Body & Soul
Sensibel, respektvoll, erfolglos — Softies kommen bei Frauen nicht an
- Illustration: Matthew Woodson
Sensibel, sanft, respektvoll: Unser Autor Reto Hunziker ist alles, was die Emanzipation je von einem Mann wollte. Zu blöd, dass er damit bei den Frauen nicht ankommt.
Sensibel, sanft, respektvoll: Unser Autor Reto Hunziker ist alles, was die Emanzipation je von einem Mann wollte. Zu blöd, dass er damit bei den Frauen nicht ankommt.
Sie hat einfach nicht zurückgerufen. Dabei wars doch ganz nett. Wir hatten uns prima unterhalten, über das Buch «Gut gegen Nordwind», Indiepop und Filme von Jim Jarmusch. Wir lachten über dumme Sprüche, forderten uns gegenseitig mit Sticheleien heraus, sahen uns immer wieder tief in die Augen. Wahrscheinlich hätte ich sie nur zu küssen brauchen. Aber das traute ich mich dann doch nicht. Warum nicht?
Weil ich ein Waschlappen bin. Ein Warmduscher. Ein Pantoffelheld. Kein Silberrücken, kein Alpha-Männchen, sondern ein «(jüngerer) Mann von sanftem, zärtlichem, empfindungsfähigem Wesen», wie es der Duden definiert: ein Softie. Im Grunde liege ich damit voll im Trend: Kaum je wurde die Rolle des Mannes so heiss diskutiert wie heute. Die Männer seien verweiblicht, heisst es, weichgezeichnet, geradezu kastriert von der Gleichberechtigung. Es gibt Bücher darüber mit Titeln wie «Das entehrte Geschlecht» oder «Was vom Manne übrig blieb».
Auch der «Zeit» war die Problematik ein Essay wert: In «Die Schmerzensmänner» mahnt Nina Pauer, Vertreterin der Generation 30, also meiner Generation, das starke Geschlecht sei «zu lieb, melancholisch und sehr mit sich selbst beschäftigt». Mehr noch: «Verkopft, gehemmt, unsicher, nervös und ängstlich ist er, melancholisch und ratlos.» Touché, ich gebs ja zu, so bin ich. Weder Pascha noch Chauvi, weder Sexist noch Egoist, nein, ein gemässigter Mann. Ein Un-Mann. Obs daran liegt, dass ich ein verwöhntes Kind war? Wird man zum Softie erzogen? Oder geboren? Oder gar gewandelt, «gezeitgeistet»?
Hausaufgaben und «Trivial Pursuit» mit den Eltern
Gewissermassen bin ich ja der emanzipatisierte Mann; ein Mann, den emanzipierte Frauen hervorgebracht haben. Ich wuchs im Glauben auf, dass Frauen sich nach nachdenklichen, einfühlsamen und emotionalen Männern sehnen, die ihre Partnerinnen ernst nehmen, respektieren und ihnen zuhören. Wir Knaben, so hiess es, dürfen, ja sollen unsere sensible und verletzliche Seite zeigen. Statt mich zu prügeln, übte ich Gitarre, statt das Töffli zu frisieren, machte ich Hausaufgaben, und statt mit Kameraden um die Wette zu trinken, spielte ich mit meinen Eltern «Trivial Pursuit».
Dann kam der Einsatz im Feld – und die Einsicht: Fehlalarm, Frauen wollen keine nachdenklichen Männer. Diesen Bereich decken sie selbst ab. Viel eher sehnen sie sich, so scheint es, nach männlichen Urtypen zurück, unkompliziert, erdhaft, aber nicht plump. Männer, die handeln statt zögern, die tun statt fragen. Er soll möglichst galant sein, ihr den Hof machen, sie auf Händen tragen, aber bloss nicht meinen, sie sei darauf angewiesen. Er hat sich grosszügig zu zeigen, aber wehe, er glaubt, sie sei käuflich! Meine Herren, wer ist da nicht überfordert?! Da sass ich also, der Anti-Archetyp, mit meiner Tiefgründigkeit, dem musischen Talent und all den Emotionen. Und weit und breit war niemand, der sich ihrer annehmen wollte. Klar gab es da die eine oder andere Beziehung, aber alle endeten gleich: Selbstwertgefühl am Boden, Stolz verloren, Virilität weg.
