Body & Soul
Weddingplaner und Co.: Immer mehr Paare wollen eine Hochzeit wie im Film
- Text: Denise Jeitziner; Illustration: Marcos Chin
Weddingplaner, Bootcamps für Brautpaare und Lollipopküchlein: Immer mehr Paare machen aus ihrer Hochzeit einen Event der Superlative. Wie im Fernsehen halt.
Entweder sie sterben, oder sie heiraten: Wenn eine TV-Serie zu Ende geht, werden die ganz grossen Gefühle geschürt. Zum Finale von «Private Practice» schritten Addison und Jake vor den Traualtar. Bei «Beverly Hills» fanden Donna und David zusammen. Selbst die erste Staffel von «Girls» endete so: Jessa heiratete ihren Yuppie, und alles war gut. Zumindest für den Moment.
Natürlich ist es dann nicht einfach irgendeine Hochzeit. Sondern die perfekte Hochzeit. Ganz Hollywood – superromantisch und bis ins Detail von einem Profi durchorchestriert. Was in Film und Fernsehen made in USA so erfolgreich zelebriert wird, soll künftig auch heiratswillige Schweizerinnen und Schweizer zu Tränen rühren.
Anfang April in Dübendorf, rund siebzig Frauen und ein paar wenige Männer sitzen in einem voll besetzten Schulungsraum. Es ist der Infoabend für den Diplomlehrgang «Hochzeitsplaner»: 5 Monate, 120 Lektionen, 6030 Franken. Für die Diplomarbeit kommen weitere 500 Franken hinzu. Die Nachfrage übersteigt die 22 Studienplätze bei weitem. «Nächstes Mal müssen wir wohl ein Casting veranstalten», scherzt Evelyne Schärer. Sie ist Präsidentin des Verbands für Hochzeitsplaner in der Schweiz und hat den Lehrgang gemeinsam mit der Schule für Marketing, Werbung und Kommunikation (Sawi) lanciert.
Evelyne Schärer (44), die selber eine Hochzeitsagentur mit fünf Mitarbeitenden leitet, kommt dem Typ Jennifer Lopez aus «The Wedding Planner» sehr nahe: E-Mails beantwortet sie innerhalb von gefühlten fünf Sekunden, und auf jede Frage hat sie eine überzeugende Antwort. «Am Hochzeitstag müssen wir unsichtbar sein», lautet einer ihrer Merksätze. Hosenanzug und flache Schuhe trägt sie aber nicht bloss, damit sie den Bräuten die Show nicht stiehlt: «Ich muss rennen können.»
Rund 42 000-mal wird in der Schweiz jährlich geheiratet, schätzungsweise 400-mal mit Hochzeitsplanern, Tendenz steigend. Der Job besteht aber nicht nur aus Tortentesten, Brautkleiderauswahl oder Locationsuche, sondern vor allem aus Mails und Telefonaten, Sitzungen und Budgetplanung, dem Einholen von Offerten und der Kundenakquisition. Ist das romantisch? «Nein, leider nicht», sagt Evelyne Schärer. Dennoch ist Weddingplaner für sie ein Traumberuf. Nicht nur, wenn man ihr ein Hochzeitsbudget von einer Million Franken anvertraut oder sie Xavier Naidoo als Hochzeitssänger anfragen darf. «Am Ende», sagt sie, «habe ich es nur mit glücklichen Menschen zu tun.»
Schweizer Hochzeitsplaner, die wie Evelyne Schärer von ihrem Beruf leben können, lassen sich allerdings an einer Hand abzählen. Alle anderen versuchen es nebenher. Während jüngere Paare und solche in ländlichen Gebieten bei der Planung lieber auf die Trauzeugen vertrauen, geben vor allem Städter ihre Hochzeit vermehrt in professionelle Hände. Zu gross ist die Furcht vor unliebsamen Überraschungen oder peinlichen Produktionen, die sich Trauzeugen im Eifer gern einfallen lassen. Oder die Zeit bis zur Hochzeit ist zu knapp. Oder das Brautpaar scheut sich, die Organisation des Fests dem besten Freund oder der Schwester aufzubürden. Vor allem aber: Es soll die perfekte Hochzeit werden – wie im Fernsehen, filmreif gar. Manche Bräute wissen genau, was sie wollen, ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse des Bräutigams, ohne Gedanken an die Bedeutung der Ehe. Hauptsache das Drumherum stimmt.
«Jeder will seiner Hochzeit einen extra Glanz verleihen, um sich ein wenig abzuheben», sagt Maja Frick, die seit sechs Jahren die Hochzeitsmessen in Zürich und St. Gallen leitet. Dass sich die meisten Hochzeiten am Ende ähneln wie die weissen Tauben, die nach der Trauung gen Himmel flattern, habe mit den Konventionen zu tun. Kleid, Ring, Segen, Party – nur selten werde an diesen Grundpfeilern gerüttelt.
