Liebe & Sex
Wie ist es eigentlich, beim Sport zum Orgasmus zu kommen?
- Text: Janine Friedrich
- Bild: Shutterstock
Janine (27) aus Basel erzählt uns von ihren Erfahrungen.
Ich bin mitten in einer ganz normalen Workoutsession im Fitnessstudio, als ich dieses Aha-Erlebnis habe. Oder vielleicht besser ein Oh-mein-Gott-Erlebnis. Ich habe Kopfhörer in den Ohren, halte mich an einer Stange über meinem Kopf fest und mache hängendes Beinheben – eine Übung für die untere Bauchmuskulatur. Normalerweise absolviere ich vier Sets mit je zwanzig Wiederholungen. An diesem Tag aber habe ich Lust, mich herauszufordern. Also los, nochmal zwanzig.
Ich merke, dass ich meine Beine nur noch mit grösster Mühe anheben kann, während ich meine Bauchmuskeln maximal anspanne. Ich meine bereits zu spüren, wie sich der Muskelkater am nächsten Tag anfühlen wird, als ich plötzlich ein weiteres, unerwartetes Gefühl in den Tiefen meines Unterleibs bemerke. Noch sieben Wiederholungen. Fühlt sich gut an, und immer besser, immer intensiver. Noch vier, drei. Wärme explodiert in meinem Körper, ich habe einen Orgasmus! Ich stöhne etwas, vor Anstrengung und Erregung. Zum Glück bin ich allein im Raum.
Orgasmus durch Bauchtraining
Was zur Hölle ist da passiert? Mit noch zittrigen Beinen google ich «Orgasmus beim Sport». Dabei stosse ich auf zahlreiche Einträge – und diesen Begriff: «Coregasm». Das englische Wort ist eine Zusammensetzung der Wörter «orgasm» und «core», Körpermitte, und bezieht sich dabei auf den Orgasmus, der beim Bauch-Training entstehen kann. Ein noch eher unerforschtes Phänomen, das vermehrt bei Frauen auftritt. Und ein Tabu, wie es scheint.
Es ist heute noch nicht ganz klar, was genau bei einem sportinduzierten Orgasmus passiert. Vermutet wird, dass durch die Kontraktion der Rumpfmuskulatur auch die umliegenden Nerven im Beckenboden aktiviert werden. Durch die erhöhte Durchblutung und die Bewegung kommt es also zu einer starken Stimulation des vegetativen Nervensystems und der Schwellkörper, was zum Orgasmus führen kann. Was allerdings feststeht: Coregasmen treten ohne sexuelle Gedanken auf. Weil er durch anstrengende Körperarbeit und nicht von sexueller Erregung ausgeht, erreicht der Orgasmus durch Sport auch nicht ganz die gleiche Intensität wie jener beim Sex oder bei der Selbstbefriedigung.
Coregasmen sind keine Seltenheit
Die Sexualforscherin Debby Herbenick und ihr Team fanden kürzlich heraus, dass jede zehnte Frau schon einmal einen Coregasm hatte. Dass sie gar nicht so unüblich sind, bestätigte mir mein Personal Trainer, als ich ihn darauf ansprach – «nur redet keine darüber», fügte er hinzu. Als ich meinen Freundinnen von meinem Erlebnis erzählte, konnten es die meisten kaum glauben. Zwei nickten jedoch wissend. Auch sie hatten bereits mehrere Höhepunkte beim Sport – eine im Bauch-Beine-Po-Kurs und eine bei verschiedenen Bauchübungen am Gerät. Doch tatsächlich haben sie noch nie auch nur ein einziges Wort darüber verloren, was mich überraschte.
Seit meiner ersten Coregasm-Erfahrung vor fast vier Jahren habe ich es jedes Mal auf das Happy End beim Bauchtraining angelegt und mittlerweile weiss ich, wie viele Wiederholungen ich brauche, um zu kommen – eine ganz neue Art, mich fürs nächste Training zu motivieren.