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Kommentar: Sex, aber bitte getestet!

Liebe & Sex 

Kommentar: Sex, aber bitte getestet!

Lifestyle-Redaktorin Leandra Nef kümmert sich um ihre sexuelle Gesundheit – und muss sich dafür rechtfertigen. Ein Kommentar.

Habt ihr euch schon mal auf eine Geschlechtskrankheit testen lassen? Ich mehrfach. Nicht, dass es mich je gejuckt hätte. Aber ich bin Jungfrau. Und unsere Astro-Fee Alexandra Kruse würde euch sicher bestätigen, dass die per Definition, nun, vernünftig sind.

Mit ersten Tests scheint es wie mit dem ersten Koitus: Sie sind irgendwie unangenehm. Weil meine Krankenkasse mich nicht für promiskuitiv halten sollte, besuchte ich ein anonymes Testzentrum und zahlte die 200 Franken selbst. Glaubt mir: So nah wie in diesem Wartezimmer kam ich einer Geschlechtskrankheit nie wieder.

Beunruhigender fand ich jedoch, dass ich mich rechtfertigen musste für meinen Wunsch, mich testen zu lassen – und mir die Hälfte der Tests wieder ausgeredet wurde: Mein Sexualverhalten sei doch gar nicht so liederlich, diese Infektion betreffe selten Frauen, jene meist nur Homosexuelle.

Klingt mehr nach Achtsamkeit als nach Feigwarzen

Meinen bisherigen Test-Höhepunkt bescherte mir die Frauen-Permanence am Stadelhofen in Zürich. Sie nennen den Test dort STD (Sexually Transmitted Diseases) Screening, was mehr nach Achtsamkeit als nach Feigwarzen klingt. Situationskomik in drei Akten: kurzes Vorgeplänkel über das eigene Liebesleben: glückliche, bald zehnjährige Beziehung, seit einigen Jahren offen; bedeutungsschwangeres Nicken der Gynäkologin.

Dann ein angeregter Schwatz über Stealthing (also die unsägliche Praxis, während des Sex das Kondom heimlich abzustreifen), während sie in meiner Vagina herumhantierte. Und schliesslich lag ich erschöpft auf der Behandlungsliege, um mir Blut abnehmen und mich dafür loben zu lassen, dass ich meine sexuelle Gesundheit so ernst nehme (ebe doch!).

In Zürich sind die Tests gratis – für alle unter 25

Die Journalistin Gülsha Adilji behauptete mal, in Berlin sei alles viel entspannter – «und Geschlechtskrankheiten sind sogar gratis, weil alle in einer offenen Beziehung leben». Nun, in Zürich sind aus ähnlichen Gründen ab Anfang 2023 die Tests gratis – für alle unter 25.

Wie das Gesundheitsdepartement schreibt, zieht Zürich als «offene und tolerante Stadt» junge und sexuell aktive Menschen mit wechselnden Sexualpartner:innen an, weswegen ein Grossteil der schweizweiten Infektionen in der Limmatstadt diagnostiziert wird. 2,6 Millionen soll der Pilot kosten. Verteidigt wird die Summe als «Investition in die Zukunft»: Wer früh regelmässig testet, wird später kaum damit aufhören.

«Warum dafür rechtfertigen? Bei der Dentalhygienikerin lasse ich mir auch einmal pro Jahr ganz selbstverständlich das Zahnfleisch sandstrahlen»

Warum aber muss sich Zürich – warum musste ich mich im Testzentrum – überhaupt dafür rechtfertigen? Bei der Dentalhygienikerin lasse ich mir auch einmal pro Jahr ganz selbstverständlich das Zahnfleisch sandstrahlen. Dabei wäre mir ein bisschen Plaque tatsächlich lieber als ein bisschen Tripper (den ich nicht hatte).

Kommt hinzu, dass sich die wenigsten Männer, mit denen ich geschlafen habe, um Geschlechtskrankheiten zu scheren scheinen, geschweige denn sich je haben testen lassen – was womöglich auch daran liegt, dass sie sich weniger leicht anstecken als Frauen.

Ich musste jedenfalls fast 29-mal um die Sonne kreisen, bevor ich einen Typen datete, der für einmal keinen ungeschützten Oralverkehr initiierte – und nach eigener Aussage auch dann nicht ohne Kondom mit einer Frau schlafen würde, wenn sie ihm einen druckfrischen STD-Test vorwiese. Welch seltene Spezies Mann ich da im urbanen Dickicht geködert hatte? Nein, keine Jungfrau. Einen Arzt.

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