In Kristel de Groots Firma können sich Frauen, die ihre Tage haben, frei nehmen. Wie funktionieren die Moon Days im Alltag? Wir haben nachgefragt.
annabelle: Kristel de Groot, Ihre Mitarbeiterinnen können sich bei Bedarf menstruationsfrei nehmen. Warum? Menstruation ist ja keine Krankheit.
Kristel de Groot: Es ist keine Krankheit, aber auch wirklich kein Spass und für alle Frauen eine sehr individuelle Erfahrung. Bei mir persönlich sind die Tage nicht so schlimm, aber ich fühle mich schon oft nicht so toll. Und irgendwie habe ich immer ausgerechnet an diesen Tagen wichtige Vorstandsmeetings oder die entscheidende Konferenz. Da dachte ich mir, ich sitze nun vor all diesen Männern – es sind halt auf Vorstandebene vor allem Männer – und ich fühle mich nicht hundert Prozent, aber ich kann das nicht laut sagen.
Was genau sind die Moon Days?
Moon Day heisst: Du kannst von zuhause aus arbeiten, du kannst ins Büro kommen, du kannst alle Meetings absagen und dir freinehmen – was auch immer für dich am besten ist. Ich nenne es einen «Mach, was du kannst»-Tag. Wir produzieren pflanzenbasierte Nahrungsergänzungsmittel, Superfoods, nachdem mein Partner Michael Kuech mit 24 Jahren Hodenkrebs bekam. Er schleppte sich durch die Chemotherapie und war danach krebsfrei, aber nur noch ein Schatten. Meine Mutter hatte Krebs gehabt, als ich zwölf war. Ich dachte mir, wenn das ihm und meiner Mutter passiert, kann es jedem passieren. Ich wurde Veganerin und fütterte Michael mit Superfoods. Erst wollte er nicht, aber dann ging es ihm besser, und so entstand das Konzept für die Firma. Der offene Umgang mit der eigenen Gesundheit gehört bei uns also dazu.
Welches Problem löst es, wenn Frauen an ihren Tagen frei bekommen?
Es ermutigt die Leute, auf ihren Körper zu hören und sich auch mal auszuruhen, um dann später wieder mit voller Kraft Einsatz zu bringen. Die Arbeitswelt wurde von Männern gebaut und hat sich in all den Jahren nie grundsätzlich geändert. Die fortschrittlichsten Firmen bieten heute kostenlose Tampons an, die haben wir natürlich auch in unseren Büro-Toiletten, aber das reicht nicht. Ich fand, da müsse sich etwas ändern, also habe ich die Idee von den Moon Days bei uns vor versammelter Belegschaft vorgeschlagen.
Wie waren die Reaktionen?
Erstmal betretene Stille, nach dem Motto: Oh, wir reden darüber? Es sind ja nicht nur Männer, die darüber nicht reden wollen, sondern auch Frauen. Die Jungs sagten natürlich gleich, sie bräuchten auch Moon Days. Nee, braucht ihr nicht.
Ist das fair, wenn Frauen einen Tag im Monat frei bekommen, ihre männlichen Kollegen aber nicht?
Ich erkläre ihnen dann, wie der Zyklus funktioniert und dass Hormone bei Männern und Frauen unterschiedlich sind, dann werden sie ganz still.
«Die Jungs sagten gleich, sie bräuchten auch Moon Days. Nee, braucht ihr nicht»
Wie ist der Menstruationsurlaub seit der Einführung im Juni aufgenommen worden
Manche nutzen ihn, manche nicht. Das Thema ist immer noch mit einem Stigma behaftet. Ich sage deshalb manchmal ganz offen: Ich nehme heute meinen Moon Day. Es geht in erster Linie darum, Empathie zu schaffen. Mir persönlich bereitetet die Menstruation keine massiven Probleme, aber manche Frauen leiden mehr darunter. Bevor wir den Menstruationsurlaub einführten, machten wir eine Umfrage bei unserer Belegschaft. Wir haben achtzig Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon drei Viertel Frauen. Wir fragten: Wie geht ihr damit um? Manche sagten, sie werfen einfach Schmerzmittel ein. Manche spüren wenig Unterschied. Manche sagten, sie seien an diesen Tagen eher müde oder könnten sich schlechter konzentrieren. Es war interessant, die Meinungen anderer Frauen zu hören. Unter dem Strich sagten etwa fünfzig Prozent, die Periode beeinträchtige sie in irgendeiner Weise.
Kann Menstruationsurlaub nicht auch erst recht stigmatisierend wirken? «Die hat wohl ihre Tage» wird ja nicht nur von Donald Trump als abschätzige Bemerkung benutzt, wenn eine Frau etwas sagt oder tut, das einem Mann nicht gefällt.
Das kann in beide Richtungen gehen, genau wie jede kulturelle Äusserung. Ohne Periode wären wir alle nicht auf der Welt, sie ist der Beginn neuen Lebens, also etwas, das wir feiern sollten. Sie ist nichts Schlechtes oder Schmutziges. Darüber zu sprechen, ist deshalb für mich eine Führungsaufgabe. Und herauszufinden: Wie ist das für euch?
Das Thema ist also nach wie vor schambehaftet.
Ich bin eigentlich Holländerin, unser erster Firmensitz war in Berlin, nun sind wir viel in den USA. In Holland berichteten die Medien ganz offen, in Amerika dagegen wollten manche Zeitschriften das Thema ausklammern. Auf der einen Seite ist es ein ganz persönliches Thema. Andererseits hat sich viel geändert. Vor fünfzig Jahren musste meine Grossmutter noch ihren Beruf als Lehrerin aufgeben, als sie geheiratet hat. Damals galt das als Norm. Es hat sich also schon viel getan, aber lasst uns noch mehr verändern. Es gibt jetzt eine richtige Community bei uns von Frauen, die sich austauschen. Es muss ja nicht jede über ihre Tage reden wollen, aber zumindest sollte sich niemand dafür schämen.
Kristel de Groot (30) gründete mit ihrem Partner im Jahr 2015 die Firma Your Super, ein Start-up für Nahrungsergänzungsmittel