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Male Trailing Spouses: Das Familienmodell mit Karrierefrau und Hausmann

Familie

Male Trailing Spouses: Das Familienmodell mit Karrierefrau und Hausmann

  • Text: Nina Toepfer; Fotos: Ornella Cacace, SXC

Sie leben das traditionelle Familienbild, bloss in umgekehrter Besetzung: Male Trailing Spouses sind Männer, die ihren Businessfrauen den Rücken frei halten, fern ihrer Heimat.

Wir sind die Männer, die sich niemand ausgedacht hat», sagt Norval Gough. Er ist Hausmann seit 16 Jahren und das, was sich englisch ganz leicht Male Trailing Spouse nennt, also ein mitreisender Ehepartner, männlich. Norvals Geschichte hängt an der Karriere seiner Frau. Als Jenny von Schottland in die Schweiz versetzt wurde, wo sie heute als Head of Investor and Media Relations für Syngenta arbeitet, musste das Paar aus zwei Berufswegen einen auswählen. Sie entschieden sich für ihre Karriere. Seither arbeitet Jenny zehn, zwölf Stunden ausser Haus, ist oft auch auf Reisen. Sie verdient das Geld, von dem die Familie lebt. Norval hält ihr den Rücken frei und übernimmt das unbezahlbare Andere, 24/7 – er erledigt den Haushalt, kümmert sich um die Kinder Hanna und Cameron, emotionaler Support inbegriffen.

Norval (51) lebt so etwas wie eine geglückte Rollenumkehr. Diese weist vorwärts in eine gleichberechtigte Zukunft und gleichzeitig zurück ins traditionelle Familienbild, bloss in umgekehrter Besetzung. Haushaltdebatten, Kinderbetreuungsdiskussionen – klassischer Streitgrund bei berufstätigen Eltern – erübrigen sich. Norval, die Haare im Nacken zusammengebunden und in Jeans und dezent gestreiftem Hemd, hebt die Schultern und zeigt mit den Handflächen nach oben: «Gibts bei uns nicht. Ist ja alles erledigt.»

Die Extras auch: Norval kocht jeden Tag, früher tischte er abends sogar zweimal auf, einmal für die Kinder, später für seine Frau und sich. Jetzt, da die Kinder grösser sind, 11 und 15 Jahre alt, essen alle so oft wie möglich zusammen. Spezialwünsche berücksichtigt er trotzdem: Für sein Chicken Marengo, Poulet mit Tomaten, Zwiebeln und Pilzen, püriert er die Sauce für den Jüngsten, der mag das lieber so. Als die Kinder kleiner waren, ging Norval mit ihnen ins Muki-Turnen, heute jongliert er Korbballtraining, Klavierstunde, Extra-Deutschunterricht – Termine, die auch mal gleichzeitig, aber an verschiedenen Orten stattfinden. Er klickt sein iPhone an und demonstriert die logistische Reifeprüfung anhand der Strassenkarte.

Die cooleren Hausfrauen

Hausmänner mögen gerade die cooleren Hausfrauen sein – kolumnistisch zumindest führt ja auch ein Mann, Bänz Friedli, die tonangebende Schweizer Hausfrauen-Feder. De facto jedoch sind sie so rar wie die Männer, die mit den Karrieren ihrer Frauen mitziehen. Esther Roman, Regionale Direktorin für Ausbildung und Entwicklung bei der Personalberatungsfirma Michael Page, weiss das aus beruflicher und persönlicher Erfahrung. Sie ist aus Spanien erst in die Schweiz, dann nach Deutschland gezogen, ihr Mann mit ihr. «Er hat mich hundertprozentig darin unterstützt. Aber unser Modell ist ungewöhnlich. Meine Vorgesetzten sorgen sich denn auch immer darum, wie stabil unsere Beziehung ist.» Als Personalberaterin hat sie bis anhin nur Männer versetzt, deren Partnerinnen im Schlepptau. «Immer noch opfern sich die Frauen.» Opfern? «Vielleicht treffen sie den Entscheid ja gemeinsam, aber unterbrochen wird ihre Karriere, nicht seine.»

In ihrem Buch «Lean In» schreibt Sheryl Sandberg, Geschäftsführerin von Facebook, verheiratet, zwei Kinder: Die wichtigste Karriereentscheidung einer Frau liegt in der Wahl des Lebenspartners. Oder lakonischer, mit einem Harvard-Professor gesagt, der auf die Frage, was Männer für das berufliche Fortkommen ihrer Frauen machen könnten, präzise wusste: «Die Wäsche.»

