Body & Soul
Zwei Männer erfinden einen Periodenhandschuh – und ernten einen Shitstorm
- Text: Kerstin Hasse
- Bild: Instagram/pinky_gloves
Zwei Männer bringen ein neues Periodenprodukt auf den Markt. Das könnte eigentlich eine Chance sein – wenn sie einigermassen aufgeklärt an das Thema herangegangen wären. Das war bei den Pinky-Gloves-Erfindern nicht der Fall. Dafür ernten sie nun im Internet einen Shitstorm.
Eigentlich meinten sie es ja gut – irgendwie. Eugen Raimkuluv und André Ritterswürde heissen die beiden Erfinder hinter Pinky Gloves. Sie wollen den Alltag der Frauen erleichtern, erklärten sie in der «Vox»-Show «Die Höhle der Löwen», in der sich Start-ups für eine finanzielle Unterstützung von erfolgreichen Unternehmerinnen und Unternehmern bewerben können. Da standen die beiden also in dieser Show mit ihren brav gebrandeten Pinky-Gloves-Polo-Shirts und erzählten ein wenig unbeholfen von ihrer Zeit in einer Frauen-WG. Der Blick in den Abfallkübel im Bad damals hat ihnen anscheinend wirklich die Augen geöffnet. Frauen bluten! Und dieses Blut ist nicht lila oder hellblau wie in der Werbung, sondern rot! Und rotes Blut drückt manchmal gar durch eine Bindenverpackung oder durch darumgewickeltes WC-Papier hindurch.
Sie seien beim Blick in den Badezimmerkübel ein wenig «verwundert» gewesen, schreiben die beiden auf Instagram, dass es keine bessere Lösung für die Entsorgung von Tampons und Binden gebe. «Der Erfindergeist war geweckt!», heisst es weiter. Seit 2017 tüfteln sie nun an einer Lösung. Das Resultat haben sie bei «Vox» präsentiert: Ein pinker Einweg-Plastikhandschuh für unterwegs mit dem man den Tampon «sicher» einführen kann. Anschliessend wird der Handschuh umgedreht zu einem handlichen Päckchen, das man «diskret, geruchs- und auslaufsicher im nächsten Abfallkübel entsorgen» kann. Die Möglichkeiten dabei seien endlos, verkünden sie stolz auf der Homepage: «Jede Frau kennt die Situation. Frau ist in einem fremden Haushalt eingeladen und lässt sich natürlich nicht wegen der Periode davon abhalten. Aber was tun, wenn sie dann Binde oder Tampon wechseln will, es aber keinen Abfallkübel im Badezimmer gibt?» Dann hilft Pinky Glove!
Eigentlich hat sich einiges getan
Menschen bluten während der Menstruation. Das ist – egal für welches Geschlecht – keine Neuigkeit. Wir bekommen unsere Periode in den Teenagerjahren und ein paar durchgeblutete Unterhosen später hat die ganze Sache übrigens auch ein wenig an Dramatik verloren – das hoffe ich zumindest. Denn in der Gesellschaft wird das Thema Menstruation noch immer oft tabuisiert. Dass Männer die weibliche Periode bedingt nachvollziehen können, liegt in der Natur der Sache. Aber ein wenig mehr Empathie hätte man sich von Raimkuluv und Ritterswürde schon wünschen können. Oder immerhin ein wenig Gespür für den Zeitgeist.
Seit 2017 hat sich – eigentlich – einiges in Sachen Menstruationspolitik getan. Wir reden schon seit Jahren über die fehlende Nachhaltigkeit von Wegwerfprodukten wie Tampons – die Folge davon sind Produkte wie Mooncups oder Periodenunterwäsche, die auf den Markt kamen. Hinzu kommt die Frage, warum Frauen überhaupt Geld für Hygieneartikel wie Binden oder Tampons ausgeben müssen. Schottland hat erst im November letzten Jahres entschieden, dass allen Frauen der Zugang zu Menstruationsprodukten gratis ermöglicht werden soll.
