Nathalie (33): «Ich trug zweieinhalb Jahre eine Perücke»
- Text: Linda Leitner
- Bild: Sara Merz
In unserer Rubrik «Bodybuilding» zeigt sich eine Frau nackt und spricht über ihr Verhältnis zu ihrem Körper. Diesmal erzählt Nathalie (33) von der Zeit, als sie eine Glatze bekam.
«Mit dreizehn wachte ich eines Septembermorgens mit einer kahlen Stelle am Kopf auf. Bis Weihnachten hatte ich eine Glatze. Die Diagnose: kreisrunder Haarausfall. Die Devise: Immerhin lebe ich. Von Akupunktur bis DCP-Therapie, bei der man eine Entzündung auf der Kopfhaut auslöst, habe ich alles versucht.
Bei Letzterer bekam ich zu hohe Dosen verabreicht. Ich wachte nachts weinend auf – mit dem Kopf voller Brandblasen. Zweieinhalb Jahre trug ich Perücke. Als das wegen der Brandblasen nicht ging, knotete ich Tücher zu kunstvollen Kreationen.
«Ich habe keine Angst, aber falls ich je wieder eine Glatze bekommen sollte, hätte ich mein Universum auf dem Kopf»
Kopfbedeckungen waren eigentlich verboten in der Schule, aber ich hatte eine Sondergenehmigung. Irgendwann forderte mich ein Lehrer trotzdem vor allen auf, «den komischen Verband abzunehmen». Ich habe geheult, mein bester Freund hat ihn angeschrien. Den besten Freund habe ich immer noch. Er hatte seine Probleme, ich meine – wir uns. Je mehr ich mit der Situation Frieden schloss, desto besser wurde es.
Kurz vor meinem sechzehnten Geburtstag kamen Haare. Mit achtzehn schrieb ich mir «Hoffnung» in den Nacken. Als der Haaransatz wieder nach oben wanderte, liess ich mir einen Astronauten tätowieren. Weil Anna Depenbusch «Astronauten müssen wirklich mutig sein» singt. Mit jeder neuen kahlen Stelle kam etwas aus dem Weltall dazu. Ich habe keine Angst, aber falls ich je wieder eine Glatze bekommen sollte, hätte ich mein Universum auf dem Kopf. Und sieben Perücken samt verschiedener Persönlichkeiten.» – Nathalie (33)