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Meine Schwester, der Star

Body & Soul

Meine Schwester, der Star

  • Text: Julia HoferFotos: Gian-Marco Castelberg

Alle kennen Ursula Andress, Pipilotti Rist und Christoph Mörgeli: Wer aber sind die Geschwister dieser Promis? Wir haben sie besucht.

Wie lebt es sich im Schatten einer berühmten Schwester oder eines prominenten Bruders? Das haben wir die Geschwister von Ursula Andress, Pipilotti Rist und Christoph Mörgeli gefragt.

Christopher Ciccone hat seiner Schwester eine steile Karriere zu verdanken: Er war ihr persönlicher Assistent, Tänzer, Dekorateur und schliesslich ihr Art und Tour Director. Trotzdem hat er es nie geschafft, aus ihrem Schatten herauszutreten. Mehr noch: Sie bedankte sich für seine loyalen Dienste, indem sie ihn als schwul outete und trotz Millionen verkaufter Alben ausgesprochen knauserig entlöhnte. Christopher Ciccone hat sich den Frust im Buch «Meine Schwester Madonna und ich» vom Leib geschrieben. Doch an seinem Lebensdrama hat das kaum etwas geändert. Wer das Buch kauft, will in erster Linie etwas über die Pop-Ikone Madonna erfahren, nicht über ihren Bruder. Und natürlich hat die Publikation die Beziehung der beiden Geschwister nicht wirklich verbessert. Immerhin zeigt sich Christopher Ciccone zuversichtlich, dass er sich eines Tages mit seiner Schwester versöhnen wird. Er stellt nur eine Bedingung: «Sie muss das Buch lesen, wenn wir wieder Freunde sein sollen. Damit sie auch meine Perspektive kennt.»

Werden Geschwister zwangsläufig arrogant, wenn sie berühmt sind? Wie entwickelt man neben einem Superstar seine eigene künstlerische Arbeit? Schämt man sich für seinen Bruder, wenn er in der Talkshow seine Kontrahenten zur Schnecke macht?

Manchmal suchen Geschwister von Prominenten selbst die Öffentlichkeit, so wie Christopher Ciccone. Oft wollen sie aber ihr eigenes Leben leben, ohne über das berühmte Familienmitglied definiert zu werden, ohne Medienauftritte. Es ist deshalb nicht ganz einfach, Menschen zu finden, die bereit sind, über ihr Leben knapp ausserhalb des Scheinwerferlichts zu reden.

Der Bruder des Starbankers Joe Ackermann ist in einer Hirslandenklinik als Urologe tätig und möchte nicht darüber reden, wie man sich fühlt, wenn der eigene Bruder zuerst jahrelang auf den Titelseiten der wichtigsten Zeitungen gefeiert und dann mit Häme übergossen wird. Und die telefonische Anfrage bei Erika Wright, der Schwester der Film-Ikone Ursula Andress, war zuerst ebenfalls nicht besonders erfolgreich: «Hören Sie», unterbrach die ältere Dame resolut. «Wenn Sie mir eine Zeitschrift verkaufen wollen, kann ich Ihnen gleich sagen: Ich bin versorgt.» Und schon war da nur noch der Summton in der Leitung.

Umso erfreulicher, dass es beim zweiten Anlauf geklappt hat. Zwar ist es nicht einfach, einen Interviewtermin mit der 78-Jährigen zu finden, denn sie hat grundsätzlich «keine Zeit». Neun Monate im Jahr steht sie hinter ihrem Stand auf dem Markt in Bern und verkauft Blumen und Gestecke, so wie das zuvor schon ihre Mutter und ihre Grossmutter getan haben. Jetzt, so kurz vor Ostern, müsse sie noch ein paar Ostergestecke fertig machen. Sie seufzt. Nach einigem Hin und Her kommt dann doch noch ein Termin zu Stande: zwischen einer Auslieferung und einem Physiotherapietermin und unter der Bedingung, dass das Gespräch in ihrem Bastelraum stattfindet, damit sie arbeiten kann, während sie redet, denn wie gesagt, eigentlich hat sie «keine Zeit».

