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Tristesse auf dem Spielplatz

Body & Soul

Tristesse auf dem Spielplatz

  • Text: Geraldine Capaul; Foto: iStock/The Spickers

annabelle-Produzentin Geraldine Capaul wünscht sich für ihren Sohn und für sich selbst mehr Abwechslung auf Schweizer Spielplätzen.

Bevor ich Mutter wurde, wusste ich zwei Dinge. Erstens: Ich werde nie Tupperwares voller geschnittener Äpfel, Gurken oder Hirsekringel mit mir rumtragen. Zweitens: Ich werde nie auf Spielplätzen anzutreffen sein. Nun ist mein Sohn gute zwei Jahre alt – ich bin öfter als mir lieb ist auf Spielplätzen. Immerhin darf ich mir nun ein Urteil erlauben. Die meisten Spielplätze in der Schweiz sind langweilig, ja trostlos. Rutschbahn, Schaukel und diese Holztiere auf einer grossen Feder, die im Endeffekt auch einfach schaukeln. Wenns hochkommt, hats noch ein Klettergerüst und einen Sandkasten. Das alles sieht, vor allem wenn der Platz leer ist, traurig aus.

Natürlich gibts auch tolle Anlagen für Kinder. Robinsonplätze zum Beispiel, mit viel Holz statt Metall, Dreck statt Kies. Sie bieten den Kindern sogenannte gestaltbare Erlebnisspielräume. Hier sind Abenteuer möglich. Nur sind sie leider nicht die Regel. Will ich sie besuchen, ist das für mich mindestens ein Halbtagesausflug. Die meisten Leute leben wie ich in der Nähe der lieblosen Variante.

So sorge ich dafür, dass die Schaukel in Schwung bleibt, warte unten an der Rutschbahn und rufe: «Nicht drängeln!» Oder: «Beeil dich, andere wollen auch.» Mein Sohn findet es lustig. Eine Erklärung sowohl für meinen Widerwillen als auch für seine Freude fand ich in einem Interview mit dem deutschen Spielplatzentwickler und -experten Günter Beltzig in der «Sonntagszeitung»: «Auf einer Schaukel schaukeln oder auf einer Rutsche rutschen ist eine Monotätigkeit, kein Spiel. Wir manipulieren die Kinder, indem wir ihnen sagen, was sie toll finden sollen.»

Ich bin mir zwar ziemlich sicher, dass ich meinem Sohn nie gesagt habe «Juhui, rutschen!». Aber sonst bin ich einig mit Günter Beltzig. Es hat wirklich etwas unglaublich Eintöniges, und sobald es spannend würde, greifen wir Erwachsenen ein – sei es, weil es effektiv gefährlich wird, sei es, weil wir glauben, die Schaukel sei tatsächlich nur zum Schaukeln da. Und nicht zum Steinedraufstapeln oder Wasserdrübergiessen. Deshalb ist der Spass bei den Kindern meist schnell vorbei. Weil das «Spiel» nicht weitergehen, weil sich nichts, schon gar kein Abenteuer aus dem Rutschen oder Schaukeln entwickeln kann. Beltzig sagt, man merke den Spielplätzen an, dass da jemand dachte: «Oha, Kinder gibts ja auch noch.» Ein idealer Spielplatz sollte jedoch alle Besucher – von den kleinen Kindern bis zu den Grosseltern – befriedigen, sollte Abwechslung bieten. Zum Spielen braucht man laut Beltzig nämlich Freiheit, Zeit und Raum. Und genau das können wir Erwachsenen den Kindern auf den herkömmlichen Spielplätzen nicht bieten. Eine unbefriedigende Situation für alle.

Es ist nicht so, dass ich ausgeklügeltere Spielgeräte wünsche oder abgefahrenere, coolere Designs. Ich wünsche mir sogar eher das Gegenteil: eine Ecke im Park, die für Kinder ist, aber ohne Firlefanz, ein paar kleine Hütten, ein Graben mit Wasser, ein Sandkasten, Baumstämme. Das wäre doch für alle der schönere Anblick, weniger sonderzonenmässig. Vielleicht wäre das ja auch günstiger und sicherlich viel lustiger, freier und spannend genug für zwei Stunden.

Man kann sich jetzt fragen, warum ich denn überhaupt auf diese Spielplätze gehe? Es zwingt mich ja niemand (ausser vielleicht das Kind). Weil ich es natürlich wichtig finde, dass sich mein Sohn mit fremden Kindern beim Spiel trifft und so Sozialkompetenz, Nächstenliebe und Kreativität lernt. Aber seien wir ehrlich: Vermutlich bin ich vor allem da, weil es sich damit verhält wie mit mässig feiner Schokolade, die im Büro rumliegt. Wenn sie schon da ist, nimmt man sich halt ein Stück. Ein Genuss ist es nicht.

annabelle-Produzentin Geraldine Capaul (38) ist mit ihrem Kind oft draussen unterwegs. Proviant hat sie immer dabei, aber nicht in Tupperwares

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