Body & Soul
Wie ist es eigentlich, nur wegen der Kinder bei der Ehefrau zu bleiben?
- Text: Julia HoferFoto: Getty Images
«Je schlechter meine Frau drauf ist, desto wichtiger ist es, dass ich für unsere beiden Buben da bin.» Ein Mann erzählt aus seinem Alltag.
Nicht jede Frau ist eine gute Mutter. Meine Frau ist emotional sehr unausgeglichen. Wenn das Wetter schlecht ist, hat sie schlechte Laune. Sie ist auch sonst unberechenbar. Einmal hat der Zweijährige am Mittagstisch einen Becher Wasser ausgeleert, nicht absichtlich, da ist sie ausgeflippt und hat ihm ein Glas Wasser ins Gesicht gekippt. So was ist bei ihr kein Ausrutscher, sondern der Normalfall. Sie hat keine Ahnung von Erziehung. Sie schreit die Kinder an, und die Kinder schreien sie an. Jeden Tag geht das so. Von Konsequenz keine Spur. Kennen Sie die Sendung «Die Super Nanny»? So geht es bei uns zu und her.
Einmal hat ein Nachbar zu mir gesagt: Deine Kinder stinken. Er hatte Recht, meine Frau badet sie zu selten. Aber wenn ich ihr helfen will, rastet sie aus. Sie will keine Hilfe. Das käme für sie einer Kapitulation gleich. Sie lebt mit der Illusion, alles im Griff zu haben.
Je schlechter meine Frau drauf ist, desto wichtiger ist es, dass ich für unsere beiden Buben da bin. Ich muss sie beschützen. Manchmal nehme ich sie mit in die Firma, ich hab ein kleines Speditionsunternehmen. Ich schaue auch, dass sie sich austoben können, vor allem der Vierjährige braucht das. Meine Frau geht fast nie mit ihnen nach draussen.
Ich und meine Frau, wir funktionieren nicht zusammen. Ich liebe sie schon lange nicht mehr. Den letzten Sex hatten wir, als sie mit unserem zweiten Kind schwanger wurde. Wir streiten fast täglich. Bei mir geht das mittlerweile hier rein und da wieder raus. Aber die Kinder heulen, wenn wir Puff haben.
Ich würde mich am liebsten von meiner Frau trennen. Ich könnte in einer anderen Wohnung im selben Quartier leben und die Kinder zur Hälfte betreuen.
Aber das kannst du vergessen. Eine Scheidung kommt für sie nicht in Frage. Sie sagt: Sie liebt mich. Sie würde dafür sorgen, dass ich die Kinder nicht mehr sehen darf. Frauen können das. Vor Gericht hätte ich keine Chance. Die Kinder würden ihr zugesprochen, weil sie zuhause bei den Kindern geblieben ist und ich das Geld heimbringe. Neulich habe ich in der Zeitung von einem Männerhaus gelesen, dorthin können sich Männer mit ihren Kindern flüchten. Aber das wäre nur eine temporäre Lösung.
Also bleibe ich. Ich habe mir vorgenommen zu bleiben, bis die Buben gross genug sind. Dieses Verharren ist nicht einfach. Es zehrt an der Substanz. Zwischendurch gönne ich mir etwas, ein gutes Essen, Ferien mit Kollegen, einen Seitensprung, so bleibe ich am Leben. Ich schaffe es nicht, mich zu trennen. Ich sehe keinen Weg. Wenn ich die Buben jetzt im Stich lassen würde, hätte ich mein Leben lang ein schlechtes Gewissen. Sie können ja nichts dafür.
Vielleicht hätte ich schon am Anfang unserer Beziehung misstrauisch werden sollen. Meine Frau wollte ums Verrecken Kinder. Ich war mir nicht so sicher. Nach zwei Jahren habe ich gesagt: Okay, wir probieren es.
Als das erste Kind da war, begann sich die Abwärtsspirale zu drehen. Meine Frau war überfordert, wollte aber nicht, dass ich im Job reduziere. Sie hat Ansprüche: Ein Ferienhaus ist nicht gut genug, es muss ein Hotel sein. Ich arbeitete immer mehr. Irgendwann habe ich mich wie in der Saftpresse gefühlt.
Vor einem Jahr war meine Frau längere Zeit krank und sah endlich ein, dass es nicht wie bisher weitergehen kann. Ich organisierte ein Gespräch mit einer Sozialarbeiterin, wovon ich mir viel versprach – aber es hat nichts gebracht. Ich hatte gehofft, dass sie damit einverstanden ist, die Kinder extern betreuen zu lassen. In einer Kinderkrippe. Das wäre für alle besser. Doch sie hat sich quergestellt, und es kam nur zu einem Kompromiss: Die Kinder werden nun einen Nachmittag pro Woche von einer Freundin meiner Frau gehütet.
Ob mein Leben besser wäre, wenn ich keine Kinder hätte? So überlege ich mir das nicht. Die Kinder sind okay. Ich habe sie gern.
Aber mein Leben sähe anders aus, wenn es sie nicht gäbe. Wahrscheinlich wäre ich nicht mehr in der Schweiz. Vielleicht wäre ich in Neuseeland.
Simon Halter* (36), Speditionsunternehmer St. Gallen
* Name von der Redaktion geändert