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Kommentar: Ich wünsche mir ein Kind – nur die Frau fehlt

Liebe & Sex 

Kommentar: Ich wünsche mir ein Kind – nur die Frau fehlt

Unser Autor David Torcasso will eine Familie gründen, sucht on- und offline jedoch vergebens nach der künftigen Mutter seines Kindes. Ein Kommentar zum Thema Kinderwunsch ohne passende Partnerin.

Ich sitze am Bullingerplatz, der hippen Achse von Zürich, ein warmer Herbsttag. Kinder, Mütter, Väter, Bugaboos, Wickeltücher, Nuggis – alles in goldenes Licht getaucht. Ein blondes Mädchen schleift laut scheppernd eine Giesskanne an meinem Tisch vorbei. Weiter vorne steht eine Bekannte, wippt mit einem Baby im Arm auf und ab. Als ich das letzte Mal mit ihr geplaudert hatte, war sie noch Single.

Mein Herz sticht bei diesem Anblick. Ähnlich wie bei Liebeskummer. Nicht meine biologische, sondern meine innere Uhr tickt so laut wie nie zuvor. Ich wünsche mir ein Kind. Als Mann, Mitte-/Langsam-Ende-Dreissig. Und zwar so sehr, dass meine Freunde mich aufziehen: «Du hast doch noch Zeit!»

Kinderwunsch in der Generation «beziehungsunfähig»

Mein Kinderwunsch spielt sich vor allem in meinem Kopf ab. Ich hatte schon schlaflose Nächte deswegen. Ich möchte mit einem Kinderwunsch keine Frau vor den Kopf stossen, weil mir natürlich bewusst ist, dass die Ausgangslage total anders ist. Trotzdem fühle ich mich als Mann mit einem Kinderwunsch oft allein.

Ich schwanke zwischen verzerrter Familienidylle und rastloser Generation «beziehungsunfähig». Ich schreie nach radikaler Zärtlichkeit, während mein Rucksack des Lebens immer schwerer wird. Ich idealisiere, ich verzweifle, ich sinnsuche. Eine wertvolle Aufgabe in meinem Leben? Ein Kind als Rettung meiner selbst? Die Krönung des heutigen Hedonismus? Ein Kind für mich oder die Welt?

«Ein Kind bleibt. Fürs ganze Leben»

Ich treffe eine Freundin. Sie erzählt mir, sie sei schwanger. Von einem Mann, den sie vor drei Monaten auf Tinder kennengelernt hat. Ich beneide sie. Sie war mit ihrem Kinderwunsch vielleicht noch radikaler als ich. In einer Welt, in der die Menschen zwar wieder mehr heiraten, aber auch ständig von offenen Beziehungen und Lebensabschnittspartnern reden.

Wer weiss schon, mit wem man in zehn, zwanzig Jahren zusammen sein wird. Ein Kind bleibt. Fürs ganze Leben. Ein befreundetes Paar hat sich entschieden, keine Kinder in die Welt zu setzen. Die Kinderlosigkeit bedeutet für die beiden eine wohltuende Befreiung von den gesellschaftlichen Erwartungen. Diese vermeintliche Erleuchtung hatte ich bisher nicht.

«Ich spüre die Verzweiflung hochkommen, wenn ich mich durch die Dating-Apps klicke»

Ich habe im Internet auch schon nach dem Begriff «Eizellenspende» gegoogelt. Je stärker mein Kinderwunsch drückt, desto weniger greifbar ist er. Ich spüre die Verzweiflung hochkommen, wenn ich mich durch die Dating-Apps klicke, die ich im Grunde so verabscheue. Ich ertappe mich, wie ich die Suchfilter so einstelle, dass die App nur Frauen vorschlägt, die noch im zeugungsfähigen Alter sind. Unfassbar. Dafür schäme ich mich zutiefst.

Wenn ich eine Frau anspreche, ist sie in einer Beziehung oder bereits Mama. Habe ich dann doch mal ein Date, dann quassle ich viel zu schnell von KindernIch ertappe mich in meiner Hilflosigkeit. Mein Gegenüber zieht die Augenbrauen hoch, weil die Gesellschaft das Thema Kinderwunsch anders besetzt. Bei diesem Thema scheint die Rollenverteilung noch immer klassisch angelegt zu sein.

Die künftige Mama meines Kindes fühlt sich übergangen, weil ich mich auf das Ziel und nicht den Weg dahin fokussiere. Und sie als Frau aussen vor lasse, obwohl sie die entscheidende Rolle spielt. Schlussendlich rede ich mir einden Kinderwunsch vom Familienwunsch zu trennen. Ein Kind alleine grosszuziehen, wie ich es von meiner eigenen Kindheit kenne.