Der richtige Mann als Karrierebooster, weil er mitzieht, wenns darauf ankommt. Auslanderfahrung ist heute zentral, insbesondere in multinationalen Unternehmen. «Ein Auslandaufenthalt ist ein wichtiger Karriereschritt», sagt Simona Scarpaleggia, Chefin Ikea Schweiz. Sie weiss aus eigener Erfahrung aber auch, von wie vielen persönlichen Bedingungen der Schritt ins Ausland abhängt. Vor drei Jahren ist sie von Italien hergezogen, mit ihrem Mann und den drei bald erwachsenen Kindern. «Sicher, der richtige Partner ist wichtig», sagt die Ikea-Chefin. «Als ich das Angebot hatte, hierher zu kommen, hielten wir einen Familienrat und stimmten anonym ab. Ich legte leer ein. Die anderen vier sagten Ja. Hätte jemand ein Nein eingeworfen, hätten wir sicher sehr viel reden müssen.» Ihr Mann, selbstständiger Coach für Führungskräfte, pendelt heute beruflich zwischen Italien und der Schweiz.

Frauen wie Simona Scarpaleggia sind jedoch die Ausnahme. Kevin Cornelius, Autor der global angelegten Mobilitätsstudie der Beratungsgesellschaft Ernst & Young, hat unter den Toptalenten, die von ihren Firmen für einen Fulltimejob ins Ausland beordert wurden, einen Frauenanteil von gerademal 23 Prozent errechnet. Dabei wären weibliche Executives mit Auslanderfahrung total gefragt: «Im November hat das EU-Parlament vorgeschlagen, die Verwaltungsräte von börsenkotierten Unternehmen bis 2020 mit 40 Prozent Frauen zu besetzen. Da Verwaltungsräte meistens von CEOs – am liebsten mit internationaler Erfahrung – gestellt werden, erkennen nun viele Unternehmen, dass es nicht genug Frauen mit der entsprechenden Erfahrung gibt», erklärt Kevin Cornelius.

Spouse-Support

Laut Mobiliätsstudie scheitern Auslandaufenthalte generell meist aus persönlichen, nicht-berufsbezogenen Gründen: weil geeignete Schulen fehlen oder die passende Wohnung, oder weil der mitgereiste Partner keine Arbeitsmöglichkeit hat. Spouse-Support wäre also gefragt – wird aber tatsächlich eher vernachlässigt. Laut «Financial Times» kümmern sich nur 10 Prozent der Firmen auch um die Familienangehörigen, die mit den Supertalenten mitziehen.

Eine auf diesen Support spezialisierte Firma ist das Spouse Career Centre (SCC), ursprünglich entstanden aus einem Pilotprojekt von Novartis. Hier helfen Fachleute den Partnern von Expats über Kulturschocks und Unsicherheiten («Warum klopft der Nachbar nicht an?») hinweg und stehen ihnen in vielen Belangen bei, von der sozialen Integration bis zur Jobsuche. Im ersten Jahr der Firma, 2001, betreute das SCC fast ausschliesslich Frauen, während es 2012 schon zur Hälfte Männer waren.

Viele kommen aus England, Skandinavien, den USA. Dort sind Geschlechterrollen womöglich nicht so zementiert. Hierzulande jedoch sieht Norval Gough aus Schottland ab und zu hochgezogene Augenbrauen. Dass ihn eine berufstätige Mutter einmal fragte, «Ach, und was tun Sie so den ganzen Tag?», hat ihn geradezu erschüttert. «Schnippe ich etwa mit den Fingern, alles erledigt sich von selbst, und ich relaxe den Rest des Tages? Als Mann hätte ich mich niemals getraut, eine Hausfrau so etwas zu fragen.»

Trotzdem: Wenn von zwei als gleich wichtig eingestuften Karrieren der Beruf der Frau den Vorzug bekommt, dann fragt sich, wie es dem Mann dabei geht. Fallhöhen sind fast schon vorgezeichnet. Ein «Mr. Shev», aus England in die Westschweiz gekommen, beschreibt in einem Blog-Eintrag den Moment der Erkenntnis als frisch erklärter Trailing Spouse aus der Lufthoheit der Selbstironie: «Der wahre Star bei der Einreise war meine Frau, derweil ich als menschliches Handgepäck gecheckt und am Zoll von einem Schäferhund im Schritt beschnüffelt wurde. Ich würde also Rain Man sein für meine Tom-Cruise-Gattin und musste mit leerem Blick mit ansehen, wie meine weltgewandte Frau die Stringtheorie mit den Leuten von der Immigration besprach … auf Französisch.»

