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Meine Meinung: Die Kleinfamilie im Umbruch

Familie

Meine Meinung: Die Kleinfamilie im Umbruch

  • Text: Carolina Müller-Möhl, Illustration: Grafilu

annabelle-Autorin Carolina Müller-Möhl ist überzeugt, dass es möglich ist, Kind und Job unter einen Hut zu bekommen, und fordert eine Anpassung der gesellschaftlichen Sicht auf Familienmodelle.

Die Natur ist im Wandel. Die Wiesen werden grün, die Amseln zwitschern, die Tage werden länger. Ich geniesse die wärmenden Sonnenstrahlen und bin wieder öfter auch längere Strecken zu Fuss unterwegs. Erst kürzlich kam ich an einem Spielplatz beim Zürcher Chinagarten vorbei. Ein lautes Lachen liess meinen Blick zu den tollenden Kindern schweifen. Fünf Frauen und ein Mann umgaben die Schar Mädchen und Buben. Typisch, denk ich mir. Unter der Woche dominieren die Frauen die Spielplätze. Männer sind in der Unterzahl, denn sie arbeiten mehrheitlich Vollzeit. Dabei höre ich von immer mehr Männern, dass es ihnen nicht mehr genügt, ihren Kindern spät am Abend nur einen Gutenachtkuss auf die Backe zu drücken. Sie wollen nicht länger zu den «abwesenden Vätern» gehören. «Ich will mehr Zeit mit meinen Kindern verbringen», sagte mir letzthin ein zweifacher Familienvater.

Doch die Realität offenbart nicht nur auf der Spielwiese ein anderes Bild. Die Arbeitswelt macht deutlich, dass sich unsere Wirtschaft weiterhin am Familienmodell «Mann Haupternährer, Frau Zuverdienerin» orientiert. Das ist unzeitgemäss und unfair. Wir brauchen eine Wirtschaft, die Verständnis für Familien zeigt. Während mehr als die Hälfte der erwerbstätigen Frauen Teilzeit arbeitet, tut dies hierzulande nur einer von sieben Männern. Anderseits zeigen Studien, dass immer mehr Männer eine Lebensform anstreben, die mehr Raum für Privates zulässt. Während die Männer von heute von einer Teilzeitstelle nur träumen, werden die von morgen diese sicherlich einfordern. Unternehmen tun deshalb gut daran, sich bereits heute darüber Gedanken zu machen, wie sie Teilzeitarbeit nicht nur ermöglichen, sondern auch gesellschaftlich aufwerten und zur Normalität werden lassen. Nur so wird die Teilzeitarbeit ihren schlechten Ruf, der Karriere zu schaden, endlich los.

Ich bin überzeugt, Karriere und Familie sind zu vereinen. Dazu müssen aber alle am gleichen Strick ziehen: die Wirtschaft, die Politik, die Unternehmer, die Gesellschaft, die Medien sowie Frauen und Männer. Auch wir Frauen haben uns von alten Mustern zu lösen. Wir müssen zudem bereit sein, die Verantwortung zuhause abzugeben, und sollten akzeptieren, dass der Partner die Küche anders aufräumt, den Haushalt divers organisiert und den Kindern statt Banane Apfel zum Dessert serviert.

Bereits Darwin sagte: «Nichts in der Geschichte des Lebens ist beständiger als der Wandel.» Bedürfnisse von Frauen und Männern verändern sich, und das beeinflusst die Familienmodelle. Wenn man dem Zukunftsforscher Matthias Horx glaubt, werden sich die Kleinfamilien auflösen und einem engen Netzwerk aus Freundschaft, Verwandtschaft und Liebe weichen. Solche Lebensformen beobachtet der deutsche Visionär bereits heute; etwa die Neo-WG-Kultur, in der mehrere Familien zusammenleben und die Kindererziehung aufteilen. Bei der Cohousing-Bewegung bauen Gleichgesinnte für Alt und Jung ihre eigenen Wohnhäuser. Eine weitere Variante verfolgt das Kinship-Prinzip. Hier gehören die Blutsfamilie, hilfreiche entfernte Verwandte und enge Freunde zum Netzwerk. Gemäss Horx wird diese Beziehungsform Familie und Liebe sowie Arbeit und Freizeit neu organisieren. Das glauben Sie nicht? Es ist noch nicht allzu lange her, da haben Patchworkfamilien für Empörung gesorgt.

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