Allein der Name tönt wie eine Streicheleinheit für die Haut: das Elixir L’Immortela. Ein sanft leuchtendes, gelbes Öl mit weich-würzigem Duft, das wahlweise in einem Porzellanflacon oder einer Glasphiole angeboten wird. Dreissig Versuche brauchte es, bis Yetunde Beutler und ihr Mann Michael dieses erste Produkt ihrer neuen Hautpflegelinie Essènci für gelungen befanden, die unter anderem zertifizierte Bioöle von Pflaume, Kürbis, Granatapfel, Kamelie, Leindotter und Currykraut beinhaltet.
Essènci soll so nachhaltig und luxuriös sein wie keine andere Pflege. Und noch einen anderen Aspekt haben sie im Blick, ja, er war sogar der Grund, überhaupt eine neue Hautpflege zu entwickeln: Die Verträglichkeit der Hautpflege für unterschiedliche Ethnien. Yetunde Beutler ist eine Woman of Color und sagt, sie habe Essènci nur entwickelt, weil sie für die Bedürfnisse ihrer Haut keine geeignete Pflege auf dem Markt finden konnte.
Je nach Ethnie ist die Haut anders
Hat die Ethnie wirklich einen Einfluss auf die Bedürfnisse der Haut? Und falls ja, wieso gehört das entsprechende Angebot nicht längst zum Standard? Bislang informieren nur wenige Marken darüber oder bieten spezielle Produkte an. Zu ihnen gehört die Apothekenmarke Eucerin, die Luxusmarken Clinique und Dr. Barbara Sturm von der gleichnamigen deutschen Ärztin sowie Nischenmarken wie Bolden aus Kalifornien, die sich explizit an People of Color wendet.
Die kurze Antwort lautet: Ja, je nach Ethnie ist die Haut anders. Der augenfälligste Unterschied ist dabei die Hautfarbe, die durch die Dichte und Verteilung des Pigments Melanin bestimmt wird. Es wird durch spezielle Zellen, die Melanozyten, gebildet. Zwar haben alle ethnischen Gruppen eine ähnliche Anzahl an Melanozyten, doch diese unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Aktivität, ihres Aufbaus und ihrer Gruppierung. Und genau das sorgt für die Ausprägung der Hautfarben.
Es braucht Aufklärung
Die ausführlichere Antwort: Es ist kompliziert. «Skandinavier:innen und Nordeuropäer:innen neigen zu erweiterten Blutgefässen und einer Vergröberung der Hautporen», sagt Christiane Bayerl, Chefärztin der Dermatologie der Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken in Wiesbaden. «Asiat:innen haben feinporige Haut und entwickeln durch UV-Strahlung Pigmentflecken – sogenannte Hyperpigmentierungen – genau wie Menschen afrikanischer Abstammung, die diese allerdings nicht durch UV-Strahlung bilden, sondern schon nach leichten Entzündungen der Haut zeigen.»
Mit Pigmentflecken allerdings hatte Yetunde Beutler keine Probleme. Sie war auf der Suche nach einem Produkt, das ausreichend Feuchtigkeit spendet. «Als Afroamerikanerin habe ich äusserst trockene Haut», sagt sie, «das haben die Sportarten meiner Jugend – Schwimmen, Reiten, Golf – verstärkt. Alle fanden unter freiem Himmel statt, in einer für die Haut schädlichen Umgebung.»
Denn auch das spielt eine Rolle bei der Frage nach der richtigen Hautpflege: Neben den tatsächlichen, dermatologisch begründeten Unterschieden gibt es auch kulturelle Unterschiede in der Wahrnehmung potenzieller Gefahren für die Haut: «Europäer:innen machen Kosmetika für empfindliche, hypersensitive Haut verantwortlich», sagt Christiane Bayerl, «in den USA sind es das Klima und der Wind und in Asien scharfe Gewürze.» Sicher jedenfalls ist: Sowohl Aufklärung als auch eine differenziertere Pflege tun not.