Erika Wright wohnt in Ostermundigen bei Bern, in einem gutbürgerlichen Einfamilienhaus mit englischem Rasen. An dieser kleinen Strasse, zwischen Waldrand, Schwimmbad und braunen Äckern, ist auch Ursula Andress aufgewachsen, die später als Bondgirl zu Weltruhm gelangen sollte. Erika Wright ist klein, in ihrem Gesicht lassen sich noch Spuren einer Ähnlichkeit mit ihrer fünf Jahre jüngeren Schwester ausmachen, sie trägt einen Faserpelz und ist eine liebenswerte, gut gelaunte Person. Jemand, der immer etwas zu erzählen weiss und den man sofort als Grossmutter adoptieren möchte. Sie bittet in die Küche, stellt einen Nespresso auf den Tisch und offeriert Güetzi – «nicht selbst gemacht», dafür hat sie natürlich «keine Zeit». Dann weist sie auch schon den Weg in den Bastelraum, wo Körbe voller Zweige, Tannzapfen und Gartenscheren herumstehen. Im Bastelraum ist es frisch. Erika Wright holt fürsorglich eine Jacke für die Journalistin, ihr selbst macht die Kälte nichts aus.

Ursi sei unter den sechs Geschwistern nicht sonderlich aufgefallen, in einer Grossfamilie sei eben «eines wie das andere », ausser vielleicht, «dass die Schwester schon als Mädchen ein Flair für Mode hatte: Am Freitag ist sie in die Stadt gefahren, um Stoff zu kaufen, hat die halbe Nacht lang genäht und war am Samstag im Ausgang topchic». Auch als Ursi dann berühmt geworden sei, habe sich ihre Beziehung zueinander nicht verändert, sie haben sich etwas weniger gesehen, natürlich, aber Ursi sei immer auf dem Boden geblieben. «Immer», wiederholt Erika Wright mit Nachdruck.

Der Film, der ihre Schwester über Nacht ins Rampenlicht katapultiert hat, heisst «James Bond jagt Dr. No», die Schauspielerin entsteigt darin in der wohl berühmtesten Bikiniszene der Geschichte dem Meer. Erika Wright hat den Film 1962 mit ihrem Mann im Kino gesehen und ihn wie eigentlich jeden Film, in dem Ursi gespielt hat, «gut gefunden, ja, ja». Sie sagt das in ihrem wunderschönen Berndeutsch, das am Ende eines Satzes gern einen Luftsprung macht. «Da schlägt dann wohl die Liebe zur Schwester durch, man steht zusammen, egal, ob etwas gut ist oder nicht. Das ist das Blut.» Ob sie sich den Film heute noch anschaue, wenn er im Fernsehen gezeigt werde? Nein, sie kenne ihn zu gut und habe sowieso meistens – man ahnt, was kommt – keine Zeit.

An den Rummel, den «Dr. No» damals verursacht hat, erinnert sie sich noch gut. Fernsehstationen aus aller Welt riefen in der Gärtnerei Andress in Ostermundigen an. Journalisten lungerten tagelang vor dem Gartenhag herum. Der Briefkasten füllte sich zum ersten Mal mit Fanpost. Als ihre Schwester dann drei Jahre später im «Playboy» die Hüllen fallen liess, wurde sie auch als Ursula Undressed verspottet, doch darüber steht echte Schwesterliebe: «Sie war schon immer so», lacht Erika Wright. «Immer den Busen zeigen, das ist ihre Art. Fast ein bisschen wie Gina Lollobrigida.»

Mutter Andress war eine weltoffene Frau. Sie habe alle ihre Kinder in jungen Jahren in die Fremde geschickt. «Ursi ging schon mit 16 nach Frankreich, zum Film, da musste die Mama noch eine Unterschrift geben.» Sie selber war nach der Schule eineinhalb Jahre als Aupair in London. «Das war meine schönste Zeit», sagt sie. «Wir gingen shoppen und probierten stundenlang Hüte und Kleider. Warenhäuser kannte man damals in der Schweiz noch kaum.» Einmal, erzählt sie, sei sie an Weihnachten bei einer begüterten Familie eingeladen gewesen, «die hatten ein Cheminée, ich sage Ihnen: von hier bis da», sie deutet mit der Hand von der einen Ecke des Bastelraums zur andern. Die Kontakte zur Upperclass knüpfte sie im so genannten All Nations Club, wo Aupairs gebildete junge Männer trafen, um mit ihnen Konversation in gepflegtem Englisch zu machen. Einer dieser jungen Männer war ihr zukünftiger Mann, ein Ingenieur namens Wright. Sie nahm ihn später kurzerhand mit in die Schweiz, wo er an der Universität Bern bei der Raumforschung als Techniker unterkam.

