Kinder, weil Sie wie wohl kein anderer Mann in der Schweiz die Hürden kennen?
Ich muss zugeben: In den zwölf Jahren männerpolitischen Engagements habe ich so viele schlimme Geschichten gehört, dass ich schon vorsichtig geworden bin. Die Frage des Heiratens ist für mich eher eine juristische und politische und weniger eine romantische. Beim Kinderwunsch stimmt das weniger. Obwohl ich auch da zugeben muss: Es braucht ein enormes Vertrauen in die Partnerin, dass sie ihre rechtliche Bevorteilung nicht missbrauchen würde.
Wo sehen Sie die wichtigsten gleichstellungspolitischen Herausforderungen von Buben, Männern und Vätern? Wo orten Sie die grössten Probleme?
Die Leitfrage heisst: Wo ist die Chancengleichheit noch nicht realisiert? Wo beschneiden sich Buben, Männer und Väter in ihrer Lebensgestaltung, weil sie Angst haben, ihren Weg abseits der Trampelpfade zu finden? Haben Jungs heute die Freiheit, Krankenpfleger oder Kindergärtner zu werden? Kann ein Mann Chef bleiben, auch wenn er auf achtzig Prozent reduziert? Was sagen seine Kollegen, wenn er Hausmann wird und die Frau das Geld heimbringt? Wenn wir solche Fragen ganz konkret stellen, zeigt sich, wie festgefahren wir immer noch in alten Rollenklischees sind.
Sogar australische Zeitungen berichteten über «den Zürcher Männerbeauftragten». Fühlen Sie sich als Exot?
Als Pionier: ja. Als Exot: nein.
— Markus Theunert (39) ist Präsident des Dachverbands Schweizer Männer- und Väterorganisationen (www.maenner.ch), Gründer der «Schweizer Männerzeitung» (www.maennerzeitung.ch), Mitglied der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen (www.frauenkommission.ch). Daneben betreibt der studierte Psychologe und Soziologe eine psychologische Praxis (www.quellpunkt.ch). Am 1. Juli wird er der erste Männerbeauftragte des Kantons Zürich. Er lebt und arbeitet in der Stadt Zürich.