Liebe & Sex
Meinung: Nein, mein Leben ist nicht scheisse, weil ich Single bin
- Text: Vanja Kadic
- Bild: Stocksy
Unsere Gesellschaft liebt es, Singles zu bemitleiden, schreibt Redaktorin Vanja Kadic. Sie fragt sich: Warum ist es unvorstellbar, dass man alleine glücklich sein kann? Ein Kommentar.
Eine neue Bekanntschaft erzählte kürzlich, dass sie schon mehrere Jahre in einer Beziehung sei. Sie fragte mich, ob ich auch einen Freund habe. Ich verneinte. «Oh», sagte sie und schaute mich betreten an. Wie lange ich schon Single sei und wie ich das denn finde, fragte sie mich behutsam. «Voll gut», entgegnete ich und meinte es echt so.
Irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, dass sie mir das nicht glaubte. Vielleicht, weil sie mich anschaute, als würde etwas nicht mit mir stimmen. Der Austausch brachte mich ins Grübeln. Warum ist es unvorstellbar, dass man alleine glücklich sein kann?
Alleine sein bedeutet schliesslich nicht einsam sein. Doch manchmal habe ich das Gefühl, wir gehen als Gesellschaft davon aus, dass sich das wirklich erfüllende Leben nur in einer monogamen Beziehung abspielt. Die Haltung, die im öffentlichen Diskurs, in der Popkultur oder im Gespräch mit manchen Leuten suggeriert wird, geht so: Wer Single ist, wartet – vor allem als Hetero cis Frau Anfang 30 – eigentlich heimlich nur auf die nächste Beziehung oder muss sich krampfhaft durch Bumble und Tinder swipen, um schleunigst die oder den nächste:n Partner:in zu finden.
Und die Zwischenzeit muss man halt irgendwie einsam, missmutig und unglücklich überstehen. Wer so richtig Pech hat, endet schliesslich als tragische, Bridget-Jones-mässige Karikatur einer verbitterten Jungfer mit 37 Katzen.
«Viele nehmen es in Kauf, lieber in einer unbefriedigenden oder toxischen Beziehung zu verharren, als alleine zu sein»
Den Gedanken daran, dass die Qualität meines Lebens nach meinem Beziehungsstatus beurteilt wird, finde ich absurd. Klar, das Singlesein hat – wie auch eine Beziehung – seine Schattenseiten: Zum Beispiel, wenn man noch ein Dessert bestellen muss, das man eigentlich gar nicht will, um den Mindestwert beim Lieferdienst zu erreichen. Oder wenn Sonntagabend ist und man eigentlich gerne mit jemand Tollem spazieren gehen oder True-Crime-Serien bingen würde.
Solche Momente, in denen ich das Singlesein bescheuert finde, gibt es. Aber ich führe ein selbstbestimmtes Leben, das mich erfüllt und glücklich macht. Ich habe gelernt, wie ich mit mir selbst Quality Time verbringen kann. Das war ein wichtiger Prozess, der mal mehr, mal weniger angenehm war – aber heute gehe ich gerne alleine Kaffee trinken oder ins Kino.
Unsere Gesellschaft ist so besessen davon, Singles zu shamen, dass viele es auch in Kauf nehmen, lieber in einer unbefriedigenden oder toxischen Beziehung zu verharren, als alleine zu sein. Ich habe das selbst erlebt (und mir versprochen, dass ich fortan lieber mit mir selbst glücklich, als mit jemand anderem unglücklich sein möchte).
Eine Therapeutin, die ich zum Thema toxische Beziehungen interviewte, sagte mir vor einigen Monaten: Eine Beziehung sei nicht der Angelpunkt für alles. Es gebe so viel anderes, was wichtig sei und Freude mache – Familie, Freund:innen, Arbeit, Hobbys, Dinge, für die man brennt. Das mag selbstverständlich klingen, aber manchmal scheint mir, als würden wir das kollektiv oft vergessen.
«Man macht mir eigentlich klar, dass ich nur in Abhängigkeit von einem Mann ein wertvolles Leben führen kann»
Die Annahme, dass man nicht alleine glücklich sein kann, finde ich übrigens sehr antifeministisch. Man macht mir so eigentlich klar, dass ich nur in Abhängigkeit von einem Mann ein wertvolles Leben führen kann. Im Stil von: Du machst irgendwas nicht richtig, weil du der heteronormativen «korrekten» Vorstellung nicht entsprichst, die du eigentlich erfüllen solltest.
Mitleidige Blicke gehören zum Single-Leben wohl leider genauso dazu wie cringy Verkupplungsversuche oder nervtötende Ratschläge von Menschen in Beziehungen («Du hast vielleicht einfach zu hohe Ansprüche!»). Ich kann euch garantieren, dass mein Leben nicht scheisse ist, weil ich Single bin. Und dass ich mir auch meine Zukunft bunt und schön ausmale – ob mit Partner oder ohne. Die 37 Katzen sind da übrigens nicht miteingeplant. Nicht nur wegen meiner Katzenhaarallergie.
Reportage-Praktikantin Sonya Jamil ist anderer Meinung: Wieso es in Ordnung ist, sich als Single eine Beziehung zu wünschen, lest ihr hier.
Sehr guter Text! Genau getroffen. Ich selbst erlebe das Geschilderte in genau dieser Form. Es beschleicht mich des Öfteren das Gefühl, dass mann/frau meine Aussage “Ich bin sehr glücklich” überhaupt nicht ernst nehmen. Wie Sie bereits sagten gilt hier wirklich der Grundsatz: Lieber als Paar zusammen (unglücklich) sein, als allein zufrieden durch’s Leben cruisen. Einen Schatz hätte ich ja trotzdem gerne! 🙂
Danke herzlich für diesen treffenden Text, der es genau auf den Punkt bringt. Und die wichtigste Beziehung sollte man doch zuerst einmal mit sich selber führen 😊! Ich denke, viele haben Angst vor dem Alleinsein und beneiden aber trotzdem insgeheim die Singles….
Sei es wie es will: danke danke!
Toll geschrieben 👏🏻!!!
Danke für den Artikel!
Es trifft es auf den Punkt.
Ich bin eine single Mum und geniesse es total.
Ich habe mir mein Leben wundrrbar eingerichtet und Family & Friends sind rund um uns und es ist stets was los.
Ich war wohl selten in meinem Leben so entspannt Single wie heute 💛