Mit ihm hat sie ein weit gehend normales Leben gelebt, zwei wohl geratene Töchter, die Gärtnerei, der Markt. Nur wenn Ursi nach anstrengenden Dreharbeiten für einige Tage oder Wochen bei ihrer Schwester untertauchte, in ihrem eigenen Zimmer mit Bad, das sie auch heute noch von Zeit zu Zeit bewohnt, bekam das solide Leben etwas Glamour ab. Oft standen die Fotografen schon vor Ursis Ankunft hinter den Büschen. «Die wussten oft vor mir, wann sie kommt.» Die Paparazzi versuchten, Erika Wright über den Hag hinweg auszuquetschen, ihr Gesicht wird nun hart, «da bekommt man eine dicke Haut».

War ihre Schwester bei ihr untergeschlüpft, spannte sie richtig aus. So sehr, dass die Diva manchmal nicht mal erkannt wurde. Einmal, erzählt Erika Wright, habe sich ein Pöstler bei der Schauspielerin höchstpersönlich nach Ursula Andress erkundigt, als sie in einem «bestimmt zwanzig Jahre alten» Trainingsanzug die Tür geöffnet habe. Manchmal hat Ursi auch jemanden mitgenommen, James Dean nicht, der war ihr «Secret», aber ihr späterer Ehemann John Derek war oft hier. Und an Ursis spätere Liebe, Jean-Paul Belmondo, scheint sie sich besonders gern zu erinnern. Ein ganz Lustiger sei das gewesen, sagt sie mit leuchtenden Augen. «Der kam wie einer von uns in zwei verschiedenen Socken die Treppe herunter.»

So, nun ist der Kranz fertig. Jetzt noch den Sack, gefüllt mit Fanpost, in Ursis Zimmer rauftragen, die Schwester kommt ja vielleicht über Ostern. Morgen wird Erika Wright wieder in aller Herrgottsfrühe mit dem Kleinbus auf den Bundesplatz fahren und ihren Stand aufstellen, allein, mit 78 Jahren. Sie sei auf das Einkommen angewiesen, sagt sie, seit ihr Mann gestorben sei. Hat ihr die Schwester nie finanziell unter die Arme gegriffen? «Das ist Ursis Leben, ihr Geld, nicht meins», sagt sie bestimmt. «Einige verdienen nun mal mehr, andere weniger. Bei uns hat das zum Glück nie zu Neid und Missgunst geführt.» Ihre Schwester bringe ihr immer etwas Schönes mit. «Nein, nein, sie ist eine Gute.» Jammern ist nicht Erika Wrights Sache, Arbeit die beste Medizin gegen trübe Gedanken. Ihre Kundinnen belehrt sie manchmal: «Ihr habt zu viel Zeit zum Überlegen, ob es den andern besser geht als euch.»

Andrea Rists Schwester ist die weltweit erfolgreiche Videokünstlerin Pipilotti Rist, die im aktuellen Künstlerrating des Wirtschaftsmagazins «Bilanz» den 3. Platz belegt (nach Fischli/Weiss und Roman Signer) und vor eineinhalb Jahren die höchste aller Weihen empfing: eine Ausstellung im Museum of Modern Art in New York. Zwei andere Geschwister gehören zum Inventar der Zürcher Kreativszene: Bruder Tom versorgt das Publikum in seinem Club Helsinki mit schrägem Sound, Zwillingsschwester Tamaras Markenzeichen sind Taschen im Streifendesign. Auch Andrea Rist hat einen kreativen Beruf gewählt: Sie ist Fotografin. Nur die älteste Schwester, Ursula, hat einen anderen Weg eingeschlagen: Sie arbeitet in einem Weltladen und bei der Spitex.

Als Treffpunkt war Zürichs In-Marokkaner, das «Maison Blunt», ausgemacht, aber dort war es dann doch zu laut und verraucht. Das Gespräch findet nun ein paar Häuser weiter in einer sterilen, kalten Sushibar statt. Andrea sieht Pipilotti Rist ähnlich. Dasselbe grossflächige Gesicht, dieselben Augen. Aber sie ist weniger schrill, weniger bunt angezogen – sie muss ja auch keine vermarktbare Kunstfigur sein. «Seit ich vor drei Jahren Mutter geworden bin, kam ich nicht mehr dazu, grössere fotografische Projekte anzugehen», sagt Andrea Rist, die heute fast ausschliesslich Auftragsarbeiten ausführt. «Das ist aber okay. Ich geniesse die Zeit mit meiner Tochter.»