Karrierefrau und Hausmann

Da spielt einer mit dem Schmerz des auf Berufserfolg erzogenen Mannes. Aber für Norval Gough, der ganz und gar nicht leeräugig, vielmehr mit umsichtigem Blick durchs Leben geht, war der Weg zum Male Trailing Spouse einfach eine vielversprechende, auch ökonomisch abgewogene Entscheidung. Er war Banker in London, als er Jenny kennen lernte – drei Wochen bevor sie in die Schweiz zog. Danach pendelten die beiden zwei, drei Jahre lang über den Kanal. In die Zeit ihrer Liebe auf Kurzstreckendistanz, in die Neunzigerjahre, fielen auch Personalkürzungen bei Finanzinstituten. Norval wurde Unternehmer in Küchen- und Badsanierungen. «Ziemlich harte Arbeit. Und als mein Business bereit war zu expandieren, wogen Jenny und ich unsere Perspektiven ab: Wir fragten uns, welche Zukunft für uns die beste Option wäre. Jennys Karriere verlief sehr stabil, so entschieden wir uns für die Schweiz als Lebensort.» Als sie heirateten, beschlossen sie auch: Sollten sie Kinder haben, würde Norval daheimbleiben.

Als es so weit war, war es trotzdem eine grosse Umstellung. «Aber eine lohnende», wie Norval versichert. «Vielleicht spiegelt es sich nicht immer so direkt in den Gesichtern der Kinder, aber ich meine, es ist ein Glück, dass immer einer von uns da ist für sie. Es ist toll, dass in der Schweiz vieles darauf ausgerichtet ist.» Das berühmte Mittagessen daheim etwa – die schulisch erzwungene Präsenzzeit am Herd und der Schreck mancher berufstätigen Mutter ohne Hausmann. «Mir ist es sehr leicht gefallen, mich auf meine Kinder und die Hausarbeit einzustellen. Ich sehe aber auch, dass der Rollenwechsel für andere schwieriger ist.»

Das klingt sehr zurückhaltend formuliert. Facebook-Managerin Sheryl Sandberg schreibt zwar von einer Untersuchung, die besagt, dass Paare, die sich die Hausarbeit teilen, mehr Sex hätten. In Wirklichkeit kann man Staubsaugen und Fenster putzen aber auch anstrengend, undankbar und wenig aphrodisisch finden. Was ist mit Stress und Einsamkeit und Depression und, bei aller umwerfenden Liebe zu den Kids, was ist mit dem Anerkennungsentzug? Norval sagt nur: «Doch, deprimierte Männer habe ich schon gesehen.»

The Basel Hausmen

In Basel ist Norval Gough der Gruppe The Basel Hausmen beigetreten – vor zwölf Jahren. «Heute bin ich der Dienstälteste.» Jeden Mittwoch treffen sich dort Männer zum Lunch. Ihre Frauen, viele im mittleren und oberen Management von internationalen Finanzinstituten und Pharmafirmen, haben sie in die Schweiz mitgebracht, für befristete Engagements oder auf unbestimmte Zeit.

Etwa Peter Nielsen aus Dänemark. Ihn beflügelte Abenteuerlust bei seinem Umzug in die Schweiz: «Solche Dinge muss man ausprobieren. Sonst sitzt man mit achtzig da und denkt sich: Hätten wir doch …» Die Söhne waren damals sieben und elf Jahre alt, alles ging sehr bald «sehr leicht», und sein neues Leben als Mann daheim stellte sich für den Zusammenhalt der Familie als «grossartig» heraus. So kommt es, dass seine Frau, Globale Leiterin für Qualitätssicherung im Bereich Arzneimittelzulassung bei Novartis, zwar mehr arbeitet als früher. «Aber wir verbringen plötzlich mehr unbeschwerte Freizeit zusammen.»

Vorbei der «Stress», so Peter, von zwei berufstätigen Eltern, die keine Zeit haben für die Familie. Jetzt machen sogar die Pflichten Spass. «Für mich ist das Novum noch nicht verblasst, an einem Tag in drei verschiedenen Ländern einzukaufen.» Ab und zu begleitet Peter seine Frau auf Berufsreisen, in einem Crashkurs hat er sein Deutsch aufgefrischt, er coacht ehrenamtlich ein Basketballteam. Als «Extrovert» der Familie hat er alle sozialen Kontakte geknüpft, bei den Nachbarn, an der Schule, beim Einkaufen, wo immer er unterwegs ist. «Klar kommt es vor, dass meine Frau aufregende Dinge von ihrem Tag erzählt, und wenn ich drankomme, gehts um Waschmaschinenladungen und derlei. Aber für mich ist Hausarbeit bloss eine Rolle, in die ich schlüpfe.»

