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Warum wollen sich beim Dating alle so schnell festlegen?

Warum wollen sich beim Dating alle so schnell festlegen?

Casual Sex oder direkt eine feste Beziehung? Praktikantin Céline Geneviève Sallustio appelliert dafür, beim Kennenlernen den Ball erst mal flach zu halten. Denn die schönen Dinge im Leben geschehen meist ungeplant.

Ich bin 24 und in keiner monogam-romantischen Liebesbeziehung – also «single». Als ich mich vor Kurzem auf der Dating-App Tinder herumtrieb, traf ich auf einen gleichaltrigen PH-Studenten. Sein minimalistischer Kleidungsstil hatte das gewisse Etwas, er trug widerspenstiges blondes Haar und fuhr Skateboard. Er machte einen sympathischen Eindruck. Also wischte ich rechts, was auf Tindersprache heisst: Ich will dich kennenlernen.

Daraufhin ploppte auf meinem Bildschirm, in unübersehbar grossen blauen Buchstaben, ein «It’s a match» auf. Der PH-Student fand an meiner Selbstdarstellung also auch gefallen. Kurze Zeit später erhielt ich eine Nachricht von ihm: «Hey, hesch Lust uf süessi, schnelli Liebi? Will ich wet nüt ernst.»

Pizzaessen – und dann Beziehung

Da war aber noch eine andere Nachricht von einem Berner. Mit seinem Dreitagebart, seinen zerzausten braunen Haaren und grossen Kulleraugen ähnelte er Theo James, einem amerikanischen Schauspieler. Zuvor schrieben wir etwa eine Woche lang unbedeutend und spärlich hin und her. Nun wollte er wissen, ob er mich auf eine Pizza einladen dürfe. Und er schob nach: «Eg wär auso ready für eh Beziehig.»

Warum ich das alles erzähle? Weil ich finde, wir müssen uns doch unbedingt zuerst kennenlernen, bevor wir entscheiden, was Sache ist. Und mit Kennenlernen meine ich ein unvoreingenommenes Treffen, bei dem wir im besten Falle miteinander reden, zusammen nachdenken, diskutieren, lachen. Und dann, wenn es gut war, noch ein solches Treffen. Und dann noch eines.

Grenzen, die wir uns selbst setzen

Es ist nicht so, dass ich es per se schlecht finde, ehrlich und direkt mitzuteilen, was man möchte. Aber gerade, wenn es darum geht, jemanden kennenzulernen, dann kann das doch nur ohne festgemeisselte Vorstellungen passieren, oder? Besonders schlimm finde ich, dass diese schwarzweisse Haltung unnötige Grenzen setzt. Grenzen, die wir uns – notabene – selber setzen. Und das, bevor wir uns überhaupt das erste Mal begegnet sind.

Ich möchte mein Leben nicht planen – und schon gar nicht das aufregende Abenteuer, jemanden kennenzulernen. Ich weiss ja nicht mal, was ich morgen für Unterwäsche trage. Also warum sollte ich dann wissen, ob ich am Wochenende mit einem Tinderboy super Casual Sex haben werde – oder wir uns bereits ausmalen, wie es wäre, einen gemeinsamen Hund zu halten? Das ist, als ob man seine Weltreise vom ersten Tag an durchplanen würde.

Angst vor Kontrollverlust

Ich kann nur mutmassen, weshalb viele Menschen dieses Entweder-oder-Denken haben. Wahrscheinlich ist Angst der Hauptgrund. Angst, die Dinge mal auf sich zukommen zu lassen – mit dem Risiko, dass es unangenehm oder verletzend werden könnte. Angst davor, Gefühle zuzulassen. Vermutlich geht es um die vermeintliche Kontrolle darüber, was passieren wird. Man möchte Dinge in der Hand haben, die man niemals komplett in der Hand haben kann: Liebe, Beziehungen, Emotionen.

Ich weiss, wir sicherheitsliebenden Schweizer planen sehr gern. Und wehe, das Leben kommt dazwischen! Aber diese ganze Planerei lässt keinen Spielraum für Spontanität, Gelassenheit und Zufälle. Deshalb appelliere ich daran, sich mehr aufs Leben einzulassen — ganz ohne Erwartungen, fixe Vorstellungen und Ziele. Und auf unser Gefühl. Das wird uns nämlich klar sagen, worauf wir Bock haben und worauf nicht. Wir müssen nur hinhören.

Und was den PH-Studenten und den Theo-James-Lookalike betrifft: Es blieb bei der Begegnung auf Tinder. Es ist für mich ein No-Go, bereits im Vorhinein festlegen zu wollen, wie alles verlaufen soll. Deshalb ein kleiner Tipp: Geht doch das nächste Mal mit eurem Date einfach mal eine Cola trinken. Alles Weitere wird sich dann ergeben – oder eben nicht.