Familie
«Ohne die Grosseltern ginge es nicht!»
- Text: Marie Hettich, Jacqueline Krause-Blouin
- Bild: ZVG; Collage und Gif: annabelle
In unserer Rubrik «The Mamas and the Papas» kommen Eltern aus der Schweiz zu Wort: Ein ehrlicher Fragebogen über Liebe, Erschöpfung, politische Missstände und Parenting-Hacks. Diesmal mit Diana, Mutter von zwei Kindern.
Vorname: Diana
Alter: 46
Beruf: Gründerin von Tadah, ein Co-Working-Space mit flexibler Kinderbetreuung
Kinder: Zwei Kinder (neun und sieben Jahre alt)
Familienstruktur: Ich bin selbstständig und arbeite deshalb, wann immer ich es mir einrichten kann. Zwei Tage vor Ort, den Rest daheim im Homeoffice. Da komme ich auf ein Pensum von ca. 70 bis 80 %. Mein Mann betreut die Kinder zwei Tage, wenn ich auswärts arbeite und kommt so auf ein Pensum von 90 %. Die Kinder gehen zweimal über Mittag in den Hort, den Rest decken wir ab.
«Man lässt als Frau die beruflichen Ambitionen nicht im Gebärsaal»
Ein Gerücht über Eltern, das stimmt: Dass die Zeit so schnell vorbeigeht. Man ist mittendrin in der Kleinkindphase, sehnt sich nach dem eigenen Freiraum und schwupps sind die Kinder die ganze Zeit ausser Haus und machen mit ihren Kolleginnen und Kollegen ab.
Ein Gerücht über Eltern, das nicht stimmt: Dass man als Frau die beruflichen Ambitionen im Gebärsaal lässt
Am alleranstrengendsten im Alltag mit Kindern finde ich: Die Work-Life-Balance, die es gar nicht gibt. Dieser Mythos macht viele Frauen fertig, weil sie denken, sie müssten doch das alles easy hinkriegen mit Kind und Karriere.
Ein Teil von mir, den ich vermisse: Das ungestrafte Über-die-Stränge-schlagen
Das Witzigste an meinen Kindern: Dass sie so unfassbar schlecht Witze erzählen
Eine Sache, die mir in der Erziehung ganz besonders wichtig ist: Dass meine Mädchen wissen, dass sie gut genug sind, so wie sie sind. Mit dem, was sie können, mit dem, was sie nicht können.
Das gönne ich mir, seit ich Mutter bin: Eine Mini-Auszeit in den Bergen. Allein. Und ich sage mir jedes Jahr: Nächstes Jahr machst du das zweimal. Mach ich dann aber doch nie.
So erschöpft bin ich gerade von 0 bis 10: Das schwankt bei mir extrem. Je nach Zyklus bin ich bei 12 von 10 oder bei minus 2. Auch hier: keine Balance in Sicht, merci Menopause.
Das letzte Mal ausgeschlafen habe ich: Kann man noch ausschlafen als Eltern? Auch wenn die Kinder auswärts sind? Wann kommt das wieder? Bei mir war das definitiv, bevor ich Kinder hatte.
Mein Ventil: Lesen. Schreiben. Puzzeln. Kochen. Oh Gott, ich bin meine eigene Grossmutter geworden.
Unterschätzt habe ich: Dass ich wirklich fast keine Zeit für mich alleine mehr habe. Und die brauche ich sehr fest. Ich dachte, ich bin jemand, der immer unter Leuten sein will. Seit ich Kinder habe, schätze ich die Ruhe. Das Alleinsein.
Unser Lieblingsresti mit Kindern: Das Restaurant Tödiblick in Braunwald. Mit eigenem Spielzimmer, Globi-Büchern und Töggelikasten, wunderschönem Ausblick auf den Tödi und sehr feinem Essen. Solch kinderfreundliche Restaurants sollte es im Unterland auch geben. Es braucht gar nicht viel.
«Familie sollte zur Familiensache, nicht zur Frauensache erklärt werden»
Ein schnelles Gericht, das alle lieben: Thai Curry vom Thai um die Ecke. Schneller gehts nicht.
Das nervt mich an anderen Eltern am meisten: Judging parents nerven. Wir sollten helfen, einander das Dorf sein und uns stützen, statt die Stirn zu runzeln. Es ist nicht einfach, alles unter einen Hut zu kriegen. Männer werden nicht anklagend angeschaut, wenn sie hochprozentig arbeiten. Wir Frauen aber schon. Dabei versucht eine jede von uns, ihr Modell zu finden, das für die ganze Familie stimmt. Lasst uns hierbei unterstützend sein.
