Body & Soul
Jessi (38): «Meine Narben erinnern mich daran, dass ich überlebt habe»
- Text: Leandra Nef
- Bild: Sara Merz
In unserer Rubrik «Bodybuilding» zeigt sich eine Frau nackt und spricht über ihr Verhältnis zu ihrem Körper. Diesmal spricht Jessi (38) über das plötzliche Ende ihrer Karriere als Leistungsschwimmerin – und wie sie lernte, mit ihrem Spenderherz zu leben.
«Als Jugendliche war ich Leistungsschwimmerin, trainierte zehnmal pro Woche. Bis ich plötzlich immer schwächer wurde, kaum mehr Treppen steigen konnte. Mein Herz blieb stehen, vermutlich wegen des Übertrainings.
Sie hängten mich an die Herz-Lungen-Maschine. Ich hatte eine Nahtoderfahrung, schaute von oben auf mich herunter – meine Lieben um mich herum – und wusste: Ich kann jetzt gehen, in den Himmel, zu Gott, ich muss keine Angst haben. Aber etwas hielt mich zurück. Es war mein Papi, der am Spitalbett insistierte: ‹Jessi, kämpf!›
«Damals, als junge Frau in Schwimmkleidung, störten mich meine Narben. Nun erinnern sie mich daran, dass ich überlebt habe»
Seit dem 11. September 2001 schlägt ein neues Herz in meiner Brust. Vieles musste ich neu lernen, atmen, laufen. Ich wollte leben – auch für meinen Spender. Und trainierte für die Transplant Games, wurde erst Europa-, dann Weltmeisterin. Damals, als junge Frau in Schwimmkleidung, störten mich meine Narben. Nun erinnern sie mich daran, dass ich überlebt habe.
Bewegen will ich mich heute auch für meine Figur; ich schlucke zwanzig Tabletten pro Tag, darunter Kortison, von dem man schnell zunimmt. Und Immunsuppressiva, damit mein Körper das Herz nicht abstösst. Acht bis zwölf zusätzliche Lebensjahre prophezeiten sie mir damit. Das ist nun 22 Jahre her, ich bin sehr dankbar.
Sollte ich irgendwann doch ein neues Spenderherz benötigen, muss ich auf eines mit der passenden Blutgruppe und Grösse hoffen. Ich verstehe Menschen, die keine Organe spenden möchten – und plädiere doch dafür, dass sich wenigstens alle Gedanken zum Thema machen.» – Jessi (38)
