Liebe & Sex
Die Sexfrage: Haben Sexträume eine Bedeutung?
- Text: Bettina Disler
- Bild: Stocksy; Collage: annabelle
Alle zwei Wochen beantwortet Paar- und Sexualtherapeutin Bettina Disler eine Frage zum Thema Liebe oder Sex. Heute geht es darum, was Sex in unseren Träumen bedeutet.
Sexträume passieren. In den unmöglichsten Momenten, mit den unvorstellbarsten Personen und in allen nur erdenklichen Varianten. Viele staunen oder lachen darüber. Einige sind total davon angetan und geniessen es, in einen nicht selbst kontrollierbaren Film hineingezogen zu werden. Wiederum andere erschrecken und fragen sich: «Stimmt etwas nicht mit mir? Was hat das bloss zu bedeuten, wenn ich einen Sextraum habe?»
Als systemische Therapeutin analysiere ich weder die Handlung im Traum, noch schliesse ich dann auf die Psyche der Person. Wenn also jemand zu mir in die Praxis kommt und die Bedeutung eines Sextraums wissen möchte, frage ich die Person zuerst, was das Ereignis in ihr ausgelöst hat, was genau sie daran beschäftigt und vor allem welches Ziel sie bei mir in der Beratung erreichen möchte.
Bedeutend mehr kann ich über das bewusste Träumen von Sex, also über sexuelle Fantasien erzählen. Immer wieder berichten mir Klient:innen, dass sie sich für ihre erotischen Vorstellungen schämen und sich fragen: «Bin ich normal? Wenn ich mich selbst befriedige, stelle ich mir immer wieder eine sexuelle Handlung vor, die ich – wenn ich genauer darüber nachdenke – in der Realität so nie wollen würde!»
«Man begibt sich auf eine Reise, konstruiert Geschichten und besetzt die Rollen genau so, wie es sexuell erregend ist»
Und genau hier liegt das Spannungsfeld: Fantasie ist nicht gleich Realität. Diese Unterscheidung zu machen, ist die Voraussetzung dafür, seiner Kreativität freien Lauf zu lassen. Dafür muss man verstehen, dass in der Vorstellung alles möglich sein darf, dass man hier anders Regie führt als im Alltag. Man begibt sich auf eine Reise, konstruiert Geschichten und besetzt die Rollen genau so, wie es für einen sexuell erregend ist. In vielen Fällen wird erotische Spannung im Überwinden von Ambivalenz aufgebaut: Indem man sich einer Vorstellung hingibt, die einerseits erotisch, aber gleichzeitig auch furchterregend ist. Daher kommt es, dass beispielsweise die Fantasie, von jemandem dominiert zu werden, oder die Fantasie, dass die Partner:innen Sex mit jemand anderem haben, zu den weitverbreitetsten Sexfantasien gehören.
Es gibt aber auch Fantasien, die sich im Verlaufe der Zeit in Wünsche verwandeln und diese will man verständlicherweise auch in die Realität umsetzen. Ob sie dann so spannend sein werden wie in der Vorstellung, bleibt jedoch offen.
Wenn man sich mit der Bedeutung auseinandersetzen will, heisst das, man schaut hinter die Fantasie. Mit dem Ziel, sie verstehen zu wollen und mit der gleichzeitigen Gefahr, sie damit unwirksam zu machen. Es ist daher wichtig, sich zuerst diese Frage zu stellen: Will ich wirklich etwas, das gut funktioniert – nämlich mich zu erregen – aufs Spiel setzen, indem ich es bis ins kleinste Detail seziere und somit entzaubere? Dieses Vorgehen ist nur dann empfehlenswert, wenn man eine sexuelle Fantasie unbedingt loswerden will.
Schaut man hingegen auf – statt hinter – seine Fantasien, kann man nicht nur vieles über sein persönliches Erregungsmuster, sondern vor allem auch spannende Erkenntnisse über sein eigenes sexuelles Skript gewinnen. Dieses Wissen ermöglicht, spielerisch seinen sexuellen Horizont zu erweitern und immer wieder von Neuem in eine Welt voller Überraschungen einzutauchen.