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Wie ist es eigentlich, 78 Kinder zu haben?

Body & Soul

Wie ist es eigentlich, 78 Kinder zu haben?

  • Aufgezeichnet von Mathias HeybrockFoto: Getty

Ed Houben, Touristiker aus Maastricht, (42).

Das letzte Mal habe ich meine Kinder Ende Mai gesehen. Der Älteste, der vorbeischaute, wird bald sechs, er kommt im September in die Schule. Wir haben in einem Café gefeiert, das einem Freund von mir gehört. Bei mir zuhause hätten wir nie alle Platz. Viele Kinder sagen Papa Ed zu mir. Oder nur Ed, wenn ihren Eltern das lieber ist, die natürlich auch mitkommen. Alleinerziehende Mütter sind darunter, lesbische, aber auch heterosexuelle Paare. Bis heute verdanken 78 Kinder ihr Leben einem kleinen Beitrag von mir. Bei vier weiteren ist die Schwangerschaft in einer stabilen Phase.

Ich habe 1999 mit dem Samenspenden angefangen. Ich selbst habe keine Familie, wollte aber anderen ein glückliches Familienleben ermöglichen, so einfach ist das wohl. Zunächst habe ich für eine Klinik gespendet, doch dort ist alles so furchtbar tabuisiert: Die Wunscheltern wissen nicht, wer der Spender ist und umgekehrt; die Kinder haben erst ab dem 16. Lebensjahr ein Recht auf diese Information. Ich fand das beklemmend, sass in diesen sterilen Gängen und fragte mich: «Sind sie das wohl?» Auch deswegen habe ich begonnen, privat zu spenden. Kürzlich rief mich eine TV-Redaktorin an, die eine Geschichte über ein Kind machen will, das durch Samenspende zur Welt kam und nun auf der verzweifelten Suche nach seinem biologischen Vater ist. Sorry, mit solchen Dramen kann ich nicht dienen. Meine Kinder aber können mich jederzeit kontaktieren, wenn sie möchten.

Neben den notwendigen medizinischen Checks war zu Beginn allein Sympathie mein Kriterium: Man tauscht ein paar Mails aus, telefoniert und merkt, ob es stimmt. Inzwischen habe ich auch schon Anfragen abgelehnt. Starkes Rauchen, Alkoholismus, Fettleibigkeit – das sind für mich Ausschlussfaktoren. Und ich möchte das Gefühl haben, dass die Leute mit dem Kind nicht nur eine Lücke in ihrem Leben stopfen. Sie sollten ihr Elternsein ernst nehmen. Ich finde, dass dazu auch gehört, Grenzen zu setzen. Ein Kind verliert sich sonst, ihm fehlt Orientierung. Aber ich mische mich natürlich nicht in die Erziehung ein.

Ich war völlig baff, als eine Frau mir zum ersten Mal vorschlug, das Kind auf natürlichem Weg zu zeugen – ich dachte, ich hätte Signale bekommen und gegeben, dass das eigentlich nicht infrage kommt. Jetzt mache ich es, wenn es gewünscht wird. Erzähle ich davon, sehe ich insbesondere bei Männern, wie es in ihnen zu rattern beginnt: Wow, Ed hat Gelegenheit, regelmässig mit wildfremden Frauen ins Bett zu steigen. Ich kann dazu nur sagen: Es ist viel weniger lustvoll, als man annimmt. Man errechnet den 15. eines Monats als besten Termin für die Befruchtung, dann wird es der 16., der 17., vielleicht der 18. Dann muss ich die Frau treffen, egal, ob ich einen langen Tag hatte, egal ob ich Lust habe, und dann das Vollziehen, was man den Akt nennt. Es ist meiner Erfahrung nach das sicherste Verfahren: Auf natürlichem Weg braucht es bis zu drei Versuche, mit dem Becher durchschnittlich sechs bis zehn.

Einmal, ganz am Anfang, fragte mich eine Empfängerin, für wie viele Kinder ich eigentlich Samen spenden wolle. Wie viele wären denn okay, habe ich zurückgefragt, vielleicht fünf? Ja, das wäre okay. Dann kann ich nichts machen, habe ich geantwortet, denn ich habe schon fünf Frauen zur Mutterschaft verholfen. Dann eben sechs, sagte sie dann. Ich finde es egoistisch, ein Limit zu setzen. Ist es anstössig, wenn man 13 Kinder zeugt? Oder 33? Was unterscheidet das 33. vom dritten Kind, was ihre Eltern? Verdienen tue ich nichts, aber inzwischen nehme ich eine Aufwandentschädigung entgegen.

Ich bin immer wieder verblüfft, wie unterschiedlich die Kinder sind. Anfangs habe ich mit meinem biologischen Schulwissen naiv vermutet, die würden mir alle ähnlich sehen, zumindest die dunklen Haare, die dunklen Augen. Aber es sind viele Blonde und Blauäugige darunter.

Längst nicht alle kommen zu den jährlichen Treffen, die ich veranstalte. Es gibt Eltern, die möchten das nicht, die halten mich nicht einmal auf dem Laufenden, wenn sich ihre Handynummer ändert. Damit kann ich leben. Niemand soll das Gefühl haben müssen, Ed würde am liebsten jeden zweiten Tag auf der Matte stehen. Alles, was ich möchte, ist, dass es den Kindern in einer glücklichen Familie gut geht.