Sie versteht sich primär als Fotografin, nicht als Künstlerin. Auch wenn manche ihrer Projekte, wie sie selber sagt, durchaus einen künstlerischen Anspruch haben und gewisse Arbeiten sogar an Ausstellungen zu sehen waren. Träumt man da im Geheimen nicht doch manchmal davon, wie die berühmte Schwester Karriere zu machen? Oder zumindest einmal im Leben mit einer Einzelausstellung gewürdigt zu werden? Andrea winkt ab, mit Pipilotti vergleiche sie sich nicht. Ihre Schwester spiele in einer anderen Liga, beschäftige mittlerweile eine ganze Reihe von Assistenten und Mitarbeitern und zeige ihre Kunst auf der ganzen Welt. Sie lacht ein bisschen und sagt dann: «Das soll jetzt keine Ausrede sein.» Auch wenn manche ihrer Projekte einen künstlerischen Anspruch hätten, bedeute das noch lange nicht, dass sie eine Karriere als Künstlerin anstrebe. «Ich habe in meinem Leben andere Prioritäten gesetzt.»

Trotzdem ist es ihr wichtig, sich in ihrer Arbeit von ihrer Schwester abzugrenzen. Denn nur so hat man eine Chance, neben einem Weltstar eine eigene Position zu finden. «Ich mache Fotografie. Und nicht Installationen und Videos wie Pipilotti. Das ist etwas ganz anderes.» Als sie einmal mit unscharfen Bildern experimentierte, sei ihr klar geworden: «Das ist nun zu ähnlich.» Obwohl sie wusste, dass ihre Experimente im Grunde genommen nichts mit Pipilottis Werk zu tun hatten, wollte sie nicht den Verdacht aufkommen lassen, sie würde sie kopieren. Stattdessen begann sie in der Nacht zu fotografieren, mit Blitz. Eine komplett andere Ästhetik, unverfängliches Terrain.

Diesen Sommer wird Andrea Rist nun endlich wieder ein grösseres Projekt in Angriff nehmen können: Sie will englische Landschaften fotografieren. Landschaften, die sie liebt, seit sie als Teenager mit ihren Schwestern in England Ferien gemacht hat. Sie hofft, diese Arbeiten später in einer Ausstellung zeigen zu können.

Einmal hätte sie vom Erfolg der Schwester profitieren können: Bei einer Wohnungsbesichtigung bot ihr der Vermieter sofort die Wohnung an, als er die verwandtschaftlichen Zusammenhänge durchschaut hatte. Und einmal hat ihr eine Redaktion einen bereits erteilten Auftrag wieder entzogen, weil die Schwester dort in Ungnade gefallen war.

Andrea schweigt. Und sagt dann unvermittelt: «Ich bewundere Pipilottis Ehrgeiz. Und Pipilotti schwärmt für meinen Lime-Risotto.» Die beiden sehen sich an Geburtstagen, sie feiern zusammen Weihnachten und Ostern, lachen gemeinsam über alte Kinderfotos, und wenn es spät wird, übernachtet Pipilotti auch mal mit ihrem Sohn Yuji bei ihr auf dem Sofabett. Familie verbindet. Hat Pipilotti denn schon mal eine von Andrea Rists Vernissagen besucht? «Ich kann mich nicht daran erinnern.» Doch das Desinteresse scheint sie nicht zu verletzen. «Vielleicht», sagt sie, «habe ich ihr auch keine Einladung geschickt.»

Auch der dritte Interviewpartner hat einen Bruder mit grosser Fangemeinde. Doch ist dieser für mindestens ebenso viele eine Reizfigur – ein Scharfmacher, Wadenbeisser, verbaler Giftmischer oder Blocherjünger: der SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli. Der erste Eindruck von Thomas Mörgeli am Telefon: die gleiche Stimme wie der Bruder. Der zweite Eindruck: ein überaus anständiger Mensch. Der Hochschulsportlehrer entschuldigt sich für ein «unhöfliches E-Mail», das ihm ohne Gruss entwischt ist.

Thomas Mörgeli gleicht seinem Bruder auch äusserlich, obwohl es schwierig ist zu sagen, worin genau die Ähnlichkeit besteht. Er wirkt aber nahbarer, bodenständiger, ist keiner, vor dem man sich instinktiv in Acht nimmt. Er kommt nicht wie sein Bruder in Anzug und Krawatte daher, sondern in Pullover und Jeans. Das Gespräch findet in einer Cafeteria der Uni Irchel in Zürich statt, wo die Studenten an den Nebentischen unauffällig mithorchen und sich wohl manch einer fragt: Geht es um den Sport? Oder um den Bruder? Thomas Mörgeli irritiert das nicht, er wird nur erzählen, was ist – und das ist nichts, was man nicht sagen dürfte. Auch über seine Gefühle für seinen prominenten Bruder wird er reden, denn er ist ein aufrichtiger Mensch, kein Taktiker. Einer, dem es, wie er gleich zu Beginn des Gesprächs feststellt, wichtig sei, dass er mit seinem Umfeld «gut auskomme». Einer, der sich selbst sogar als «Wohlfühljunkie» bezeichnet und sich eher zu den «Netten» zählt. Zu denjenigen also, er lächelt milde, die sein Bruder so gern angreife.

