Liebe & Sex
Wie ist es eigentlich, wenn ein Beamter eine Sexbox plant?
- Aufgezeichnet: Sven BroderIllustration: Getty Images
Robert Kilp (62), Leiter des Ordnungsamts der Stadt Köln erzählt.
Wir hatten in Köln die Situation, dass wir in der Innenstadt im Gebiet rund um den Reichenspergerplatz eine grosse Anzahl von Strassenprostituierten hatten, die überwiegend dem Drogenmilieu zugehörig waren. Ein Gebiet, wo es Büronutzung gibt, aber auch hochwertige Wohnungsnutzung, ein paar nicht schlechte Hotels, ein Oberlandesgericht. Alle waren sich einig, dass es ein Unding ist, dass dort Frauen, die nicht – ich sag mal – zum Milieu gehören, ständig von Freiern angemacht werden, benutzte Kondome herumliegen, Papiertaschentücher. Für die Anwohner war die Situation sehr belastend, ähnlich wie in Zürich, wo die Kollegen nun ja auch solche Sexboxen planen.
Als Stadtbehörde kann man eine Szene wie die am Reichenspergerplatz schlecht auflösen, wenn man den Prostituierten keine Alternative bietet. Deshalb suchten wir das Gespräch mit den Frauen, die dort anschafften. Das war am 30. Januar 1997. Ich erinnere mich: Es war saukalt draussen.
Es war dann so, dass die Frauen meinten: Wir müssen nicht unbedingt hier sein. Gebt uns einen Bereich, wo wir vernünftig arbeiten können, wo ihr uns nicht verfolgen müsst und wo wir möglicherweise sogar Schutz erfahren können vor – ich sage mal – gewalttätigen Freiern. Die gibts ja auch.
Zu Anfang hatte man noch die Idee: Okay, suchen wir also einen Parkplatz, stellen wir ein paar Holzverschläge hin, wo die Freier mit den Prostituierten reinfahren können – und gut ists. Wir fanden dann was Besseres: ein Gelände im Norden, schön abgesichert durch viel Bewuchs, wo man nichts sieht, mit einem Weg, 300 Meter lang, wo man so eine Strassenprostitutionsszenerie gut nachempfinden konnte. Am 6. Oktober 2001 ist das Ganze dann in Betrieb genommen worden; mit acht abgetrennten Verrichtungsboxen, so nennen wir die bei uns in Köln, untergebracht in einer alten Scheune, jede gut sechs Meter lang. Ob ein Hummer von der Breite her noch reinpasst, weiss ich nicht. Das müsste man ausprobieren.
Die Freier kommen heute also auf diesem Gelände an, das etwa so gross ist wie ein Fussballfeld, fahren im Schritttempo durch die sogenannte Anbahnungszone, so wie sie normalerweise rumfahren – mit gucken –, und nehmen dort Kontakt mit den Prostituierten auf. Dann fahren sie mit der Frau ihrer Wahl in die Verrichtungsbox. Dann passiert das, was man vereinbart hat – und fährt wieder raus.
Zur Sicherheit der Frauen können die Freier immer nur ganz an die linke Wand der Box fahren. Meistens ist es ja so, dass die Prostituierte im Auto rechts sitzt. Sie kann zur Not also rausspringen, der Freier nicht, und anschliessend auf den Notfallpilz drücken. Dann schlägt es Alarm, das Licht geht an, und in wenigen Minuten steht die Polizei dort. Das ist bisher etwa ein Dutzend Mal vorgekommen.
Parkgebühr erheben wir nicht. Wir sind ja keine kommunalen Zuhälter. Man muss schon aufpassen, dass man sich als Stadt nicht in den strafrechtlichen Bereich der Förderung von Prostitution begibt. Im Endeffekt muss man sagen: Einnahmen erzielen wir damit nicht.
Unsere Erfahrungen mit den Verrichtungsboxen sind sehr positiv. Probleme gibt es nur in Einzelfällen. Auch die Freier haben das neue Angebot angenommen. Das ist das Wichtigste. Denn ohne Freier passiert natürlich nichts. Ein Spanner bekommt von uns Hausverbot, und bei einer Zuwiderhandlung dagegen eine Strafanzeige wegen Hausfriedensbruch.
Aber es ist nun auch nicht so, dass Verrichtungsboxen in jedem Fall die richtige Lösung sind. Das muss man vor Ort schon sehr genau analysieren. Das sagen wir auch den Kollegen aus Zürich.
Am meisten Betrieb herrscht an Heiligabend. Nach 22 Uhr gehts richtig rund dort. Es kommen dann nicht die einsamen Menschen, wie man denken würde. Sondern die Menschen, die sich zuhause nicht mehr wohlfühlen, ihrem Trieb folgen. Weiss der Himmel! Sind schon merkwürdige Situationen, die man dort erlebt, zum Beispiel Autos mit Kindersitz drin und so. Das gibt einem schon zu denken.