Dianas Brautjungfer erinnert sich an die berühmteste Hochzeit aller Zeiten - bevor am 29. April mit Prinz William und Kate Middleton ein neues Märchen beginnt.
“Gebt euer Bestes” mahnte Lady Di ihre Brautjungfern, bevor die komplizierte Zeremonie ihren Lauf nahm. Charles’ Cousine India Hicks nimmt uns noch einmal mit hinter die Kulissen der wohl berühmtesten Hochzeit aller Zeiten. Bevor dann bald eine neues Märchen beginnt.
Nie werde ich den Moment vergessen, als ich angefragt wurde, ob ich eine von Prinzessin Dianas Brautjungfern sein wolle. Das war 1981. Ich war 13 und in den Ferien auf den Bahamas. Ich erhielt einen Anruf von Prinz Charles, meinem Paten und Cousin.
Ich war entsetzt: Ich würde ein Kleid tragen müssen. Ich bin im ländlichen Oxfordshire aufgewachsen und war ein Wildfang, der am liebsten Hosen trug. Ich hatte bereits Erfahrungen als Brautjungfer gemacht, bei der Hochzeit des Herzogs von Westminster, bei Lord und Lady Romsey und bei meiner Nanny, und jedes Mal hatte ich ein schreckliches Kleid tragen müssen.
Aber Charles ist ein wunderbarer Pate. Ich habe ihn immer sehr verehrt. Meine Mutter war 1947 Brautjungfer bei der Hochzeit der späteren Königin Elizabeth II. gewesen. Kleid hin, Kleid her, ich war furchtbar stolz, dass man mich eingeladen hatte.
Doch zunächst musste geübt werden. Während dieser Proben, genauer gesagt bei einer Kleideranprobe, lernte ich Diana kennen. Ich fand, dass sie mehr von einer Schulsprecherin als von einer Prinzessin hatte. Nie gab es während der Vorbereitungen, an denen ich teilnahm, einen privaten Moment für sie. Ich ahnte, welche Hölle es sein musste, von Paparazzi verfolgt zu werden. Zu jeder Anprobe wurde ich von der Schule abgeholt und nach London gefahren, wo wir an den Fotografen vorbeirauschten, die auf der Lauer lagen.
Die Anproben fanden im Atelier von David und Elizabeth Emanuel statt. Rüsche auf Rüsche, Stecknadel neben Stecknadel, Stunde um Stunde standen wir stumm da, während Näherinnen die Kreationen der beiden Designer zum Leben brachten. Ich persönlich fand diese ganzen Petticoats, Puffärmel und Schleifen zwar schrecklich, aber es ermöglichte ein zwangloses Zusammensein mit Diana.
Jede Brautjungfer war von der Braut und dem Bräutigam ausgewählt worden. Ich kannte die meisten, war aber erleichtert, dass uns die reizende Sarah Armstrong-Jones (die 17-jährige Tochter von Prinzessin Margaret) bei den Proben beistand, die vom Buckingham Palace orchestriert wurden und schon etwas Einschüchterndes hatten. Sarah und ich waren für Dianas siebeneinhalb Meter lange Schleppe zuständig. Siebeneinhalb Meter, das war unerhört, das hatte es noch nie gegeben, und es war ein richtiger Albtraum. Diese Unmenge an Taft und antiker Spitze aus den kleinen Prunkkarossen herauszuwinden und wieder hineinzubugsieren, war kompliziert. Wir übten mit einem langen Tuch, das um Dianas Taille gebunden war. Sie stand geduldig da, während uns gezeigt wurde, wie wir mit dem Ding umzugehen hatten, damit es mühelos hinter ihr herrauschte.
Unterdessen griff das Hochzeitsfieber weiter um sich. Der Hochzeitstag, der 29. Juli, wurde zum offiziellen Feiertag erklärt. Die Leute bereiteten sich darauf vor, Strassenfeste zu veranstalten und Freudenfeuer abzubrennen.
Am Vorabend schoss die Royal Horse Artillery anlässlich der ersten Hochzeit eines Prinzen von Wales seit 118 Jahren im Hyde Park Salut, und anschliessend gab es ein atemberaubendes Feuerwerk. Rund eine halbe Million Zuschauer hatte sich im Hyde Park versammelt. Meine ältere Schwester Edwina und ich beobachteten gemeinsam mit Sarah Armstrong-Jones und den anderen Mitgliedern der königlichen Familie das Feuerwerk. Als wir aufbrechen wollten, zeigte sich, dass wir es angesichts der Menschenmengen unmöglich nachhause schaffen würden. Prinzessin Margaret schlug mir daraufhin vor, bei ihr im Kensington Palace zu übernachten, wir standen ja quasi schon vor der Haustür. Nie werde ich vergessen, wie sie in ihrem Nachthemd erschien und mir eine Zahnbürste anbot.
Am nächsten Morgen fuhren Sarah und ich zum Clarence House, der Residenz der Königinmutter, um Diana zu begrüssen, die alte Jeans und auf dem Kopf ein Diadem trug. In einem winzigen Fernseher lief ein Dokumentarfilm über sie, und sie verscheuchte jeden, der ihr das Bild versperrte. Als in einer Reklamepause für Cornetto-Glace geworben wurde, fing sie zu singen an, und bald stimmten alle mit ein. «Just one Corneeeettttooooooo!» war im ganzen oberen Stockwerk zu hören.
