Beauty
Warum die Beauty-Industrie den Kampf gegen Cellulite aufgegeben hat
- Text: Niklaus Müller
- Bild: Stocksy
Jahrzehntelang kämpfte die Beautyindustrie mit allen Mittelchen gegen Cellulite. Doch nun ist es ruhiger geworden: Die Versöhnung mit dem kosmetischen Erzfeind?
Sie kamen so sicher wie das Amen in der Kirche: Noch vor zehn Jahren lancierten Kosmetikfirmen jeden Frühling Körperpflegeprodukte gegen Cellulite. Crèmes, Emulsionen, Gels oder Seren sollten die ungeliebte Orangenhaut eliminieren oder zumindest mindern. Jedes Jahr war es ein Rennen gegen die Zeit, denn spätestens zur Badesaison sollten Oberschenkel und Po glatt, straff und dellenfrei sein.
Doch in den vergangenen Jahren ist es ruhig geworden um die Cellulite. Nur noch wenige Hersteller präsentieren Produkte, die gegen die Dellen wirken sollen – beziehungsweise: Nur noch wenige Hersteller verwenden die Bezeichnung Cellulite überhaupt.
Was ist passiert? Hat die Body-Positivity-Bewegung und mit ihr die Überzeugung, jedem Körper mit Respekt zu begegnen, ein Umdenken bewirkt? Sind wir endlich bereit, diesen «Makel», der übrigens mehr als neunzig Prozent aller Frauen über zwanzig Jahren betrifft, zu akzeptieren? Auch Frauen, die immer schlank waren, bekommen Orangenhaut, wenn ihr Bindegewebe nachgiebig ist. Eine Tatsache, die man weder wegdiskutieren noch wegcrèmen kann. Hat das nun auch die Kosmetikindustrie akzeptiert?
Tina Frutiger, Retail, PR & Communication Director von Clarins Schweiz, sagt dazu: «Cellulite und andere Hautbeschaffenheiten sind schlicht Teil des Körpers, meistens Veranlagung und werden heute im Vergleich zu früher gut akzeptiert. Auch dank der Body- Positivity-Bewegung: Individuelle Merkmale und vermeintliche Imperfektionen machen eine Person doch erst einzigartig.»
Während Marken wie Vichy, Dior oder Lancôme gar keine Produkte gegen Cellulite mehr herstellen, hält Clarins an der Figurpflege fest. Für ein Unternehmen, das mit eigenen Kosmetikinstituten gross geworden ist, ein Must: «Unsere hochwertigen Produkte für den Körper sollen den Menschen primär dazu dienen, sich mehr Zeit für sich zu nehmen: Metime is key time. Und sie sollen die Haut verwöhnen. Der Schlüssel zum Erfolg sind die spezifischen Anwendungsmethoden – unser Behandlungs- Know-how aus den Clarins-Spas. Es unterstützt die Wirksamkeit der Produkte massgeblich, das Gewebe wird optimal stimuliert. In Verbindung mit ausreichend Bewegung und einem gesunden Lebensstil steht dem Wohlbefinden nichts im Weg», erklärt Tina Frutiger die Unternehmensphilosophie.
Es sind Aussagen, die noch vor zehn Jahren – als Cellulite der erklärte Hauptfeind Nummer eins der Körperpflege war – kaum vorstellbar gewesen wären. Inzwischen scheint sich das tatsächlich geändert zu haben, die Kosmetikbranche hat den Kampf gegen den vermeintlichen Makel aufgegeben und konzentriert sich jetzt darauf, die Haut mit Nährstoffen und Feuchtigkeit zu versorgen. Denn: Regelmässige Streicheleinheiten tun auch der Psyche gut.