Dr. Barbara Sturm«Einfach gesagt: Die Händler wollten keine Pflegelinie für dunkle Haut»
Auf Letzteres setzen Produkte wie die der Linie Clinique ID. Diese funktioniert wie eine Art Baukastensystem, bei dem der Tiegel mit der Basis-Feuchtigkeitspflege zusätzlich bestückt werden kann. Und zwar mit Patronen, in denen Inhaltsstoffe mit gezielter Wirkung enthalten sind. So können Pigmentflecken, grobe Poren oder gereizte Haut behandelt werden, also genau jene Phänomene, zu denen bestimmte Ethnien vermehrt neigen.
Dieses System bietet Clinique seit knapp zwei Jahren an, deutlich länger ist die Apothekenmarke Eucerin dabei. Die zum Pharmakonzern Beiersdorf gehörende Marke lässt auf Anfrage wissen, dass ihre Systempflege für die Haut unterschiedlicher Ethnien «schon immer» existiert habe.
Tatsächlich arbeitet Eucerin auf zwei Ebenen, zum einen mit gezielter Aufklärung – online ist die Dermatologin Simone Presto zuständig für die verständlich aufbereiteten Informationen über die Hauteigenschaften der verschiedenen Ethnien –, zum anderen wird dort auf Produkte des allgemeinen Sortiments hingewiesen. Das ist allerdings doch ziemlich verwirrend, denn eine Kennzeichnung nach Ethnien gibt es nicht, stattdessen eine Gliederung nach Hautbedürfnissen, wie zum Beispiel «für unreine» oder für «sehr empfindliche, trockene» Haut.
Anfängliche Skepsis
Hautpflege, die auf bestimmte Ethnien abzielt, kann sogar für Kontroversen sorgen. Das zumindest erlebte die Düsseldorfer Ärztin Barbara Sturm, als sie vor vier Jahren neben ihrer etablierten Pflegelinie die Line Darker Skin Tones für dunklere Hauttypen lancierte. «Wir nehmen uns gezielt der dunklen und asiatischen Haut an», sagt Sturm, «und sorgen für einen Ausgleich des Hauttons und mindern das Entzündungspotenzial.»
Obwohl das vielversprechend tönt, stiess die Unternehmerin anfänglich auf Skepsis. «Einfach gesagt wollten die Händler keine Pflegelinie, die explizit auf die Bedürfnisse dunkler Haut zugeschnitten ist», sagt Sturm. Die Luxus-Onlineplattform Net-a-porter beispielsweise, die das Sortiment von Barbara Sturm bereits führte, die Line Darker Skin Tones hingegen nicht, äusserte sich damals nicht zu den Gründen für diese Entscheidung. Sturm überlegte, Händlern ihre sehr erfolgreiche Hauptlinie nur dann zum Verkauf anzubieten, wenn sie auch die Line Darker Skin Tones aufnahmen.
Medizinphysikerin Martina Meinke«Was wir wissen, wissen wir von heller Haut»
Inzwischen ist das nicht mehr nötig. Dass die Pflegelinie jetzt wie selbstverständlich zum Angebot des britischen Onlinehändlers gehört, dürfte auch ein Verdienst der barbadischen Sängerin Rihanna sein. 2017 nämlich gründete sie ihre Kosmetikmarke Fenty Beauty und bot Make-up in vierzig unterschiedlichen Schattierungen an, von sehr dunkel bis sehr hell. Für die Bewegung hin zu inklusiveren Schönheitsidealen wurde sie so zur Galionsfigur.
Und dem Trend zu Kosmetik, die nicht länger das Ideal des keltisch-hellen Hauttyps pflegt, verschaffte sie solch massiven Auftrieb, dass inzwischen auch kommerzielle Marken wie Revlon und Maybelline ihr Sortiment entsprechend vielfältiger ausgestaltet haben.
Die Zielgruppe wird übersehen
Wenn nach der dekorativen Kosmetik nun auch die Hautpflege nachzieht, ist das nur konsequent. Ein lukrativer Markt ist es obendrein. Nach Angaben des Marktforschungsinstituts Nielsen hatten Konsument:innen afroamerikanischer Abstammung im Jahr 2017 einen Anteil von 15 Prozent – mehr als 465 Millionen Dollar – am US-amerikanischen Hautpflegemarkt. Trotzdem wird diese Zielgruppe noch immer übersehen.
Aufklärung ist also dringend notwendig. Die Kenntnisse über die Eigenschaften dunkler Haut sind oft schlecht. Hartnäckig hält sich beispielsweise die Vorstellung, dass dunkle Haut keinen Sonnenschutz braucht. «Was wir wissen, wissen wir von heller Haut», sagt die Medizinphysikerin Martina Meinke von der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie an der Charité Berlin.
