Gesundheit
Ukraine-Krieg: 5 Tipps, wie wir informiert bleiben, ohne verrückt zu werden
- Text: Anna Miller
- Bild: Stocksy
Die Digitalisierung ist unsere Chance, auch in Krisenzeiten informiert zu bleiben. Der konstante News-Strom macht uns aber auch ängstlich, überfordert, schlaflos. Wie finden wir eine gute Balance? Autorin und Digital-Wellbeing-Expertin Anna Miller gibt Tipps.
1. Nimm deine Angst ernst
Wir wollen informiert bleiben. Mitfühlen. Helfen. Die Nachrichten, die Twitter-Meldungen, die Instagram-Aufrufe verfolgen. Im Internet selbst aktiv werden. Das ist gut und richtig. Doch die vielen Informationen, Bilder und Eindrücke machen auch etwas mit dir. Sie signalisieren deinem Nervensystem, dass Gefahr im Verzug ist. Denn das Angstzentrum deines Gehirns ist uralt – und egal, wie modern wir leben: Es reagiert auf die Signalfarbe Rot oder das Geräusch von Waffen immer noch genau gleich wie vor hunderten von Jahren: mit erhöhtem Stress. Das ist eine im Grunde gesunde Funktion des Körpers, weil Angst dir hilft, dich in Sicherheit zu bringen und so dein Leben zu schützen. Danke deinem Körper für deinen Überlebensinstinkt!
2. Achte auf deine Gedanken
Sitzt du dabei aber vor dem Bildschirm in deinem Wohnzimmer, kann dein Gehirn die Situation nicht abstrahieren. Und vor allem: den Stress nicht abbauen. Die Folge: Dein Körper sucht sich andere Lösungen, um mit dem, was du siehst, klarzukommen. Indem er beispielsweise in den Kopf geht und anfängt, zu grübeln. Beobachte also deine Gedanken. Kehren sie wieder und drehen sie sich ständig um Fragen, die nicht in deiner Kontrolle liegen? Beispielsweise: «Was, wenn es einen dritten Weltkrieg gibt?» Das ist ein Hinweis darauf, dass du grübelst. Grübeln hilft dir nicht. Weil es nicht handlungsorientiert ist. Vielmehr zeigt dir Grübeln auf, dass dein System überlastet ist und dein Gehirn versucht, die Ohnmacht in den Griff zu kriegen, indem es im Kreis denkt.
Beruhige dein Nervensystem, indem du all deine Gedanken einmal aufschreibst. So kannst du sie besser ziehen lassen. Sprich mit Freund:innen darüber. Achte aber darauf, dass ihr euch nicht gegenseitig in eine Panik hochschaukelt. Prüfe auch deine Glaubenssätze: Musst du immer up to date sein? Fühlst du dich überverantwortlich? Oder plagt dich das schlechte Gewissen, wenn du dich um dich selbst kümmerst? Selbstfürsorge ist eine Notwendigkeit, um überhaupt die Kraft zu haben, anderen zu helfen.
3. Beruhige dein Nervensystem
Je öfter und je länger wir online Kriegsmeldungen scrollen, desto nervöser und ängstlicher werden wir. Unser System kommt nicht mehr zur Ruhe. Dann liegen wir abends um elf wach im Bett und wälzen Gedanken oder können uns bei der Arbeit nicht mehr richtig konzentrieren. Dazu kommt, dass Social Media ein paar technologische Tricks anwendet, um dich öfter und länger auf den Plattformen zu halten, als dir vielleicht lieb wäre. Indem es die Seiten unendlich lädt (infinite scroll) oder Wutnachrichten algorithmisch zu mehr Sichtbarkeit verhilft, weil Wut nun mal besser klickt als positive News.
