Kosmetik-Weltreise: So prägten verschiedene Länder die Beauty-Welt
- Text: Niklaus Müller, Nina Mäder
- Bild: Stocksy
Was gilt in Japan als schön? Wo wurde die Dauerwelle erfunden? Wir nehmen euch auf eine Weltreise in Sachen Kosmetik mit.
Deutschland
Das Land der Denker und Dichter gilt nicht unbedingt als Beauty-Hotspot. Trotzdem hat unser nördlicher Nachbar immer wieder Erstaunliches in der Kosmetik geleistet. So entstand bereits 1709 das erste Eau de Cologne, wie der Name es sagt, in Köln. Johann Maria Farina, ein italienischer Auswanderer, kreierte den Duft, der in kurzer Zeit ganz Europa eroberte.
Zweihundert Jahre später erfand ein Deutscher, Karl Ludwig Nessler, die Dauerwelle, und in Hamburg gelang es dem Chemiker Isaac Lifschütz dank seiner Erfindung Eucerit erstmals, Öle und Wasser stabil zu vermischen – die Nivea-Crème war geboren!
Zuvor, 1878, erfand der Opernsänger und Chemiker Ludwig Leichner die erste bleifreie Schminke. In den späten 1970er-Jahren lösten Modeschöpfer:innen wie Jil Sander, Wolfgang Joop oder das Modelabel Escada mit ihren Düften weltweite Begeisterung aus.
Heute überzeugt Deutschland mit sogenannten Doktorbrands in Sachen Hautpflege. Ärzt:innen wie Augustinus Bader, Barbara Sturm, Timm Golueke (Royal Fern), Volker Steinkraus oder Miriam Rehbein (Doctor Mi) haben ihre eigenen Kosmetiklinien, die auch international immer bekannter werden.
Ausserdem schiessen Beauty-Start-ups wie Kess, Gitti, Und Gretel oder Nui aus dem Boden, die auf biologische oder vegane Inhalte setzen und eine nachhaltige Produktion verfolgen.
Frankreich
Frankreich gilt seit jeher als das Land der Kosmetik. Parfums, Maquillage, Haut- und Haarpflege made in France waren immer begehrt. Kein Wunder, dass die grösste Kosmetikfirma der Welt, L’Oréal, in Frankreich beheimatet ist. Wie in England gab auch hier jahrhundertelang der Adel in der Schönheitspflege den Ton an. Nicht erst seit Louis XIV. wurde parfümiert, geschminkt und auf immer extremere Perücken gesetzt.
Nur folgerichtig also, dass Frankreich, genauer gesagt Grasse, die Hochburg der Parfumindustrie ist. Firmen wie Guerlain, Houbigant oder Lubin bezogen aus der südfranzösischen Stadt ihre Rohstoffe und verkauften ihre Düfte in Paris. Bald entdeckten auch die Modeschöpfer:innen die Parfums.
Anfang des 20. Jahrhunderts gehörte es zum guten Ton, als Modehaus auch einen eigenen Duft zu liefern. Chanel, Lanvin oder Worth machten den Anfang. Später kamen Make-up und Hautpflege dazu. Ein riesiges Geschäft, das vielen als Modehäuser gegründeten Traditionsmarken das Überleben sicherte.
Auch die Haut- und Haarpflege sind in Frankreich wichtige Wirtschaftszweige. Marken wie Vichy, Avène oder La Roche-Posay entwickelten Produkte, die ausschliesslich für den Verkauf in Apotheken bestimmt sind.
Heute prägen vor allem grosse Konzerne die französische Kosmetikwelt. Es bleibt zu hoffen, dass sich auch neue, kleine Marken wieder vermehrt durchsetzen und der Grande Nation neue kosmetische Impulse geben können.
Grossbritannien
Bereits Königin Elisabeth I. trug jede Menge Make-up. Böse Zungen sagen sogar, sie sei wegen der dicken Schicht an bleihaltigem Make-up und dem mit Quecksilber versetzten Lippenstift frühzeitig verstorben. Aber die Gerüchte taten der Vorliebe der Britinnen für Make-up keinen Abbruch. Besonders der Adel liebte es, sich kosmetisch zu verschönern.
Auch Düfte waren immer beliebt: Firmen wie Floris, Penhaligon’s, Creed oder Yardley stellen seit Jahrhunderten Düfte her, die inzwischen als Klassiker gelten.
Aber die grosse Zeit der Kosmetik waren die 1960er-Jahre: Swinging London löste auch eine Revolution in Sachen Beauty aus. Mary Quant, Gala of London oder Rimmel beeinflussten mit ihren Make-up-Looks die ganze Welt.
Zur selben Zeit revolutionierte Vidal Sassoon die Coiffeur-Welt. Präzise Schnitte und das Haaretrocknen mit dem Föhn erlaubten ganz neue Frisuren. Plötzlich war der Haarschnitt wichtiger als das Styling. Dementsprechend änderten sich auch die Haarprodukte. Ob Charles Worthington, Lee Stafford oder Toni & Guy – heute gibt es kaum britische Hairstylist:innen ohne eigene Produktelinie.
