Familie
Krankenkasse bezahlt künstliche Befruchtung – die Verantwortung bleibt bei der Frau
- Text: Céline Geneviève Sallustio
- Bild: GettyImages
Sanitas bietet als erste Schweizer Krankenkasse eine Versicherung an, die Frauen mit einem unerfüllten Kinderwunsch finanziell unterstützt. Doch: Wo bleiben die Männer in der Diskussion um die Unfruchtbarkeit?
Frauen bekommen immer später Kinder: Vor 50 Jahren wurden Frauen durchschnittlich vor dem 25. Lebensjahr schwanger. Heute sind knapp 40 Prozent der Frauen bei ihrer Erstgeburt zwischen 30 und 35 Jahre alt. Jede Dritte Gebärdende ist mittlerweile älter als 35 Jahre. Dieser gesellschaftliche Wandel hat nicht zuletzt mit den veränderten Ausbildungs- und Karrieremöglichkeiten der Frau zu tun. Wer sich erst später im Leben mit dem Familienthema befasst, muss mit möglichen Risiken rechnen: Die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen natürlichen Befruchtung liegt bei 35- bis 40-Jährigen noch bei ungefähr fünf Prozent. Infertilität nennt sich das Unvermögen, ein Kind zu zeugen oder zur empfangen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ergänzt diese Definition zusätzlich, indem sie von Unfruchtbarkeit spricht, wenn bei einem Paar mit regelmässig ungeschütztem Geschlechtsverkehr innerhalb von zwölf Monaten eine Schwangerschaft ausbleibt. So bleibt jedes sechste Schweizer Paar ungewollt kinderlos.
Hier bietet die Krankenversicherung Sanitas eine Zusatzversicherung, die die hohen Kosten der Kinderwunschbehandlungen decken. So Franziska König, Leiterin Angebotsmanagement Sanitas: «Frauen sollten für Kinderwunschbehandlungen genauso selbstverständlich eine Versicherung abschliessen können, wie beispielsweise für Zahnbehandlungen.» Aus der Grundversicherung sind Behandlungen für eine künstliche Befruchtung nur spärlich gedeckt. Maximal drei reproduktionsmedizinische Versuche im Mutterleib werden übernommen. Die Zusatzversicherung «Kinderwunsch» finanziert zwei zusätzliche solche Behandlungen. Zudem werden die Kosten für eine künstliche Befruchtung bis zu 75 Prozent übernommen. Abschliessen können die Zusatzversicherung Frauen im Alter von 18 bis 35 Jahre. Mit dem vollendeten 44. Altersjahr erlischt die Versicherung. Die monatlichen Prämien belaufen sich auf 14 Franken für unter 25-Jährige und bis zu 200 Franken für über 40-Jährige.
Das Versicherungspacket enthält ausserdem einen Fruchtbarkeitstracker von Ava. Dieser soll den Kundinnen helfen ihre fruchtbaren Tage genau zu bestimmen. Mitgründerin der Applikation und CEO der Ava AG ist die Schweizerin Lea von Bidder. Sie weist auf die Bedeutung um das Bewusstsein des eigenen Menstruationszykluses hin: «Das Wissen über den eigenen Zyklus kann die Chance auf eine Schwangerschaft verdoppeln.» Die bisherigen Erfolge einer assistierten Reproduktion sind ohnehin vielversprechend: Über 80 Prozent der Frauen unter 38 Jahren, bei denen eine Kinderwunschbehandlung durchgeführt wurde, gebären ein Kind. In der Schweiz kommt bereits jedes vierzigste Kind infolge einer künstlichen Befruchtung zur Welt.
Aus medizinischer Perspektive trägt die Lancierung dieser Versicherung zum Bewusstsein einer möglichen Unfruchtbarkeit von jungen Frauen bei. Doch Infertilität ist auch bei Männern ein Thema: Rund ein Drittel der Männer sind unfruchtbar. In der Schweiz erreichen nur knapp 40 Prozent der Männer die von der WHO definierten Normwerte. Professor Christian de Geyter ist Chefarzt an der Universitäts-Frauenklinik Basel. Er sagt: «Wir behandeln nicht nur unfruchtbare Frauen, sondern auch Männer.» Seine männlichen Patienten können sich jedoch nicht für einen solchen medizinischen Untersuch versichern lassen. Die Verantwortung rund ums Sujet Fortpflanzung scheint noch immer Frauensache zu sein.