Etwas, worüber wir Mütter ehrlicher reden sollten: Über die Liebe, die manchmal vor lauter Kinder-Themen auf der Strecke bleibt. Und wie man sich wieder Partner:in ist. Über all die kleinen Dinge, die eine Partnerschaft zerbrechen lassen können, wenn man nicht Acht gibt.
Eine Sache, die sich familienpolitisch in der Schweiz ganz dringend ändern muss: Wo fange ich an? In Sachen Vereinbarkeit sind wir nicht vorne dabei, das wissen wir ja alle. Uns Frauen fehlen die Rahmenbedingungen, die unser Leben vereinbar machen, wenn wir Mütter werden. Fangen wir an, indem wir Elternschaft gleichberechtigt machen – mit längerem Vaterschaftsurlaub. Ja, auch zwei Wochen sind nicht das Gelbe vom Ei. Kurz: Familie sollte zur Familiensache, nicht zur Frauensache erklärt werden.
Eine Anschaffung, die für die Katz war: Der Schoppenwärmer
Eine Anschaffung, die uns das Leben gerettet hat: Die Babywippe
Das beste Buch für Eltern: «Durch den Momsun» von Uschi Bonaparte. Die feiere ich voll. Uschi wünscht sich für uns nämlich, dass wir uns selbst bewundern, egal ob wir keine Hobbys mehr haben oder scheisse kochen. Ich hätte sie gern im echten Leben zur Seite, während sie mir Dinge erzählt wie: «Gerade sitze ich am Laptop auf dem Bett, während mein Mann mit seinem Telefon auf der Couch sitzt. Der eine hat beim Essen was Blödes gesagt und die andere ignoriert ihn seither.» Wer als Mutter alles im Griff haben will: falsches Buch. Alle anderen: unbedingt lesen.
Der beste Podcast für Eltern: Ich bin wohl momentan der einzige Mensch auf Erden, der keine Podcasts hört. Ich habe schlicht keine Kapazitäten, mir noch mehr Infos einzuverleiben.
Das bereue ich als Mutter: Dass ich zu oft die Nerven verloren habe. Weil es eben alles so schnell vorbeigeht und ich in der Erinnerung meiner Mädchen nicht die genervte Mutter sein möchte.
Eine Sache, die ich über mich selbst gelernt habe, seit ich Mutter bin: Dass ich nie mehr so ruhig schlafen werde wie vorher, aber noch nie so sehr geliebt habe. Dass ich nie so laut wurde wie mit den Kindern, aber noch nie so demütig war.
«Die Menopause hat was Gutes: Man ist wieder netter mit sich selbst»
Der beste Tipp an alle frischgebackenen Eltern: Ein Tipp für alle anderen: Gib keine Tipps, sondern frag, wie du helfen kannst.
Eine Sache, die sich in der Arbeitswelt aus Elternsicht dringend ändern muss: Frauen sind wichtige Arbeitskräfte und sollten entsprechend gefördert werden: mit Teilzeitkarrieren, mit Jobsharing, mit zeitlicher Flexibilität. Statt herumzueiern aus Angst vor einer möglichen Schwangerschaft, wenn eine Dreissigjährige beim Bewerbungsgespräch sitzt, könnte ein Unternehmen auch sagen: «Hey, falls du in den nächsten Jahren eine Familie gründen möchtest, bist du bei uns bestens aufgehoben. Wir unterstützen dich mit Vereinbarkeitsmassnahmen, helfen, deine Karriere entsprechend zu planen und haben immer ein offenes Ohr.»
In dieser Situation spüre ich die Liebe zu meinen Kindern immer ganz intensiv: Wenn sie weinend aus der Schule kommen, weil jemand gemein zu ihnen war, sie hingefallen sind oder sie einfach frustriert sind. Dann ist es egal, ob sie vier oder neun sind, sie brauchen dann einfach ein offenes Ohr, jemanden, der sie festhält, viel, viel Liebe. Und ein Glacé.
Drei Hacks für gelungene Familienferien: Meer oder Pool, familienfreundliche Restaurants, Entspannung (also keine Laptops oder Handys, die für berufliche Zwecke dauernd hervorgeholt werden)
Ein guter Spartipp für Familien: Kindergeld konsequent zur Seite legen
Etwas, das ich als Mutter rückblickend anders machen würde: Nerven behalten, Nerven behalten, Nerven behalten!
Etwas, das meine Eltern komplett anders gemacht haben als ich: Meine Eltern sagten mir nicht oft, wie gern sie mich haben. Was nicht heisst, dass es nicht so war. Aber mir ist es wichtig, dass meine Mädchen dies hin und wieder von mir hören.
