Liebe & Sex
Die Sexfrage: Wie beendet man Sexlosigkeit in einer Beziehung?
- Text: Bettina Disler
- Bild: Stocksy; Collage: annabelle
Alle zwei Wochen beantwortet Paar- und Sexualtherapeutin Bettina Disler eine Frage zum Thema Liebe oder Sex. Heute geht es darum, wie in einer Beziehung wieder Lust aufeinander entstehen kann.
Mein erster Gedanke zu dieser Frage: Man kann nicht etwas beenden, was nicht da ist. Wenn Paare den Fokus ausschliesslich darauf richten, was sie nicht (mehr) wollen, tappen sie ewig im Dunkeln. Licht am anderen Ende des Tunnels bringt jedoch die Auseinandersetzung damit, was die Beteiligten stattdessen wollen.
Sexlosigkeit bedeutet entweder, dass die Sexualpartnerschaft definitiv gestorben ist – oder aber, dass sie sich im Tiefschlaf befindet. Sie ist dann tot, wenn die Partner:innen kein Interesse mehr daran haben, eine gemeinsame Sexualität zu erleben. Der weltbekannte Paartherapeut David Schnarch sagt, es gehe in einer sexuellen Begegnung um das «Wanting To Want», also darum, sich sein Gegenüber nehmen zu wollen. Wenn aber beide – oder auch nur eine Partei – nichts wollen, dann gibt es in diesem Bereich auch nichts mehr untereinander zu verhandeln.
Geht es jedoch darum, gemeinsam die eingeschlafene Sexualpartnerschaft zu wecken, lohnt es sich, in einem ersten Schritt den Blick auf deren Entwicklung zu werfen. Was hatte sie für einen Start? Ging es steil bergauf oder eher bald mal bergab? Ab wann fing sie an, müde zu werden? An welchem Zeitpunkt ist sie eingeschlafen und seit wann befindet sie sich im Tiefschlaf?
Indem man die persönliche Geschichte der Sexualpartnerschaft rekonstruiert, setzt man parallel dazu seine eigene sexuelle Biografie in den Kontext: Was ist mein Beitrag an dieser Geschichte? Und was möchte ich von nun an anders machen? Ganz im Sinne von «Research is Me-Search» setzt man sich dabei mit den eigenen Bedürfnissen auseinander und schärft sein Bewusstsein als sexuelles Wesen.
«Es geht dabei darum, Verantwortung für seine Wünsche zu übernehmen und diese dem Gegenüber zu kommunizieren»
Die Beziehung, beziehungsweise das «Wir», ist immer passiv. Wenn die Beziehung kein Sexleben hat, dann wird sich daran auch nichts ändern. Erst wenn die einzelnen Beteiligten sich mit ihrer Sexualität befassen und herausfinden, was sie in einer Sexualpartnerschaft wollen, können sie Position beziehen und mit ihrem Gegenüber in Verhandlung treten. Die Sexualwissenschaftlerin Peggy Kleinplatz geht noch weiter als David Schnarch: Es geht ihr nicht nur um das Wollen im Generellen, sondern um den «Sex Worth Wanting». Zu welchem Sex sage ich Ja? Und was kann ich dafür tun, damit ich diesen erlebe?
Wie lebendig sich die Sexualpartnerschaft in einer Beziehung entwickelt, hängt also vom jeweiligen Gestaltungswillen der Partner:innen ab. Es geht dabei darum, Verantwortung für seine Wünsche zu übernehmen und diese dem Gegenüber zu kommunizieren. Das braucht Mut. Im Englischen setzt sich das Wort Verantwortung aus «Response» (Antwort) und «Ability» (Fähigkeit) zusammen. Also fähig sein, jeweils auf die Situation zu antworten.
Wir sind verantwortlich für die Dinge, die wir tun, aber eben auch für die Dinge, die wir nicht tun. Gibt es keine Antworten, passiert folglich nichts. Will man aber eine lebendige Sexualpartnerschaft, kommt man nicht drum herum, für sich die Frage «Worauf habe ich Lust?» zu beantworten, um dann mit dem Gegenüber in Aktion zu treten.
Bettina Disler arbeitet in ihrer Praxis in Zürich als Paar- sowie Sexualberaterin und ist Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung. Sie hat ein eigenes Modell entwickelt, mit dessen Hilfe sich Bewegung in festgefahrene Beziehungen bringen lässt. 2019 hat Disler beim Klett-Cotta Verlag ein Fachbuch zu den Themen Lustlosigkeit, Entfremdung und Affären veröffentlicht.