Der Pinky Glove ist jedoch weder nachhaltig (der Plastik ist aus recyclingfähigem Material, das hilft aber nicht, wenn der Tampon drin ist), noch äusserst sinnvoll. Die meisten Frauen entsorgen ihre Tampons und Binden unterwegs in Hygienebeutel oder wickeln sie in WC-Papier ein – zur Not kann der Tampon auch ausnahmsweise mal runtergespült werden. Ich kenne ganz ehrlich keine Frau, die je bei Freunden zuhause war und keine Lösung für eine gebrauchte Binde oder einen gebrauchten Tampon fand.
Vielmehr macht es den Eindruck, als wolle man hier erneut einen Weg finden, um Frauen mit einem weiteren unnötig gegenderten Produkt Geld aus der Tasche zu ziehen. Denn: Einen normalen Plastikhandschuh erhält man für nicht mal einen Franken. Ein Paket mit 48 Gloves kostet knapp 12 Euro, also über 13 Franken.
Hinzu kommt das ganze furchtbar klischierte, pinke Gender-Marketing. Und der Unterton der Gründer, der vermuten lässt, dass die Periode etwas ist – was man sich zwar nicht ausgesucht hat –, wofür man sich aber doch schämen muss. Mensblut – igitt! Diskretion wird immer und immer wieder als Hauptverkaufsargument genannt.
Nun ist es natürlich völlig okay, wenn man nicht mit der ganzen Welt über seine Menstruation sprechen will. Ein aufgeklärtes Verhältnis gegenüber der eigenen Periode heisst nicht, dass man Blutflecken auf Instagram posten muss. Tatsache ist aber, dass viele Frauen etwa unter starken Bauchkrämpfen oder PMS leiden. Solang die Periode an sich so stigmatisiert wird, werden es auch die damit verbundenen körperlichen Leiden sein. Nein, Frau kennt es eben nicht, dass sie zu einer Fete eingeladen wird und nicht zusagt aus Angst, ihren Tampon nicht entsorgen zu können. Sie kennt es aber auf dem Boden zu liegen und sich vor Schmerzen zu krümmen.
Sexistisches Produkt
Bereits während der Ausstrahlung der Sendung waren viele Userinnen auf Twitter und Instagram fleissig, mittlerweile gibt es den #pinkygate: «Ich dachte eigentlich, beim Thema Periodshaming wären wir auf einem guten Weg … Stattdessen wird das Thema weiter tabuisiert», schreibt eine Userin auf Instagram. «Ich bin schockiert, wie unnötig, umweltfeindlich und sexistisch dieses Produkt ist», ergänzt eine andere. Die beiden Männer haben mittlerweile Stellung genommen: Die Periode sei etwas ganz Natürliches, wofür sich überhaupt niemand schämen müsse, sagen sie in einem Insta-Video mit leicht verschrecktem Blick. Ihr Produkt sei vor allem für Situationen gedacht, in dem Frauen «unterwegs seien» und «keinen Zugang zu WC oder Abfallkübel haben».
Es verwundert nicht, dass sie sich mit dem Pinky Glove einen ordentlichen Shitstorm eingeholt haben, die ganze Sache ist wirklich arg überholt. Doch auch wenn auf Social Media der Erfolg ausblieb, räumten sie in der TV-Show ab. Ein Mann in der Löwenrunde hat entschieden, in das Produkt zu investieren. Ob die drei Typen damit eine Erfolgsgeschichte schreiben werden? Es gilt, dies zu bezweifeln.
danke!
Danke an Kerstin Hasse! Ich hab mich so köstlich beim Lesen amüsiert. Aber auch wirklich schade.. Gerade wenn wir Frauen beginnen uns wohl in unserem Körper zu fühlen und eine Enttabuisierung von Menstruationsgesprächen stattfindet, kommen zwei Männer und erfinden umweltschädliche *pinke* Gummihandschuhe :’D