Diesem sei es dagegen, das glaube er je länger, desto mehr, wirklich egal, was die anderen über ihn denken. «Vielleicht braucht er eben gerade das, diese Anfeindungen.» Auch wenn er mit seiner Art zu politisieren Mühe hat, schmerzt es Thomas Mörgeli, wenn Christoph als unbeliebtester Politiker der Schweiz bezeichnet wird. Er findet es «hart», wenn ein anderer Politiker auf die Frage «Was würden Sie tun, wenn Sie mit Christoph Mörgeli im Lift stecken bleiben würden?» antwortet: «Darüber denke ich lieber nicht nach.»

Ist sein Bruder ein Hassprediger? Sicher nicht. Wieder verstummt das Gespräch am Nebentisch, ein Student flüstert einer Kommilitonin etwas ins Ohr, Köpfe drehen sich um. «Doch wenn ich am Fernsehen sehe», gesteht sich der Sportlehrer ein, «wie Christoph sich in Rage redet, kann ich nachvollziehen, dass man so etwas sagt.» Thomas Mörgeli ist nicht immer «gleich happy», wenn er seinen Bruder während eines seiner zahlreichen Auftritte auf Tele Züri sieht – diese «spezielle Mimik, dieses Lächeln, das viele Leute zur Weissglut bringt», irritieren auch ihn. Vor allem, weil Christoph das «privat nicht hat». Er kennt ihn von einer anderen, menschlicheren Seite, weiss, dass Christoph eigentlich nicht so ist.

Die Art seines Bruders, schwarz und weiss zu malen, sei ihm fremd, sagt er, und es gehe ihm gegen den Strich, wenn dieser auf den Mann spiele. Obwohl: Die SVP erkenne die Probleme in der Regel ja schon, das müsse man ihr lassen. «Wir müssen uns zum Beispiel schon überlegen, wie wir unsere Immigranten behandeln», formuliert er vorsichtig, nie würde er dagegen sagen: «Wir haben ein Ausländerproblem.»

Über Politik reden die beiden nicht miteinander, das war schon in ihrer Jugend so. «Weil ich den Kürzeren ziehen würde», gibt Thomas Mörgeli freimütig zu. «Und man Niederlagen ja bekanntlich nicht gerade sucht.» Mit seiner Mutter hingegen spricht er über Politik. Denn er kann immer noch nicht ganz verstehen, wie sie, die früher sozialdemokratisch eingestellt war, einer der grössten Fans des Politikers Mörgeli werden konnte.

Es kommt immer wieder vor, dass Studenten ihm zunächst kritisch begegnen und später ihre Überraschung zum Ausdruck bringen, wie nett er doch sei. Als Kompliment, versteht sich. Jemand hat ihm einmal nichts ahnend ins Gesicht gesagt: «Schön, dass es auch noch nette Mörgelis gibt.» Solche Bemerkungen empfinde er als groben Fauxpas, sagt Thomas Mörgeli, und es klingt etwas traurig. Er antworte jeweils: «Weisst du, in vielerlei Hinsicht sind wir gar nicht so verschieden. » Mindestens ebenso ärgerlich findet er Anbiederungen von rechts aussen, im Stil von «Dir kann ich das ja sagen …». Auf Debatten lässt er sich aber nicht ein. «Vielleicht würde ich es tun, wenn ich mich pointierter ausdrücken könnte.» Lächelnd ergänzt er, es komme immer wieder mal vor, dass sich Telefonistinnen von den frappant ähnlichen Stimmen täuschen lassen. Und der schwärmerische Tonfall plötzlich in Ernüchterung umschlage, «wenn sie realisieren, dass nicht der prominente Politiker am Draht ist».

Der Sportlehrer steht auf der Treppe vor der Uni, den Autoschlüssel in der Hand. Wann genau der Bruder berühmt geworden sei, sagt er, daran könne er sich nicht mehr erinnern. Aber er weiss noch, woran er es gemerkt hat: Plötzlich sei Christoph Mörgeli nicht mehr als sein Bruder bezeichnet worden, sondern umgekehrt. «Obwohl ich drei Jahre älter bin.»

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1.

Thomas Mörgeli: Sportlehrer und Bruder von Christoph Mörgeli

2.

Erika Wright: Blumenverkäuferin und Schwester von Ursula Andress