Body & Soul
Kolumne «Beauty Doc»: Was ihr über Brustvergrösserungen wissen müsst
- Text: Natasha Forster
- Bild: Stocksy; Collage: annabelle
Brüste werden seit der Antike vergrössert, und doch brachte erst die zufällige Entdeckung des Silikons die Revolution. Unser Beauty Doc erklärt die Entwicklung der beliebten und zugleich verpönten Brust-OPs.
Ach, die Brustvergrösserung: Der wohl am häufigsten durchgeführte und zugleich meist verpönte plastisch-chirurgische Eingriff! Über den Sinn oder Unsinn dieser Operation kann man endlos diskutieren, aber Fakt ist: Viele Frauen wollen grössere Brüste, und das nicht erst seit «Baywatch». Wir wissen von Wandmalereien und archaischen Schriften, dass schon die alten Ägypter:innen 1600 vor Christus mit Brustvergrösserungen und Techniken für Brustrekonstruktionen experimentierten.
Den ersten gut dokumentierten Fall einer Brustvergrösserung finden wir aber erst 1894. Ein deutscher Arzt namens Czerny transplantierte einer Frau mit Brustasymmetrie ein Fettgeschwulst (Lipom) vom unteren Rücken in die Brust. Der Erfolg war aber sehr kurzlebig, da sich das Lipom innerhalb von Wochen verflüssigte. Als Standardverfahren taugte diese Technik ohnehin nicht, weil ja kaum jede Frau, die grössere Brüste will, mit zwei Reserve-Lipomen ausgestattet ist.
So suchte Czerny nach anderen Füllmaterialien und stiess auf Paraffin. Erste Tests damit wurden an einem Mann durchgeführt, der seine etwas klein geratenen Hodensäcke aufspritzen lassen wollte. Die initiale Begeisterung war gross. Bald jedoch zeigte sich ein absolutes Gruselkabinett an Komplikationen, die nicht selten mit einem kompletten Verlust der Brust oder eben des Hodensacks endeten.
Doch die Experimentierfreudigkeit blieb, und – noch viel erstaunlicher – freiwillige Versuchskaninchen traten weiter an. Kaum ein Rohstoff wurde nicht als Füllmaterial getestet: Elfenbein, Glaskugeln, Pflanzenöl, Bienenwachs, Schellack, Gummi, Ochsenknorpel, Schwämme, Geissenmilch und Teflon sind nur ein paar Beispiele unter vielen.
Während des Zweiten Weltkriegs gelang der nächste Schritt. Eigentlich an einem synthetischen Nebel tüftelnd, mit dem Städte umhüllt und so getarnt werden konnten, machte ein deutscher Chemiker zufällig eine revolutionäre Entdeckung: Anstatt Nebel produzierte er eine zähe, formbare Masse. Er nannte sie Silikon.
Was zunächst eine grosse Enttäuschung war, erwies sich rasch als unheimlich vielseitig einsetzbares Produkt und es ging nicht lang, bis die ersten A-Körbchen damit behandelt wurden – leider auch wieder mit teils desaströsen Resultaten. Und dann kam endlich die Wende. Und zwar mit der Erkenntnis, dass das Problem nicht das Silikon per se war, sondern die Technik, das Produkt diffus ins Brustgewebe zu spritzen.
«Die Ära der Brustimplantate war eingeläutet und seither hat sich einiges getan»
So präsentierten 1963 die zwei amerikanischen plastischen Chirurgen Thomas Cronin und Frank Gerow an einem internationalen Kongress stolz die Resultate der ersten Brustvergrösserung mit einem silikongefüllten Kissen. Der Legende nach kam Cronin die Idee dafür, als er in der Klinik mit einem Blutkonservenbeutel spielte und bemerkte, dass dieser sich «wie eine Brust anfühlte».
Über diese Analogie lässt sich streiten, aber die Ära der Brustimplantate war damit eingeläutet. Seither hat sich einiges getan. Die Konsistenz des Silikons im Implantat wurde zu einem gummibärchenartigen Gel optimiert. Die Implantathüllen (ebenfalls aus Silikon) werden mittlerweile mittels Nanotechnologie exakt hergestellt und man kann aus verschiedensten Formen und Grössen – vom Porno-Barbie-Modell bis zum gutbürgerlichen «kleinen C» – auswählen.
Bis zum nächsten Heureka-Moment, wenn wir Brüste auf Bestellung aus eigenem Gewebe züchten lassen können, wird das Silikon wohl noch ein Weilchen die Stellung halten. Übrigens: Timmie Jean Lindsey, die Frau, die im Jahr 1962 die allerersten Implantate erhalten hat, lebt heute noch – mit den nun über fünfzigjährigen Brustimplantaten.
Natasha Forster (43) ist Fachärztin für plastische, rekonstruktive und ästhetische Chirurgie. Sie führt die Klinik Swisspark in Zürich und ist Belegs- und Konsiliarärztin an diversen öffentlichen Spitälern.