Mit einer Arbeitsgruppe hat sie 2019 untersucht, wie dunkle Hauttypen auf Sonnenlichtexposition reagieren und darüber im «British Journal of Dermatology» berichtet: Zwar kann der hohe Anteil an Melanin in dunkler Haut die UV-Strahlung abfangen und negative Folgen verhindern. Hautschädigende freie Radikale bilden sich aber dennoch. Nicht zuletzt, weil dunkle Haut mehr Strahlung resorbiert als helle und in der Folge die Temperatur der Haut steigt.
Das wiederum begünstigt die Radikalbildung. «Die Ergebnisse zeigen, dass auch dunklere Hauttypen Sonnenschutz benötigen und eventuell spezielle Produkte», sagt Martina Meinke. Mit ihrer Arbeitsgruppe hat sie die Empfehlung abgegeben, eine Sonnenpflege zu entwickeln, die auch aus dermatologischer Sicht speziell auf die Bedürfnisse dunkler Haut abgestimmt ist.
In den USA hat Katonya Breaux diesen Schritt bereits vollzogen, allerdings aus anderen Gründen. Die Gründerin der Marke Un Sun, die Sonnenschutz speziell für dunkle Haut anbietet, störte, dass konventioneller Sonnenschutz meist so formuliert ist, dass er auf heller Haut unsichtbar einzieht, auf dunklerer Haut jedoch einen grauen oder violetten Schleier hinterlässt. Breaux entwickelte ihre Marke, weil sie keine Sonnenpflege finden konnte, die für ihre Haut geeignet war.
Diversität im Lehrmaterial fehlt
Wie gross die Wissenslücken sind, wenn es um die Pflege und Behandlung dunkler Haut geht, zeigte auch die Covid-19-Pandemie. Im März des vergangenen Jahres erschien ein Bericht in der «New York Times», der kritisierte, dass das Lehrmaterial in der Dermatologie vornehmlich Anschauungen von Patient:innen mit heller Haut zeigt.
Mit fatalen Folgen, denn viele Krankheitsbilder – wie zum Beispiel die von Blasen gekennzeichneten Zehen mancher Covid-19-Patient:innen – sehen auf dunkler Haut grundlegend anders aus. «Wenn man nur darauf trainiert ist, etwas in einer bestimmten Farbe anzusehen», sagt Jenna Lester, die Direktorin des Skin of Color-Programms an der University of California in San Francisco, «erkennt man es in einer anderen Farbe nicht.»
Höchste Zeit also, dass das Problem sowohl auf Seiten der Forschung als auch auf Seiten der Industrie mehr Aufmerksamkeit erfährt. Aber wie findet man in der Zwischenzeit eine geeignete Hautpflege, wenn die Produkte auf dem Markt nur selten nach Ethnien kategorisiert sind?
Die eigene Haut gut zu kennen, ist essenziell
Ein wichtiger Schritt ist, die Bedürfnisse der Haut zu kennen. «Als Orientierung dienen die Kategorien normale Haut, empfindliche Haut, seborrhöische, sprich zur Überproduktion von Fett oder unter Akne neigende Haut, sowie trockene Haut», sagt Christiane Bayerl. Ausserdem sollte man wissen, erklärt sie, dass das Hautbild sich über die Lebensjahre und Jahreszeiten ändert: «Im Winter braucht derselbe Mensch eine reichhaltigere Pflege, im Sommer mehr Feuchtigkeit und weniger Lipide. In der Pubertät hat man Seborrhö und Akne, nach den Wechseljahren wird die Haut sehr trocken», sagt sie.
Yetunde und Michael Beutler haben sich entschieden, mit ihrer Marke Essènci nicht explizit bestimmte Ethnien anzusprechen, sondern Frauen im Allgemeinen. «Ich will die Frauen da abholen, wo sie sind», sagt Yetunde Butler, «mit all ihren unterschiedlichen Bedürfnissen.» Ob ihre Produkte das leisten können, müssen ihre Kundinnen entscheiden. Sicher ist, dass überkommene Schönheitsideale bei Essènci keine Rolle spielen. Und das ist ein guter Anfang.