Familie
Warum ich meinen Partner nach der Geburt gebraucht habe
- Text: Sandra Brun
- Bild: Getty Images
Die Schweiz stimmt über den Vaterschaftsurlaub ab. Eine persönliche Geschichte darüber, wie wertvoll es ist, nach der Geburt auf einen Partner zählen zu können.
Der Moment, als ich das erste Mal schwanger war und das erste Mal fühlte, wie sich dieses kleine Wesen in meinem Bauch bewegt, war extrem komisch – und wunderschön zugleich. Plötzlich wusste ich nicht mehr nur, dass ich schwanger war – ich spürte es auch. Sobald ich auch nur die kleinste Strampelbewegung fühlte, schnappte ich mir sofort die Hand von meinem Mann und legte sie auf meinen Bauch. Ich wollte ihn daran teilhaben lassen.
Mein Mann war bei so ziemlich jeder Untersuchung dabei, hat sich mit mir danach jeweils den Kopf zerbrochen, als wir uns die Ultraschallbilder ansahen und uns daran zu erinnern versuchten, welcher weisse Punkt nun welchen Körperteil darstellte. Er war beim Geburtsvorbereitungskurs, beim Baby-Erste-Hilfe-Kurs, wir haben uns Schwangerschaftsbücher angeschaut und zusammen seinen Neffen gehütet (was uns unsere Entscheidung, selbst Kinder zu bekommen, etwas hinterfragen liess).
Er war also in etwa gleich gut auf die Geburt und das, was danach kommt, vorbereitet wie ich. Und dennoch gab es einen Unterschied. Mir war das kleine Wesen im Bauch schon vor der Geburt nah – wortwörtlich nah. Wir hatten schliesslich schon neun Monate zusammen verbracht. Was fehlte, war den kleinen neuen Menschen endlich zu sehen und im Arm halten zu können. Mein Mann hingegen war seinem Sohn erst nach der Geburt das erste Mal ganz nah. Davor war seine Beziehung zu seinem Kind grösstenteils durch mich definiert.
Emotional und körperlich an der Grenze
Als ich nach zwei Tagen aus dem Spital entlassen wurde, war ich ein Häuflein Elend. Ich hatte bereits beim Frühstück im Spitalbett mit dem Weinen begonnen und nicht mehr wirklich damit aufgehört. Also auch nicht, als mein Mann uns abholte. Ich fand das Verabschieden grauenhaft, das Einladen ins Auto eine Zumutung, das Zuhause-Ankommen eine Katastrophe. Plötzlich ohne geschultes Personal für mein Kind zu sorgen – dieser Gedanke überforderte mich heillos.
Mein Mann war die Ruhe in Person. Er war extrem babyunerfahren, hat zuvor keine einzige Windel gewechselt und höchstens drei Babies in seinem Leben auf dem Arm gehalten. Er hätte guten Grund dazu gehabt, panisch zu werden.
Aber er nahm die ganze Sache einfach Schritt für Schritt. Ging stoisch Riesenbinden einkaufen für mich, holte Stilleinlagen, desinfizierte den Bauchnabel des Kleinen, wurde zum Windelwechselprofi und Babybademeister erster Wahl. Und fand ganz natürlich in seine Vaterrolle.
Er war einfach da
Ich hingegen fühlte mich eine Zeit lang ziemlich überfordert. Es war keine postnatale Depression, aber eine postnatale Krise hatte ich trotzdem. Ein Kind zu bekommen, brachte mich nicht nur körperlich an meine Grenzen, sondern auch emotional.
Von aussen liess ich mir das nicht gross anmerken, aber innerlich fühlte ich mich, als würde ich in einer Waschmaschine umhergeschleudert werden. Was Wochenbett bedeutet, hatte ich mir kaum überlegt. Ich war zu sehr geprägt durch Erzählungen und Bilder, die suggerierten, dass man nach einer Geburt ratzfatz wieder fit ist und das Leben weitergeht – halt einfach mit Kind.
Dinge, von denen ich erwartet hatte, dass sie ganz natürlich funktionieren, waren erst mal ein Krampf. Stillen? Anfangs Stress pur. Tagesrhythmus? Fehlanzeige. Babygeschrei einordnen können? Braucht Zeit, viel Zeit.
Umso toller war es, dass mein Partner einfach da war. Er hatte die Möglichkeit, knapp drei Wochen zuhause zu bleiben. Wir hatten Zeit, zu einer Familie zusammenzuwachsen. Mein Mann hatte Zeit, eine Bindung zu seinem Sohn aufzubauen. Zeit zumindest, mit diesem Prozess zu beginnen – abgeschlossen ist beides nach ein paar Wochen nicht, das braucht Monate, Jahre. Für meinen Mann blieb es wichtig, da zu sein, sich Zeit zu nehmen. Aber die Basis für eine enge Beziehung wird in dieser ersten Zeit gebildet.
Wir staunten zusammen
Ich fühlte mich manchmal ein Stück weit gefesselt. Wo ich war, war mein Kind. Diese Nähe ist wunderschön, aber manchmal auch ein bisschen beängstigend. Umso dankbarer war ich meinem Mann, der jeden Moment mit seinem Kind aufsaugte, stundenlang mit seinem Sohn auf dem Arm herumspazierte, sich um uns kümmerte. Der diese Anfangszeit voller Zauber und voller Überraschungsmomente, voller Freude und voller Unsicherheiten, voller Nähe und voller Schlaflosigkeit mit mir zusammen erlebte.
Diese Bubble, in der man sich nach der Geburt eines Kindes befindet, in der man kein Gefühl für Zeit und Raum hat, in der die Tage endlos scheinen und trotzdem wie im Flug vergehen – in der waren wir gemeinsam. Wir verliessen tagelang die Wohnung kaum, lagen stundenlang auf dem Bett und schauten uns unser Kind an, staunten über dieses kleine Wesen und darüber, dass es jetzt ganz selbstverständlich zu uns gehörte.
Hätte mein Mann nur Fetzen davon mitbekommen, es wäre mir schlicht nicht möglich gewesen, ihn auch nur ansatzweise an dieser ungewohnten neuen Situation teilhaben zu lassen. Denn in Worte fassen lässt sich vieles aus dieser Anfangszeit mit einem Neugeborenen nur schwer.