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«Wenn ich eine Frau anspreche, ist sie in einer Beziehung oder bereits Mama»

Nicht bei Null anfangen

Manchmal wünsche ich mir, dass sich eine Ex-Freundin oder ehemalige Liaison bei mir meldet. Die auch einen Kinderwunsch hat, aber wie ich bisher nicht den richtigen Partner, nicht die richtige Partnerin gefunden hat, um diesen zu verwirklichen. Eine Frau, mit der ich schon vertraut bin. Wir müssten nicht bei Null anfangen und trügen einander Sorge, nach all dem, was wir bereits zusammen erlebt haben.

Ich stehe in der Hälfte meines Lebens. Ich bin zwar noch nicht zu alt, um ein Kind zu zeugen. Aber irgendwann bin ich zu alt für eine Fraudie noch ein Kind zeugen kann. Doch je mehr ich mich unter Druck setze, desto weniger trage ich zur Erfüllung bei. Kinder können Männern einen ziemlichen Glücksbooster verpassen und Stabilität verleihen – las ich in einer schweizweiten Studie, die dieses Magazin in Auftrag gegeben hatte.

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«Irgendwann bin ich zu alt für eine Frau, die noch ein Kind zeugen kann»

«Mein Kinderwunsch ist stärker als die Realität»

Ich bilde mir einein guter Vater zu sein. Im Gegensatz zu anderen Männern war die Karriere nie mein Lebensinhalt. Ich erachte es als schöne Aufgabe, meinem Kind die Welt zu zeigen, Geschichten vorzulesen und später in der Pubertät beim ersten Herzschmerz zur Seite zu stehen. Aber werde ich auch für mein Kind da sein, wenn es mit einer Grippe zu Hause liegt, wenn es schreit, wenn es mich angreift?

Mein Kinderwunsch ist stärker als die Realität. Weil es wie so oft ein Wunsch nach echter und tiefer Liebe ist. Oder wie der französische Schriftsteller Frédéric Beigbeder in seinem neuesten Buch schreibt: «Kinder zu haben hilft einem Mann, seinen Nihilismus abzulegen.» Die Vaterschaft ermögliche es Männern, endlich genau zu erfassen, was Liebe bedeutet, schreibt das «Enfant terrible» der Pariser Literaturszene. Der Wunschdie Liebe eines Kindes zu erfahren, als Erlösung der ständigen Suche.

«Eine Psychologin sagte mir einmal, ich idealisiere»

Alles Quatsch, sagt das befreundete Paar ohne Kinderwunsch. Menschen in einer Beziehung seien heute wirklich und wahrhaftig ineinander verliebt, und es gehe nicht mehr darum, «zusammenzubleiben, um zu überleben». Sie hätten nicht das Bedürfnis, Kinder zu bekommen, weil die Liebe, die sie vom Partner erhalten, tief und erfüllend genug sei.

Eine Psychologin sagte mir einmal, ich idealisiere und mein starker Kinderwunsch entspringe meiner eigenen Vergangenheit; Einzelkind, alleine mit der Mutter aufgewachsen. Jetzt, in meiner Torschlusspanik, scheine die Mama meines künftigen Kindes jedoch gänzlich ausgeblendet zu sein.

Auch meine Freunde ermahnen mich. Mein Kinderwunsch sei Projektion, aber der Alltag mit Kindern harte Realität: Es bringe dich an den Rand des Wahnsinns. Komme es zur Trennung, habe man das Gefühl, man schaue gemeinsam für das Kind, aber eigentlich schaue jeder dann nur noch für sich.

Und: Ein Kind sei nie die Lösung für die eigene Unstetigkeit. «Es geht bei einem Kind – vielleicht zum ersten Mal im Leben – nicht nur um dich selbst», sagte mir neulich eine Bekannte mit einer achtjährigen Tochter. Es ist wohl genau das, wonach ich mich sehne.

 

Dieser Artikel ist erstmalig im November 2022 erschienen.

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Claudia

Danke für diesen Text. Man spürt beim Lesen seinen Vorwurf an sich: mein Kinderwunsch ist egoistisch. Ich finde, sein Wunsch darf da sein und ist auch ok, so reflektiert wie er ist. Ich wünsche ihm, dass er bald die Mutter seiner Kinder findet!

Christine

Vielen Dank für die offenen Worte. Ich kann das sehr gut nachvollziehen. Der Kinderwunsch ist für mich beziehungs- und geschlechtsunabhängig. Leider ist es für Männer nur so viel schwieriger in sich zu erfüllen, wenn man nicht in einer Beziehung ist, als für Frauen.
Und abgesehen davon wäre der Kinderwunsch, soweit es tatsächlich egoistisch ist, sich Kinder zu wünschen, – auch bei Paaren “egoistisch”.
Viel Erfolg bei der Erfüllung des Kinderwunsches.