Das hat sich am Verhältnis zu meinem eigenen Körper geändert, seit ich Mutter bin: Mein Körper hat sich halt verändert. Und mit ihm mein Verhältnis zu ihm. War ich früher immer sehr, sehr schlank, habe ich heut den Mombod. Und trotz aller Bodypositivity hatte ich Mühe, mich damit abzufinden, dass nicht mehr alles so sexyhexy ist. Ab Mitte vierzig ist das dann auch egal, was irgendwie grandios ist. Die Menopause hat also was Gutes: Man ist wieder netter mit sich selbst. Auch, weil ich jetzt weiss, was dieser Körper alles kann und geleistet hat. Dann darf er auch etwas unschlanker aussehen.
Das mussten wir, seit wir Eltern sind, als Paar erst lernen: Die Dinge wieder auf die leichte Schulter zu nehmen
«Am besten geht es mir, wenn ich mich mal wieder um mich selbst kümmern konnte»
Die grösste Challenge als Paar, seit wir Eltern sind: Nicht nur etwas zur perfekten Familienorganisation beizutragen, sondern einfach auch wieder Mann und Partner oder Frau und Partnerin zu sein
Eine Sache, die uns als Paar extrem hilft: Auszeiten
Mein schlauster Parenting-Hack: Es gibt Parenting-Hacks? Verdammt!
Das bringt mich als Mutter sofort zum Weinen: Die Weltlage und der fehlende Schlaf. Schlimm, diese beiden Dinge in einem Satz zu sagen, wohl wissend, dass man das nicht sollte, aber trotzdem zu finden, sie seien beinahe gleich schlimm.
Wovor ich meine Kinder sehr gern bewahren würde: Vor Männern, die sie zum Weinen bringen, obwohl sie es nicht wert sind. Davor wollte mich aber auch meine Mutter schon bewahren – hat nicht geklappt.
Das beste Reiseziel für Familien: Elba
Am besten geht es mir, wenn … ich mich mal wieder um mich selbst kümmern konnte. Und diese Energie in die Familie reinbringe.
Alles wäre so viel einfacher, wenn … ich die Dinge leichter nehmen könnte.
Komplett ans Limit komme ich, wenn … alles zu laut ist.
Bei Regenwetter … machen wir Familienspiele. Ich liebe es. Mittlerweile sind wir aus «Lotti Karotti» rausgewachsen (yay!) und sind bei «Scotland Yard», «Ubongo» und «Siedler» angelangt. Es ist nun auch für uns Erwachsene lustiger.
Eltern in der Schweiz … sind vielleicht vereinbarkeitstechnisch stärker benachteiligt als die Musterschüler aus Schweden, aber wir leben in einem sicheren Land. Das ist mir momentan gerade das Allerwichtigste, wenn ich über den Tellerrand schaue.
Erwartungen an Mütter … braucht niemand.
Ferien mit Kindern … sind Erinnerungen.
Unser Lifesaver Nummer eins, immer wieder: Die Grosseltern. Ohne sie ginge es nicht oder wäre es in der Kleinkindphase zumindest beruflich für uns beide nicht aufgegangen.
Wenn Geld keine Rolle spielen würde, würde ich … noch ein paar weitere Unternehmen gründen, die sinnstiftend für unsere Gesellschaft sind.
Sex ist… definitiv nicht mehr zur Fortpflanzung da … seit wir Eltern sind.
Leute, die Kinder nicht mögen … sind auch nur Menschen. Ich mag ja auch nicht jedes Kind.
Mütter … leisten so viel. Und so viel davon ist nicht auf den ersten Blick sichtbar. Dafür gehören sie entsprechend entschädigt (Care-Arbeit und zweite Säule).
Väter … machen Familie langsam auch zur Familiensache. Dafür will ich sie aber nicht feiern, sondern finde es einfach toll, dass es immer mehr werden. Sie sind so wichtig im Leben unserer Kinder.
Mental Load … fühlt sich an wie Demenz und Burn-out zusammen.
Vereinbarkeit … ist schwierig. Aber wenn man im Privaten richtig aufgestellt ist (choose who you marry!), im richtigen Unternehmen arbeitet und die Politik sich entsprechend bewegt, dann kommts gut!
Work-Life-Balance … ist tot. Es gibt sie nicht und gab sie nie. Der Begriff «Work Life Integration» kommt unserem Lebensmodell viel näher.
Hier findet ihr alle Folgen «The Mamas and the Papas»