Das hat konkrete Auswirkungen auf den Stress-Level in deinem Körper. Deshalb ist es sehr wichtig, dass du deinen Körper wieder ins Gleichgewicht bringst, indem du den Stress abbaust. Das funktioniert sehr gut über aeroben Sport, beispielsweise Tanzen, Schwimmen oder Joggen. Auch gut: kalte Duschen, tief in den Bauch atmen, sich langsamer bewegen, den Körper regelmässig dehnen. Und: immer mal wieder vom Bildschirm aufblicken und im Raum umherschauen. Diese Art von Orientierung im Raum hilft dem Nervensystem, zu realisieren, dass keine Gefahr im Verzug ist. So kann es sich wieder beruhigen.
4. Bündle und reduziere digitale Reize
Für dein Nervensystem ist jetzt besonders wichtig, das Tempo rauszunehmen und Reize zu reduzieren. Das bedeutet konkret: Schalte dein Handy aus, lade es in der Nacht ausserhalb deines Schlafzimmers. Du brauchst aber die Alarm-Funktion deines Handys? Kaufe dir einen Wecker! Entfolge Menschen in den Sozialen Medien, deren Posts dich emotional zu sehr aufwühlen. Schaue lieber einmal am Tag die Nachrichten, statt alle paar Minuten eine Timeline runterzuscrollen.
Klicke dich nicht durch Portale, die an deiner Angst verdienen. Es könnte sich lohnen, in Bezahlinhalte zu investieren. Abonniere Newsletter von Medien, denen du vertraust. Höre Podcasts, wenn dir die vielen Bilder zu schaffen machen. Kaufe Zeitungen auf Papier, wenn dich das Online-Gerangel nervt.
Versuche, dein Smartphone während der Arbeit ausserhalb deines Sichtfelds zu deponieren und die erste und letzte Stunde deines Tages mit analogen Aktivitäten zu verbringen, die Ruhe und Entspannung fördern. Bist du schon morgens auf Twitter unterwegs, ist die Chance gross, dass dein Gehirn genauso fragmentiert durch den Tag läuft und sich schlecht fokussieren kann. Weil einfach zu viele Quellen und zu viele Informationen auf dich einwirken. Deshalb: Konsumiere News zu Tageszeiten, in denen du emotional Kapazität dafür hast. Nutze auch die Möglichkeit, dich live mit anderen Menschen zu treffen. Geh’ an Podien, Demonstrationen, Lesungen und tausche dich vor Ort mit Menschen aus. Ganz wichtig: Höre gut auf deinen Körper und auf seine Grenzen. Er zeigt dir im Normalfall sehr deutlich auf, wenn es zu viel wird.
5. Komm ins Handeln
Sitzt du zu Hause und bist ganz gelähmt vor Angst, hilft es, etwas ganz Konkretes zu tun. Beispielsweise das Bad zu putzen oder leere Flaschen zu entsorgen. Denn das unterbricht den Angstzyklus für ein paar Momente und gibt deinem Gehirn die Chance, sich auf etwas anderes zu konzentrieren.
Der Autor Stephen R. Covey hat ausserdem das Konzept des «Kreis des Einflusses» geprägt. Dieser zeigt dir auf, dass es Dinge gibt, die ausserhalb deiner Macht stehen – zum Beispiel das, was Putin in den nächsten Tagen tun wird. Bei dir verursacht das: Ohnmacht und Panik. Lege deshalb den Fokus besser auf deinen ganz direkten Einflussbereich. Das gibt dir Mut, Zuversicht und ein Kontrollgefühl, was wiederum die Psyche beruhigt. Handle also innerhalb deines Einflussbereichs – beispielsweise indem du spendest oder herausfindest, mit welchen Hilfsmitteln du Menschen aus der Ukraine direkt unterstützen kannst.
Anna Miller ist Journalistin, Positive Psychologin und Gründerin des Digital Balance Lab. Als Digital-Wellbeing-Expertin berät sie Privatpersonen und Unternehmen zu psychischer Gesundheit in digitalen Zeiten.