Punkt 10.20 Uhr wurden die Brautjungfern von rotbefrackten Kammerherren nach unten geleitet, während Diana ein letztes Mal ihr Erscheinungsbild überprüfte. Ich erinnere mich noch an den Moment, als sie oben an der Treppe erschien. Alle waren sprachlos. Diana strahlte, sie war auf dem Weg, die berühmteste aller Prinzessinnen zu werden.
Die Strassen waren gesäumt von aufgeregten Menschenmengen, die verzweifelt versuchten, einen Blick auf Diana in der gläsernen Kutsche zu werfen. Sarah und ich warteten in der Kapelle des heiligen Michael und heiligen Georg, einer der kleinen Kapellen in der St. Paul’s Cathedral. Als die Kutsche eintraf, gingen wir hinunter, um Diana beim Aussteigen behilflich zu sein und die Schleppe zu arrangieren. Sie wandte sich kurz an uns, sagte «Gebt euer Bestes» und begann, die Stufen hinaufzusteigen. Wir wussten, was das bedeutete. Wenn wir zu stark zogen und die Schleppe strafften, würden wir ihr Schleier und Diadem vom Kopf reissen. Wenn wir nicht straff genug hielten, würde die Wirkung der Schleppe verpuffen.
Oben angekommen, schaute Diana sich um, blieb stehen, damit wir nachkommen konnten. Dann schritt sie am Arm ihres Vaters, des Earl Spencer, durch das Portal. Zunächst ehrfurchtsvolle Stille, dann setzte der Hochzeitsmarsch ein. Diana und ihre fünf Brautjungfern plus zwei Pagen brauchten dreieinhalb Minuten, um über den roten Teppich den Mittelgang entlangzuschreiten, unter den Augen der gekrönten Häupter Europas, von Staatsoberhäuptern, der Festgemeinde von 3500 Gästen und fast einer Milliarde Zuschauer an den Fernsehern.
Ich sass wie ein Zwerg auf einem roten Samtschemel gleich neben dem König von Tonga. Ich erinnere mich, dass meine dottergelben Satinschuhe furchtbar zwickten, weil sie eine Nummer zu klein waren. Dianas Nervosität zeigte sich nur einmal, als sie die beiden Vornamen von Prinz Charles vertauschte – statt Charles Philip sagte sie Philip Charles. Und dann war es auch schon vorbei.
Von der Kathedrale ging es schliesslich in der Prunkkutsche von Königin Alexandra unter Glockengeläut und dem Jubel der Menge zurück in den Palast. Damals schien es das Normalste der Welt zu sein, in einer Pferdekutsche die Mall hinunterzutrotten.
Die Frischvermählten fuhren in der offenen Kutsche zum Buckingham Palace, wo sie sich auf dem Balkon zeigten und sich den allseits erwarteten Kuss gaben. Ich hatte zwar schon öfter auf diesem berühmten Balkon gestanden, aber dieser Tag war wirklich etwas ganz Besonderes. Ehrfürchtig sahen wir zu, wie berittene Polizei den heranstürmenden Massen weichen musste, die Charles und Diana begeistert zujubelten.
Patrick Lichfield, ein Cousin der Königin, schoss die offiziellen Hochzeitsfotos – er hatte schlauerweise eine Trillerpfeife mitgebracht. Während der Aufnahmen riss Prinz Andrew ständig Witze. Schliesslich konnten sich alle vor lauter Lachen und Erschöpfung kaum noch auf den Beinen halten.
Und dann war die Zeit für das Hochzeitsfrühstück gekommen. Keine Ahnung, warum das so heisst, denn tatsächlich handelt es sich um einen Lunch. Kaum war der Hochzeitskuchen angeschnitten, verschwanden Diana, ihre Schwestern, Sarah, die jüngeren Brautjungfern und ich nach oben, um ihr beim Umkleiden zu helfen. Sie schlüpfte in das pinkfarbene Kleid von David Sassoon. Die Atmosphäre war ausgelassen, wir kicherten viel, und Diana bedankte sich bei jeder von uns mit einem Kuss und einem hübschen Porzellandöschen von Halcyon Days, in dem zwei der Seidenraupen lagen, die die Seide für ihr Hochzeitskleid gesponnen hatten.
Und dann entfernte sich die Kutsche schon über den Innenhof, versehen mit einem «Just Married»-Schild und klappernden Konservendosen, die Andrew und Edward angebracht hatten. Die Königin, die Königinmutter und Prinzessin Margaret winkten ihnen fröhlich hinterher.
Einige Wochen später erhielt ich eine Rose von Dianas Brautstrauss, eingelassen in einen Plexiglaswürfel, den man als Briefbeschwerer verwenden konnte, und dazu noch ein Briefchen in ihrer reizenden Teeniehandschrift – das war alles, was von dem historischen Tag geblieben war.
Aus dem Englischen von Matthias Fienbork