Umso extremer habe sich in den vergangenen Jahren das Drumherum verändert. Früher reichte die Messe in der Kirche, der Apéro im Feuerwehrlokal und das Festessen im Gasthaus zum Ochsen. Heute gibt es Fitnessbootcamps für Brautpaare, personalisierte M & M zum Knabbern, Lollipopkuchen statt Hochzeitstorten, Give aways für die Gäste, und als Hochzeitslocation darf es ein extravaganter Ort im Ausland sein. Natürlich spielt der Konkurrenzgedanke mit: «Man spricht nicht darüber. Aber klar, jeder will das beste Fest machen», sagt Sebastian Rieder. Seine Frau und er haben vergangenen Sommer auf einem stillgelegten Steg am Zürichsee geheiratet. Eine Hochzeitsplanerin sorgte dafür, dass der Steg perfekt mit Blumen geschmückt und die neunzig Stühle edel mit Hussen überzogen waren. «Du stehst im Zentrum und willst dich von der besten Seite zeigen», sagt Sebastian Rieder. Als Mann frage man sich anfänglich zwar, ob tatsächlich alles nötig sei. «Aber irgendwann kommst du auf den Geschmack und willst es perfekt machen. Du kannst nicht mehr rational denken.» Auch was das Geld betreffe, das man ausgebe.
«In den Wochen und Tagen vor der Hochzeit sind wir eher Psychologen als Planer»
Caterina Pelosato, Wedding à la carte
«In meinen Augen gibt es keine billige Hochzeit», sagt auch Caterina Pelosato von Wedding Network, dem Schweizer Netzwerk professioneller Anbieter im Hochzeit- und Eventbereich. Auch sie ist Hochzeitsplanerin (Wedding à la carte) mit Leib und Seele – «an Hochzeiten heule ich regelmässig », auch sie beantwortet Mails im Hochgeschwindigkeitstempo, auch sie zeigt im Gespräch nicht die geringste Unsicherheit. Man kann sich gut vorstellen, wie sie hysterische Bräute im Nu beruhigen kann. «In den Wochen und Tagen vor der Hochzeit sind wir eher Psychologen als Planer.» Viel stehe auf dem Spiel, auch finanziell. Dass Hochzeitsplaner das Fest zusätzlich verteuern, lässt Caterina Pelosato nicht gelten: «Im Grunde ist es teurer, sich keinen Hochzeitsplaner zu leisten. » Oder wie es Bräutigam Sebastian Rieder formuliert: «Die Gefahr, von Dienstleistern ausgenommen zu werden, ist riesig.» Evelyne Schärer gibt ihm recht: «Wir kennen die schwarzen Schafe, wir wissen, wann Fotografen oder Musiker überrissene Preise verlangen. » Ein Hochzeitsplaner sollte nicht mehr als 15 Prozent des gesamten Budgets kosten.
Immerhin, Hochzeiten mit vielen Gästen und viel Brimborium scheinen sich auszuzahlen. Eine deutsche Scheidungsstudie hat vor ein paar Jahren herausgefunden: Je mehr Hochzeitsgäste, desto geringer das Trennungsrisiko. Offenbar wirkt die Scham, sich gegenüber all den Freunden und Verwandten erklären zu müssen, als Barriere.
In den TV-Serien ist davon allerdings keine Rede. Dass eine Hochzeit aber auch im richtigen Leben so etwas wie ein krönendes Finale ist, versichern verheiratete Paare gern. «Bis jetzt war es tatsächlich unser schönster Tag», sagt Sebastian Rieder. Nur: Während im Fernsehen der Höhepunkt bei Geigenmusik und Harfenklängen sanft ausklingt, folgt im richtigen Leben nicht selten der grosse Kater. Eine von zehn Bräuten leidet gemäss einer Studie am sogenannten Post-Wedding- Blues. Eine Folge von Hochzeiten, deren Perfektion monatelang auf die Spitze getrieben worden ist? «Ja, das kommt vor», sagt die Weddingplanerin Caterina Pelosato. «Aber mir ist lieber, die Braut hat nach der Hochzeit die Krise als davor.»
— Ausbildungen zum Hochzeitsplaner bietet die Schule für Marketing, Werbung und Kommunikation (www.sawi.ch) an.
Bootcamp, WWW-Antrag und Marryoke
Die Amerikaner machens vor, die Schweizer Brautpaare nach. Das fängt schon beim Antrag an. Einfach auf die Knie fallen, reicht nicht mehr. Heutzutage macht Bräutigam seinen Antrag per Kurzfilm und lässt ihn beim nächsten Kinobesuch inmitten der Trailer einspielen. Oder er bucht einen Städtetrip und verbündet sich mit den Flight Attendants. «Wir werden gleich starten. Stellen Sie bitte die Rückenlehne gerade, und schnallen Sie sich an. Und du Marie, würdest du meine Frau werden?» Wer keine passende Idee hat, lässt sich von Plattformen wie Heiratsantrag.ch inspirieren. Nach dem Antrag gehts ab ins Weddingbootcamp. Der Trend stammt aus den USA, den ersten Schweizer Anbieter gibt es in Thun: Rolf Maurer alias Sergeant First Class. Der Militärsportleiter und Fitnesstrainer trimmt die Paare ganzheitlich fit, damit am schönsten Tag nicht nur die Ringe passen. Kurz vor der Hochzeit gibt es auf Wunsch ein Abschlusscamp: «Es kommt vor, dass Frauen auf den Ellbogen herumrobben, weil sie ihre Fingernägel nicht ruinieren wollen», erzählt Maurer. Ein weiterer Trend aus den USA ist Marryoke: Am Hochzeitstag wird ein Musikvideo gedreht. Vom Brautpaar über die Gäste bis zum Pfarrer wirken alle mit. Sie singen einen Playbacksong, tanzen dazu, und am Ende entsteht daraus ein einzigartiges Hochzeitsvideo.