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Streit beim Weihnachtsessen: So diskutieren Sie heikle Themen richtig

Familie

Streit beim Weihnachtsessen: So diskutieren Sie heikle Themen richtig

Die US-Präsidentschaftswahl oder Corona-Massnahmen dürften bei so manchem Weihnachtsessen im Familienkreis für Konfliktpotenzial sorgen. Wie führt man ein harmonisches Gespräch über schwierige Themen? Wir haben eine Expertin gefragt.

Die Festtage können eine Herausforderung sein. Während man sich an diesen Tagen besonders viel Entspannung und Harmonie wünscht, kommt es im Kreis der Lieben schnell mal zu unangenehmen Diskussionen oder Streit. Am Ende dieses ungewöhnlichen Jahres dürfte das Konfliktpotenzial mit Themen wie Corona oder Donald Trump noch höher sein. Wie geht man mit herausfordernden Diskussionen im Kreis von Familien und Freunden um? Wie führt man eine schwierige Unterhaltung mit gegensätzlichen Meinungen, ohne diese eskalieren zu lassen? Und wie grenzt man sich ab, wenn ein Gespräch aus dem Ruder läuft?

Susanne Kammermeier bietet mit Empathietalk Coachings für gewaltfreie Kommunikation an. Sie erklärt, worauf man für eine empathische und wertschätzende Gesprächsführung achten muss, und gibt konkrete Tipps, die Ihr Weihnachtsessen vielleicht ein bisschen friedlicher machen.

