Werbung
Kinderbuchklassiker: Tomte Tummetott von Astrid Lindgren (1960)

Kinderbuchklassiker: Tomte Tummetott von Astrid Lindgren (1960)

  • Text: Sandra Weber; Kommentar: Christine Tresch und Barbara Jakob

«Die Mumins», «Struwwelpeter» oder «Tomte Tummetott» – Bücher, die nicht nur unsere Kindheit, sondern schon die unserer Eltern begleitet haben. Und sich nach wie vor weltweit grosser Beliebtheit erfreuen. Was macht diese Geschichten eigentlich so besonders? Und eignen sie sich tatsächlich auch noch für die heutigen Kinder?

Gemeinsam mit unseren Expertinnen, Barbara Jakob und Christine Tresch vom Schweizerischen Institut für Kinder- und Jugendmedien, werden wir die Meilensteine der Kinderliteratur unter die Lupe nehmen und auch erklären, warum sie zu Klassikern wurden.


«Tomte Tummetott» von Astrid Lindgren (1960)

Um was geht es?
Tomte Tummetott lebt still und verborgen auf dem Heustock eines Bauernhofs. Jede Nacht besucht der Wichtel die Tiere des Hofs, wacht über ihr Wohlergehen und erzählt ihnen vom Frühling. Noch nie hat ihn ein Mensch gesehen, nur seine winzigen Fussstapfen sind am Morgen im Schnee zu entdecken.

In einem Interview in der schwedischen Zeitung «Expressen» sagte Astrid Lindgren 1970: «Alles muss so einfach und klar sein, dass Kinder es verstehen können. Ausserdem hat es auch etwas mit Musikalität zu tun. Ich muss spüren, dass der Text fliesst. Ich schreibe um und streiche unnötige Wörter, damit es besser klingt. Ich schreibe so, wie ich mir das Buch wünsche, wenn ich selbst ein Kind wäre.» Zum Bilderbuch von Tomte Tummetott passt dieses Zitat besonders gut. Es handelt sich um eine einfache, liebevolle, langsam und geradlinig erzählte Geschichte mit vielen repetitiven Elementen, wie sie vor allem kleinere Kinder lieben.

Entstehung
Astrid Lindgren liess sich für das Bilderbuch vom schwedischen Gedicht «Tomten» von Viktor Rydberg aus dem Jahr 1881 inspirieren. Die sanften, idyllischen Bilder stammen von Harald Wiberg. 1966 erarbeiteten die beiden eine Fortsetzung mit dem Titel «Tomte Tummetott und der Fuchs».

Weitere Infos
Astrid Lindgren wurde 1907 in Schweden geboren. Ihre Kinderbücher wurden nicht nur vielfach preisgekrönt und in unzählige Sprachen übersetzt, sie sind bis heute beliebt und werden immer wieder neu aufgelegt. Die 2002 verstorbene Autorin und Schöpferin von Figuren wie «Pippi Langstrumpf», «Ronja Räubertochter» und «Karlsson vom Dach» gehört heute zu den bekanntesten und erfolgreichsten Autoren der Welt.

Für «Tomte Tummetott» erhielt sie 1970 den «Lewis Carroll Shelf Award», 1973 den «The Brooklyn Art Books For Children Citations».
Die Geschichte wurde auch für einen Puppentrickfilm adaptiert.

Zu guter Letzt
Das Bilderbuch «Tomte Tummetott» eignet sich für Kinder ab 3 Jahren.
Mehr Information über Astrid Lindgren finden Sie auf www.astrid-lindgren.de, ihre Bücher auf der Seite des Oetinger Verlags.

Der Kommentar der Expertinnen
«Tomte Tummetott» basiert auf einem schwedischen Gedicht aus dem Jahr 1881 und ist stark geprägt von Astrid Lindgrens tiefer Verwurzelung in der schwedischen Tradition. Wichtel sind wichtiger Bestandteil der Sagenwelt, sie sind die guten Seelen des Haushalts, die für die Menschen meist im Verborgenen Gutes tun. Wirklich jedes Kind in Schweden kennt diese kleinen Männchen und hat damit direkten Zugang zu Tomtes Geschichte.

Im Gegensatz zur selbstbewusst-aufmüpfigen «Pippi Langstrumpf» hat «Tomte Tummetott» und seine Nachfolgegeschichten die Gemüter nie dermassen erhitzt wie die Geschichte um die autonome Pippi, die so gar nicht dem traditionellen Mädchen und seinem Abbild in den damaligen Mädchenbüchern entsprach. In «Tomte Tummetott» überwiegt eine zugleich friedliche wie zeitlose Atmosphäre. Das Buch erzählt vom urmenschlichen Wunsch nach Schutz, in der Nacht, im Winter. Ein weiterer Grund, warum das Buch zum Klassiker geworden ist, liegt sicher auch darin, dass der kleine Wichtelmann die zeitlose Idee des nicht völlig Greifbaren, Unerklärbaren, Göttlichen verkörpert und hier – im Gegensatz zu anderen Auftritten in der nordischen Geschichtenwelt – keinen Schabernack betreibt.

Astrid Lindgren hat einmal gesagt, dass ein Kind lesend sich irgendwo in den geheimen Kammern seiner Seele Bilder erschaffe, die alles andere übertreffen. Solche Bilder seien für den Menschen notwendig. In «Tomte Tummetott» gelang es Astrid Lindgren, in wenigen poetischen Sätzen eine solche die Seele direkt ansprechende, traumhafte Stimmung zu schaffen. Die Illustrationen von Harald Wiberg tragen dabei viel zur Kraft von «Tomte Tummetott» bei. Die Lichtführung und Fokussierung, das Hell und Dunkel, nicht nur in den nächtlichen Schneebildern, schaffen eine beeindruckende Atmosphäre, der sich auch heutige Betrachterinnen und Betrachter nur schwer entziehen können.
Mit diesem Buch lässt es sich prima aneinanderkuscheln und gemeinsam mit einem Kind in die nächtliche Winter-Wunder-Welt eintauchen und auch einen Übergang in die von Tomte beschützte Dunkelheit der Nacht finden.

Bewertung: *****

Bewertungsschema:
***** = Ein echter Klassiker!
**** = sehr empfehlenswert
*** = empfehlenswert
** =  Zeitverschwendung
* = Ab in die Brockenstube damit!

Unsere Expertinnen
Barbara Jakob ist Projektleiterin in der Abteilung Literale Förderung des Schweizerischen Instituts für Kinder- und Jugendmedien SIKJM; Christine Tresch leitet die Abteilung Literale Förderung und ist Mitglied der Geschäftsleitung des SIKJM.

Schweizerisches Institut für Kinder- und Jugendmedien SIKJM
Zeltweg 11, 8032 Zürich
Tel. 043 268 39 00
www.sikjm.ch