Vor ein paar Jahren, als ich des Singlelebens überdrüssig war, suchte ich per Web-Inserat eine Freundin. Ich schummelte, beschrieb mich als Mischung aus Haudrauf und Heulsuse und gab mir Mühe, originell und witzig zu sein – das zahlte sich aus. Innert kurzer Zeit hatte ich gut ein Dutzend Dates. Sechs davon fand ich sogar ziemlich gelungen, die Frauen gefielen mir, und ich hätte sie gern wiedergesehen. Hätte. Eine schien mich dann aber gleich als ihren kleinen Bruder adoptieren zu wollen, eine andere war enttäuscht, weil auch nach dem zweiten Date noch nichts passiert war (ich war mir halt noch nicht sicher), und vor einer nahm ich gar Reissaus, weil sie mich mit ihren sexuellen Anspielungen bedrängte (obwohl ich bis dahin dachte, dass ich mir das immer gewünscht hätte).
Am Ende habe ich keine von ihnen geküsst, war mit keiner im Bett, nada. Wahrscheinlich bin ich schlicht zu wenig risikofreudig. Statt «Zu mir oder zu dir?» frage ich «Zum Italiener oder zum Chinesen?». Drogen? Viel zu viel Respekt vor dem Kontrollverlust. Ein One Night Stand? Zu viel Angst vor dem Gesichtsverlust. Doch ein Mann, der nichts aufs Spiel setzt, immer zuerst rekognosziert und abwägt, wirkt zu wenig zielstrebig, um bei einer Frau zu landen. Zögerlich ist gleich unsexy. Auch bin ich zu leicht verunsichert, will immer allen alles recht machen. Ich küsse zum Beispiel erst, wenn ich sicher bin, dass der Kuss auch empfangen werden will.
Kein Stürmer, nur ein Stupser
Ständig stelle ich mich infrage: Ist das gut so? Mache ich etwas falsch? Dabei müsste meine Devise sein: Falsch oder nicht, Hauptsache mit Überzeugung. Dazu kommt noch: Ich protze nicht. Das heisst, was ich zu bieten habe, muss eine Frau erst entdecken. Das bedeutet in Zeiten von Speed Dating und Instant Flirting zu viel Aufwand. Also: der Nächste! Nein, ich kann Frauen nicht im Sturm erobern. Eher stupse ich sie, bis sie sagen: Von mir aus. Weitere Anomalien: Ich ekle mich vor Insekten, im Dunkeln fühle ich mich unwohl, in der Disco ist es mir zu laut, und um 2 Uhr morgens wäre ich eh am liebsten im Bett. Wie kann ich die starke Schulter sein? Ich sehne mich ja selber oft nach einer.
Meine Softieness äussert sich selbst im Geschäftlichen. Die Ellbogen auszufahren und mich nach oben zu drängeln, liegt mir nicht, nein, ich halte Empathie, Respekt und Rücksicht hoch. Einem Streit gehe ich, wenn immer möglich, aus dem Weg. Ärgere ich mich, mache ich die Faust im Sack. Wenn mich jemand kritisiert, steigt nicht das Adrenalin, sondern die Tränenflüssigkeit. Ich bin quasi die Verkörperung des kategorischen Imperativs: Ich möchte nichts tun, was anderen missfallen könnte. Ganz schön nett, ganz schön «nein danke».
Natürlich wäre ich manchmal gern einer, der weiss, wie man einen Fisch ausnimmt. Der beim ersten Anlauf ein Feuer hinkriegt. Der eine Frau mit einem Blick erobert. Der jemandem, der ihm blöd kommt, die Meinung geigt oder ihm gar aufs Maul gibt. Ich wünschte, ich hätte diese Nonchalance, alles so zu machen, wie es mir passt, und davon auszugehen, dass sich dann schon jemand damit arrangiert. Doch stattdessen respektiere ich die Frauen. Die Konsequenz: Ich werde ebenfalls respektiert. Aber eben: nicht begehrt. Ganz schön paradox, wenn man es sich überlegt: Frauen kämpften für die Gleichberechtigung und haben sich den Männern angepasst – sie sind Staatsoberhäupter, suchen schnellen Sex, spielen Fussball. Nur mit der Ausgeburt der Emanzipation können und wollen sie nun nicht leben. Das macht es ziemlich hart, ein Softie zu sein.
PS: Mittlerweile bin ich nicht mehr Single. Wie ich das geschafft habe? Na ja, ich nicht: Meine Freundin tat den ersten Schritt.