Wenn es um das weibliche Geschlecht geht, fehlt uns allen die Gelassenheit, findet unsere Autorin.
Ich sass mit einer Freundin am Küchentisch. Sie hatte sich gerade über ihre Kopfschmerzen beklagt, als mein Freund sich dazu setzte. «Bist du krank?» fragte er sie. «Nein, nicht krank, einfach Kopfschmerzen.» Er witzelte – nichts ahnend – und fragte nach: «Hast du zu viel gefeiert gestern?» «Nein», antwortete sie wieder und lächelte. Er schaute sie noch immer an, neugierig, wie er ist. «Es sind Menstruationsbeschwerden», sagte ich. Er verzog das Gesicht. Nicht aus Bosheit, das weiss ich, sondern aus Irritation, weil er nicht wusste, was er darauf antworten sollte.
Das habe ich nicht zum ersten Mal erlebt. Ich habe Frauen dabei zugesehen, wie sie im Büro durch die Gänge schlichen und flüsternd nach einem Tampon fragten, so als würden sie ein schmutziges Geheimnis weitererzählen, von dem ihre Kollegen nichts mitbekommen sollten. Ich habe Männer beobachtet, die in der Tasche ihrer Partnerin wühlten, einen Tampon rausfischten und entsetzt fallen liessen, als hätten sie sich die Finger verbrannt. Männer wissen, dass Frauen ihre Periode bekommen, und sie wissen auch, was damit verbunden ist: Blut, Tampons, Binden – das ganze Trallala. Aber sie wollen nur ungern darüber sprechen.
Ein Stück weit verstehe ich das sogar. Denn – was längst nicht alle Männer wissen – zur Periode gehören noch ganz andere spassige Sachen: Gebärmutterschleim, der an Tampons klebt, Blutflecken in der neuen Seidenunterwäsche oder der verzweifelte Versuch, aus Toilettenpapier so etwas wie eine Notbinde zu basteln, weil man keine Tampons dabei hat und im Kino ist und der Film in fünf Minuten weiterläuft und man schon vor der Pause gemerkt hat, wie kleine, warme Tropfen in der Unterwäsche landeten. Das ist nicht schön. Und ich kann mir nettere Sachen vorstellen, als über die Periode zu sprechen, aber trotzdem sollte sie ein Thema sein können. Ich schlage nicht vor, dass man bei einer flotten Dinnerparty von seinem Gebärmutterschleim spricht – einfach, weil ich mir allgemein nicht wünsche, dass Menschen bei Dinnerparties über das reden, was ihren Körper durch egal welche Öffnungen verlässt.
Aber im kleinen Rahmen, so zwischen Paaren, innerhalb der Familie und unter engen Freunden, sollte Ehrlichkeit möglich sein. Denn wenn es um den verkrampften Umgang mit dem weiblichen Unterleib geht, ist die Periode nur die Spitze des Eisbergs. Das Phänomen manifestiert sich auch in den furchtbaren Verniedlichungen, mit denen das weibliche Geschlechtsteil benannt wird. Mumu, Schnäggli, Pflümli – so kann man vielleicht über das Geschlecht eines kleinen Mädchens reden, aber nicht über das einer Frau. «Ja, was sollen wir denn sagen?», fragte ein Arbeitskollege. «Ich will in deine Vagina? Das klingt doch doof!» Ich gebe zu, wir Frauen haben kein passendes, knackiges Äquivalent zu Penis. Penis ist ein prima Wort. Es klingt nicht zu medizinisch, aber auch nicht nach Porno. Vulva fände ich eigentlich sehr schön, aber – wie eine Umfrage in meinem Umfeld gezeigt hat – die meisten finden das zu pragmatisch und zu steril. Schade eigentlich.
Was man wem wie im Bett in die Ohren raunt, bleibt jeder Frau und jedem Mann selbst überlassen. Wenn es eine Frau ultrasexy findet, wenn der Mann vom Schnäggli oder der Muschi spricht, dann ist das okay. Wenn er es toll findet, wenn sie seinen Penis Pippimatz nennt, bitteschön. Ich plädiere aber ganz dringend für mehr Gelassenheit, wenn es darum geht, was da untenrum bei uns Frauen vor sich geht. «Das passiert bei den Männern spätestens, wenn sie Vater werden», sagte mir eine Freundin, die zwei Kinder hat. Weil sie dann quasi not-aufgeklärt werden. «Danach kann sie nichts mehr schockieren.»
Wäre es aber nicht besser, wenn wir begreifen, dass das alles eh gar nicht so schockierend ist? Sollten wir nicht damit aufhören, das weibliche Geschlecht so wahnsinnig zu mystifizieren? Das gelingt nur, wenn wir all die Dinge endlich beim Namen nennen. Denn die Frau ist kein Harry-Potter-Band, die Vulva ist nicht Voldemort.