Spouse Career Centre

Nach drei Jahren in dieser Rolle schlug ihm seine Frau vor, sich wieder nach einem Job umzusehen. Das Spouse Career Centre, das auch für Novartis Partnersupport unternimmt, engagierte Peter Nielsen gleich als Cultural Trainer. Heute führt er zudem als unabhängiger Berater eine eigene Firma. Beim Wiedereinstieg ins Berufsleben stellte er eine Haushalthilfe ein, da hänselten ihn seine Kinder: «Bist du jetzt etwa ein Hausmann mit einer Putzfrau?» Weniger lustig ist die Erfahrung, dass man ihn wegen seiner Rolle als Male Trailing Spouse im Beruf schon mal nicht ganz ernst nimmt. Einmal war sein Tag gelaufen, als er bei einem Coaching in Oman drei Brasilianern um die fünfzig davon erzählte. Seine Glaubwürdigkeit war dahin, sie hörten ihm nicht mehr zu. «Ich dachte, o well, alte Männer … Aber daheim hörte ich dann von einem 16-Jährigen, er könnte niemals mit einer Frau leben, die mehr verdient als er. Das ist doch merkwürdig, funny, oder?»

Derzeit mit viel handfesteren Dingen beschäftigt ist Jim Nickovich (33), Anwalt aus San Francisco. Jim ist seit ein paar Wochen erst in der Schweiz. Bis vor kurzem führte er noch aufregende Prozesse, bei denen «viel auf dem Spiel stand». Das Leben war angenehm, die Ehe symmetrisch: «Wir verdienten beide gut und waren beruflich gut unterwegs.» Dann bekam Jims Frau das Angebot, für drei Jahre nach Basel zu ziehen. «Die Entscheidung ist uns nicht leicht gefallen. Bleiben wäre besser für meine Karriere gewesen, aber gewonnen hat schliesslich die Gelegenheit für meine Frau.»

Die Anwaltskanzlei unterstützte das Abenteuer, die Verbindung blieb, und Jim hofft, von der Schweiz aus wieder für die Kanzlei arbeiten zu können. Jetzt befindet er sich aber noch in der Umzugsschwebe, sitzt in einer provisorischen Wohnung, verhandelt über Telefonanschlüsse, Banking und mit Krippe und Preschool für die beiden Kinder, ein und drei Jahre alt. «Bemerkenswert, wie lange es geht, bis alles geregelt ist», sagt er. «Es ist eine sehr grosse Veränderung. Aber sie fühlt sich gut an. Vorher hatten wir eine Vollzeitnanny. Jetzt nicht mehr, und ich finde es unbezahlbar, so viel Zeit mit den Kindern zu verbringen.»

Quality Time. Doch wie entkommt man der Beziehungsfalle, im Alltag nur noch finanzielle Sicherheit gegen Sorge um Haus und Kinder aufzurechnen? Wie stellt man es an, dass sich die Kinder wohl fühlen? Dass die Familie funktioniert? Dass die Partnerin den beruflichen Erfolg hat, den sie sich wünscht? Grosse Fragen für Jim und die anderen Male Trailing Spouses. Einst beschäftigten sich ausschliesslich Frauen damit. Am besten sollten sie das unauffällig tun, so wie es sich gehörte, das Abendessen für ihre berufstätigen Männer zuzubereiten: stilvoll und still. Seit sich viele berufstätige Paare Haus- und Kinderaufgaben teilen, ist es um diese Fragen wieder richtig laut geworden.

Wert der Hausarbeit

«Früher hiess es, du taugst nicht in deinem Job, sonst hättest du Karriere gemacht. Heute schätzt man den Wert der Hausarbeit mehr, und zwar als emotionale Stütze: Damit die anderen ihre Karriere vorantreiben können», sagt Hausmann Norval Gough. Auch wenn heute Jungs Kuchen backen und Mädchen Holz schnitzen und beide abwechslungsweise Superman blöd finden, hallen solche Sätze noch eine Weile nach im Ohr einer Frau. Zwar liefern sie nicht gerade Argumente für eine Partnerschaft mit Kindern und zwei Karrieren. Aber sie sagen viel aus über die Wahlfreiheit von Menschen, und zwar egal welchen Geschlechts.

Dass ein Fulltime-Haushaltjob nur auf Zeit angelegt ist, wissen auch die Basler Hausmänner. «Man kann schon den Blues kriegen, wenn einen die Kinder immer weniger brauchen und man keinen Job hat», meint Norval Gough – und hat Pläne. Seit zehn Jahren führt er die Hausmen auf Wanderungen durch die Schweiz.

Dieses Hobby liesse sich ausbauen. «Es macht mir Spass, ich brauche dazu kein Büro, und ich könnte den neu zugezogenen Expats dieses wunderschöne Land zeigen.» Doch erst einmal packt er sein Smartphone wieder ein, er muss los. Jenny, seine Frau, ist heute für zehn Tage nach Südamerika geflogen. Gleich kommt Cameron zum Mittagessen nachhause.

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Der Anwalt aus San Francisco folgte seiner Frau nach Basel und hofft, weiter für seine Kanzlei arbeiten zu können

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Der Däne wurde Hausmann, als seine Frau in die Schweiz versetzt wurde. Nach drei Jahren stieg er wieder in den Beruf als Coach und Berater ein