Lucy

Ich wünsche dem Autor alles Liebe und, dass sein Wunsch in Erfüllung geht

SMBC

Was hat der Autor nur gegen Frauen, die bereits Kinder haben? Die sind danach nicht per se unfruchtbar. Schade, dass er so engstirnig diesbezüglich ist. Ansonsten: guter Text.

Frédéric

Danke lieber Autor! Du sprichst mir echt aus der Seele. Bisher hatte ich immer den Eindruck alleine mit dieser Gefühlslage zu sein. Es beruhigt mich sehr, dass andere Männer auch so fühlen. Ich empfinde es schwer darüber zu sprechen… ich begegne dann oft Unverständnis über diese Gefühle… deswegen spreche ich es kaum noch an.
“Du bist ja ein Mann, du hast doch Zeit”. “Du kannst im Alter immer noch Kinder zeugen, aber als Frau geht es irgendwann einfach nicht mehr”. Ich fühle mich dann, als ob ich verbotene, unbegründete, ungerechte oder gar böse Gedanken hätte.

Ich ertappe mich mittlerweile öfters dabei, wie ich schon mit Ende 30 mit der ganzen Situation abschliessen möchte,… also auf meinen Wunsch nach Frau und Kind (Familie) verzichten möchte… nur um endlich meine innere Ruhe und hoffentlichen etwas inneren Frieden zu finden. Eigentlich Paradox einen Herzenswunsch aufzugeben zu wollen, nur um dem Herz wieder Ruhe zu bringen.

Sicherlich idealisiere ich das Vater sein auch ein Stück weit … ich sehe es ja an der Realität in meiner Familie und im Freundeskreis, wie schwierig die Aufgabe “Familie” sein kann. Nichtsdestotrotz sehe ich auch die Bedingungslose Liebe und das damit verbundene Glück.

Vielleicht ist es auch egoistich von mir, so zu denken,… ein Kind in diese zerüttete Welt setzen zu wollen, nur für das eigene Glück… ich kann mich aber gegen diesen Wunsch (noch) nicht wehren.

Ostap

Lieber Frederic,

dieser Wunsch den du hast ist absolut nicht egoistisch. Diesen Wunsch hat Gott dir gegeben. Ich weiß, du wirst mich für verrückt halten, unsere moderne Welt will von so etwas nichts wissen.
Ich hoffe, dass du bald eine vernünftige Frau findest und eine Familie gründen kannst. Vll. mit ein wenig Glück, schaffst du es auch noch in deinen Alltag Platz für die Beziehung mit Gott zu finden. Er ist dein himmlischer Vater, der dir gerne begegnen möchte und schon so lange wartet. Mit einer viel stärkeren Sehnsucht, als die deine nach einem Kind.
Diese Welt ist zerrüttet. Das hast du treffend beschrieben. Und dennoch gibt es Hoffnung.
Ich hoffe das Beste für dich. Mögest du dich mehr auf dein Herz besinnen und aufmerksam auf das hören, das was im Verborgenen ist. Und weniger auf das Hören, was alle anderen in dieser Welt sagen.

Jodie

Schade, dass der Autor sich keine Gebärmutter einsetzen und seinen Wunsch erfüllen kann. Denn das ist das einzige, was er von einr Frau benötigt: eine Gebärmutter. In seinem Artikel geht es um Kind, Kind, Kind, während die Frau, die ihm das Kind gebären soll, irgendwie auf den Status einer willigen Zuchtstute degradiert zu sein scheint. Sollte sie seinen Wunsch erfüllen, wird sie kaum mehr Individualität haben als die einer Gebärmaschine mit Hütefunktion. Liebe wird er nur für sein eigen Fleisch und Blut empfinden.

Sina

Ich kenne Torschlusspanik selber und kann dem Autor gut nachempfinden. Toll, dass er das Thema so offen anspricht.
Zwischen den Zeilen lese ich eine Person, die offenbar unfähig scheint, eine Beziehung einzugehen. Von der Liebe zur Mutter seines zukünftigen Kindes ist keine Rede. Er sucht die Frau nur, um ein Kind haben zu können. Er müsste auf einer Plattform suchen, wo die Leute nicht nach Liebe suchen, sondern wo es einfach darum geht, gemeinsam ein Kind zu zeugen. Das ist nicht falsch. Es ist nur eine andere Herangehensweise.
Falls er sich doch auch nach der Geborgenheit einer Familie sehnt (was ich denke, dass er das trotzdem tut, auch wenn das im Text nicht zu erkennen ist), wünsche ich dem Autor, dass er einen guten Psychologen findet, der ihm hilft, sein Problem, das er in Bezug auf Beziehung zu einer Frau ganz offensichtlich hat, zu lösen. Die Psychologin, die ihm sagt, dass er idealisiere ist natürlich keine grosse Hilfe und scheint sein tiefer liegendes Problem nicht erkannt zu haben.

Franzi

Warum kein Co-Parenting? Das wäre doch ideal in dem Fall