  • Bereiten Sie sich auf die Situation vor
    «Es gibt Themen, die in der Familie immer wieder aufkommen. Auf diese können Sie sich gut vorbereiten: Klären Sie vorab mit sich selbst Ihre eigenen Standpunkte zu diesen bestimmten Themen. Spüren Sie in sich hinein und finden Sie heraus, wie es Ihnen mit dem Thema geht und welches Gefühl präsent ist. Es ist wichtig, mit seinen Gefühlen in Verbindung zu kommen, weil man nur dann weiss, was man wirklich von seinem Gegenüber braucht, und nicht sofort emotional explodiert, wenn man auf ein bestimmtes Thema angesprochen wird. In der gewaltfreien Kommunikation sind Gefühle entscheidend, weil sie ein Indikator dafür sind, ob die eigenen Bedürfnisse erfüllt sind oder nicht. Bedürfnisse können sein: Sicherheit, Anerkennung, Wertschätzung, Verständnis, Verlässlichkeit. Finden Sie heraus, um welches Bedürfnis es Ihnen geht.Wir Menschen streiten uns nie über Bedürfnisse, sondern über Strategien, mit denen wir uns diese Bedürfnisse erfüllen wollen. Deshalb ist es wichtig, herauszufinden, worum es tatsächlich geht. Brauche ich Sicherheit oder Klarheit für dieses Thema? Wertschätzung für eine bestimmte Gruppe von Menschen? Wenn ich das weiss, kann ich mich mit meinem Gegenüber verbinden, weil es die gleichen Bedürfnisse kennt. Äussern Sie in einem Gespräch Gefühle und Bedürfnisse, können Sie von anderen wirklich gehört werden. Gefühlswörter sind dabei entscheidend. Also: traurig, glücklich, wütend, besorgt, erleichtert, frustriert und so weiter. Vermeiden Sie Pseudo-Gefühlsausdrücke wie: ‹Ich fühle mich von dir über den Tisch gezogen› oder ‹Ich fühle mich nicht verstanden›. Diese weisen dem Gegenüber eine Schuld zu und verhindern Verbindung.»
  • Entspannen Sie sich
    «Ich würde davon abraten, bereits gestresst und emotional am Limit an eine solche Feier oder in ein solches Gespräch zu gehen. Die Wahrscheinlichkeit ist viel grösser, dass man dann bei Diskussionen eher in die Luft geht und nicht mehr bei sich ist. Es lohnt sich also, sich vor solchen Situationen etwas Gutes zu tun, runterzuschalten und durchzuatmen.»
  • Hören Sie gut zu
    «Statt in einer Diskussion gleich aus Impuls ein Gegenargument zu bringen, hören Sie Ihrem Gegenüber im Gespräch genau zu, um zu verstehen, worum es der Person wirklich geht. Fragen Sie nach, was die Person beschäftigt. Damit signalisieren Sie Ihr wirkliches Interesse. Beim empathischen Spiegeln gebe ich das, was die Person gesagt hat, nochmal in meinen eigenen Worten wieder. Das Gegenüber merkt so, dass ich wirklich zuhöre. Wiederholen Sie das Gesagte und ergänzen Sie es um ein Gefühl und ein Bedürfnis, das Sie vernommen haben. Ein Beispiel: ‹Ich merke gerade, dass dich das beschäftigt und frustriert. Wünschst du dir einfach mehr Verständnis in der Gesellschaft für das Thema?› Beim empathischen Hören achten Sie darauf, dass Sie das Gesagte des Gegenübers in allen Facetten verstanden haben und sich die Person auch tatsächlich verstanden fühlt. Erst dann ist die Person auch bereit, uns mit unseren Themen oder Argumenten zu hören.»
  • Achten Sie auf Ihre Wortwahl
    «Vermeiden Sie Verallgemeinerungen. Streichen Sie Wörter wie ‹immer›, ‹nie› und ‹aber› aus Ihrem Wortschatz. Sätze mit diesen Begriffen gehören zu den trennenden Sprachmustern und führen oft dazu, dass sich das Gegenüber angegriffen fühlt. Wir möchten ja mit anderen Menschen in Verbindung kommen. Ich empfehle statt dem trennenden Wort ‹aber› den Begriff ‹und gleichzeitig› zu verwenden. Dieses stellt fest: Dein Gesagtes ist genauso viel wert wie meins. Wir können uns nur mit einer Person verbinden, die auf Augenhöhe ist. So kommt man zu echtem Verständnis – und man kann eine Situation auch gut deeskalieren, die bereits anfängt, sich aufzuschaukeln.»
  • Vermeiden Sie Verurteilungen
    «Wir streiten selten über verschiedene Meinungen, sondern über die Verurteilungen, die damit einhergehen. Zum Beispiel: ‹Wenn du das so sagst, dann bist du einfach nicht teamfähig.› Über Aussagen wie diese ärgert sich das Gegenüber, was eine Eskalationsspirale in Gang setzt. Man drückt dem anderen einen Stempel auf. Um das zu vermeiden, ist es wichtig, sich erst mal selbst klarzuwerden, worum es einem bei gewissen Themen tatsächlich geht – und wo man selbst Urteile über andere im Kopf hat.»
  • Bringen Sie Ihre eigene Meinung ein
    «Das Ziel der gewaltfreien Kommunikation ist es, die Bedürfnisse aller zu würdigen, ohne sich selbst zu verleugnen. Nachdem Sie im Gespräch empathisch zugehört und die Bedürfnisse angesprochen haben, können Sie mit einem ‹und gleichzeitig› Ihre eigene, gegensetzliche Meinung einbringen. Zusätzlich können Sie fragen: ‹Wie geht es dir damit, wenn du das so von mir hörst?› Diese Frage ist ein verbindendes Element. Wir wollen im Gespräch ja nicht nur unsere eigene Meinung abladen, sondern uns austauschen und herausfinden, wie es der anderen Person geht.»
  • Bleiben Sie bei sich – und setzen Sie gesunde Grenzen
    «Wenn Sie merken, dass Ihnen ein Gespräch trotz allem zu viel wird, können Sie dies Ihrem Gegenüber mitteilen. Kommunizieren Sie klar, wie es Ihnen geht, dass Sie sich Abstand wünschen und sich zum Beispiel nicht mehr konzentrieren können. Man kann ehrlich sagen: ‹Mir ist die Verbindung zu dir wichtig und ich merke, dass wir uns jetzt beide sehr reinsteigern – vielleicht ist es eine gute Idee, wenn wir uns beide nochmal separat darüber Gedanken machen.› Lassen Sie die sinnbildliche Tür offen, indem Sie anbieten, das Gespräch zu einem anderen Zeitpunkt fortzuführen. Sie können der Person anbieten, später wieder auf Sie zuzugehen. Setzen Sie damit eine Grenze für sich selbst. Tun Sie dies, ohne dem anderen die Schuld für das Scheitern der Diskussion zuzuschieben – bei Kommentaren wie ‹Mit dir kann man einfach nicht diskutieren!› fühlt sich Ihr Gegenüber angegriffen.»