Und viele dieser Linien werden von einem weiteren britischen Phänomen hergestellt: Boots! Seit 1888 beherrscht die ehemalige Pharmazie-Firma den britischen Markt und ist inzwischen mit Drogerie-Geschäften und eigenen Kosmetiklinien absoluter Marktleader.
Erst in den vergangenen Jahren haben es neue Marken wie Charlotte Tillbury oder Pat McGrath, deren Gründerinnen Visagistinnen sind, oder Trinny geschafft, dem Vereinigten Königreich ein neues Beauty-Bewusstsein zu vermitteln.
USA
Als relativ junges Land wurde die USA von seinen Immigrant:innen geprägt. Frauen aus verschiedenen Ländern brachten ihre eigenen Beauty-Rituale mit, doch auch bei den Schönheitsidealen setzte sich die weisse Oberschicht durch.
Durch die Industrialisierung erfuhr die Kosmetikindustrie Ende des 19. Jahrhunderts eine zaghafte Demokratisierung, sodass sich auch Frauen mit eigenen Kosmetikfirmen etablieren konnten. Elizabeth Arden, Helena Rubinstein, Harriet Hubbard Ayer oder Estée Lauder und auch die Afroamerikanerin C. J. Walker bauten eigenständig ihre Unternehmen auf und waren erfolgreich.
Das amerikanische Kosmetikverständnis hatte immer etwas sehr Pragmatisches: Man wollte zwar Traumwelten verkaufen, aber eben auch sichtbare Wirkung und Resultate. Ab 1920 entwickelte sich dank der Filmindustrie in Hollywood ein grosser Make-up- Markt; Filmstars wurden zu Vorbildern und machten Make-up gesellschaftsfähig.
In den USA wurden ausserdem Parfums entwickelt wie White Shoulders, Blue Grass oder Youth Dew, die keinen Bezug mehr zu Frankreich haben mussten, um als elegant zu gelten.
In jüngerer Zeit war das Land Ursprung mehrerer Make-up- und Hautpflege-Trends: Einerseits brachten viele Prominente eigene Linien auf den Markt, andererseits wuchs die Zahl an ethnisch diversifizierten Kosmetiklinien, die oft von Afroamerikaner:innen gegründet worden sind. Und auch der Wunsch nach Naturkosmetik ist in den USA enorm gestiegen.
Südkorea
Die Geschichte Koreas wurde über Jahrhunderte von seinen mächtigen Nachbarn China und Japan geprägt. Auch die Schönheitsideale des Landes wurden durch diese zwei Länder beeinflusst: rote Lippen, weisse Haut und schwarzes Haar – die Idee, dass in einem schönen Körper auch eine schöne Seele wohnt, war in Korea immer sehr präsent, und so entwickelte das ostasiatische Land schon früh eigene Hautpflege- und Make-up-Produkte.
Vor etwa 25 Jahren setzte in Südkorea ein Kosmetik-Boom ein, der seinesgleichen sucht. K-Beauty zeichnet sich durch aufwendige Hautpflege aus, die auch mal zehn oder mehr Schritte umfassen kann. Trends wie BB-Creams, Tuchmasken, Geltexturen oder Masken, die über Nacht verwendet werden, machten Südkorea zum neuen Kosmetik-Mekka. Innerhalb weniger Jahre wurde das Land zu einem wichtigen Kosmetikhersteller und Trendsetter für Schönheitspflege.
Formulierungen, die Natur mit Hightech verbinden, gelten als zukunftsweisend und visionär. Auch heute ist die kosmetische Innovationskraft des Landes ungebrochen, und immer mehr K-Beauty-Produkte finden ihren Weg auch nach Europa.
Japan
Im Land der aufgehenden Sonne haben Hautpflege und Make-up eine lange Tradition. Bereits um 700 n. Chr. verwendeten Japanerinnen weissen Puder, um ihre Haut zu schminken. Sie betonten die Lippen mit rotem Lippenstift und schminkten Augenbrauen und Zähne (!) schwarz. Somit waren die Farben Rot, Schwarz und Weiss bestimmend fürs Make-up, was sich Jahrhunderte später noch immer im Schönheitsideal der Geisha widerspiegelte.
Auch die Hautpflege wurde immer wichtiger. Um die starke Schminke zu entfernen, verwendete man Produkte, die aus einheimischen Pflanzen hergestellt wurden.
Wie beim Schminken entwickelten sich auch bei der Hautpflege ausgeprägte Rituale. Bis Ende des 19. Jahrhunderts entzog sich Japan dem Einfluss der westlichen Welt und kultivierte seine eigenen Schönheitsideale. Dadurch entwickelte sich eine starke heimische Beauty-Industrie mit Firmen wie Shiseido, Kanebo, Kao oder Kosé. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg öffnete sich Japan dem Westen; die eigenen Kosmetikfirmen blieben aber weiterhin tonangebend.
Heute besteht das gängige tägliche Pflegeritual aus Doppelreinigung, Essenz, Serum, Moisturizer und Sonnenschutz, denn weisse Haut gilt nach wie vor als Ideal. Das Kosmetikverständnis der Japaner:innen ist eher traditionell und wurde erst vor einigen Jahren durch die südkoreanischen Nachbarn aus dem Dornröschenschlaf geweckt.