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«Ich hatte wahnsinnige Angst davor, Mutter zu werden»

Familie

«Ich hatte wahnsinnige Angst davor, Mutter zu werden»

In unserer Rubrik «The Mamas and the Papas» kommen Eltern aus der Schweiz zu Wort: Ein ehrlicher Fragebogen über Liebe, Erschöpfung, politische Missstände und Parenting-Hacks. Diesmal mit Manuela, Mutter eines Kindes.

Vorname: Manuela

Alter: 28

Beruf: Consultant

Kinder: Ein dreijähriger Sohn

Familienstruktur: Alleinerziehend (das Kind ist eigentlich immer bei mir, das Besuchsrecht wird nur unregelmässig genutzt), 70 % erwerbstätig

Am alleranstrengendsten am Alltag mit Kind finde ich: Ständig Grenzen setzen zu müssen. Immer wieder.

Ein Teil von mir, den ich vermisse: Die Optimistin in mir

Das Witzigste an meinem Kind: Seine Liebe zum Twerken. Oder «Fudi waggle», wie er es nennt.

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«Meine Schwangerschaft war ungeplant und begleitet von allen möglichen Sorgen»

Ein Gerücht über Eltern, das stimmt: Wir sind erschöpft und uns fehlt die Zeit

Ein Gerücht über Eltern, das nicht stimmt: Dass wir jede Sekunde des Tages an unsere Kinder denken

Das gönne ich mir, seit ich Mutter bin: Nicht, seit ich Mutter bin, aber seit meinem Burn-out: Offen darüber zu reden, wie es mir geht. Um Unterstützung zu bitten und diese anzunehmen. Obwohl das eigentlich nichts mit Gönnen zu tun hat, sondern eher mit Überleben.

So erschöpft bin ich gerade von 0 bis 10: 7

Das letzte Mal ausgeschlafen habe ich: Am 30. März

Mein Ventil: Tanzen. Spazieren. Schreiben. Atmen.

Unterschätzt habe ich: Wie sehr ich die Zeit mit meinem Sohn geniessen kann. Meine Schwangerschaft war ungeplant und begleitet von allen möglichen Sorgen. Ich hatte wahnsinnige Angst vor dem Mutterwerden und hatte wirklich das Gefühl, mein Leben wäre vorbei, sobald das Kind da ist. Das ist zum Glück nicht so – es geht weiter. Auf eine wunderschöne, unplanbare, wahnsinnig komplizierte und anstrengende Art und Weise.

Das nervt mich an anderen Eltern am meisten: Das Verurteilen anderer. Ich kann es nicht ausstehen. Wir haben alle schon genug Sorgen, Schuldgefühle und Druck – wieso verstärken wir das noch gegenseitig?

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«Silberhütchen sind Gold wert beim Stillen»

Etwas, worüber wir Mütter ehrlicher reden sollten: All die strukturellen Barrieren, die uns in den Weg gestellt werden. Und über unsere Gefühle und Gedanken. Auch diejenigen, die «tabu» sind, zum Beispiel, dass wir es manchmal bereuen, Eltern geworden zu sein.

Eine Sache, die sich familienpolitisch in der Schweiz ganz dringend ändern muss: Personen mit Care-Verantwortung benötigen Zeit, Geld und Respekt für ihre Leistungen. Wir müssen aufhören, systemrelevante Arbeit als Privatsache abzutun.

Eine Anschaffung, die für die Katz war: Quetschie-Beutel zum Selbstbefüllen

Eine Anschaffung, die uns das Leben gerettet hat: Silberhütchen – Gold wert beim Stillen

Das beste Buch für Eltern: «Alle Zeit» von Teresa Bücker. Ein Buch, das alle gelesen haben sollten, nicht nur Eltern.

Der beste Podcast für Eltern: The Good Enough Mother von Dr. Sophie Brock – eine soziologische Sichtweise auf Mutterschaft

«Ich habe gelernt, wie stark ich sein kann, wenn ich muss»

Das bereue ich als Mutter: Dass ich nicht auf mein Bauchgefühl gehört habe und mit diesem Mann ein Kind bekommen habe, obwohl sich alles in mir sträubte. Und dass ich danach viel zu lange versucht habe, alles zu überspielen und auf die Reihe zu bekommen und nicht früher Hilfe geholt habe.

Eine Sache, die ich über mich selbst gelernt habe, seit ich Mutter bin: Klischeehaft, aber ist so: Wie stark ich sein kann, wenn ich muss. Und gleichzeitig aber auch, dass Starkbleiben über meine Grenzen hinaus nicht die Lösung ist.

Der beste Tipp für alle frischgebackenen Eltern: Redet über eure Struggles. Befreit euch von den Schuld- und Schamgefühlen. Wir brauchen eine öffentliche, andauernde Diskussion über die gelebte Realität von Eltern in der Schweiz. Erst wenn diese sichtbar und hörbar wird, können wir wirklich etwas ändern – auf struktureller Ebene, nicht nur auf individueller.

Eine Sache, die sich in der Arbeitswelt aus Elternsicht dringend ändern muss: Wir können unsere Elternrolle nicht an der Eingangspforte unseres Arbeitsplatzes abgeben. Dafür braucht es mehr Verständnis. Ausserdem: Mehr Optionen und Offenheit für Teilzeitkarrieren, mehr Wertschätzung dafür, was wir als Eltern tagtäglich leisten (auch für die Gesellschaft) und mehr Anerkennung für die Soft Skills, die wir uns als Eltern angeeignet haben und auch im beruflichen Kontext einbringen können.

In dieser Situation spüre ich die Liebe zu meinem Kind immer ganz intensiv: Wenn er eingeschlafen ist

Etwas, das ich als Mutter rückblickend anders machen würde: Ich würde mich früher trennen. Die Muttertät erwischte mich knallhart – in einem Umfeld, welches mir sämtliche Energie raubte.

Etwas, das ich meinen Eltern gerne sagen würde, seit ich selbst Mutter bin: DANKE. Und: Viele eurer Glaubenssätze und Erziehungsmethoden sind total veraltet.

Etwas, das meine Eltern komplett anders gemacht haben als ich: Ihr Umgang mit als negativ gelabelten Gefühlen. Ich versuche Raum dafür zu finden, auch wenn ich es selbst erst vor Kurzem gelernt habe.

Das hat sich am Verhältnis zu meinem eigenen Körper geändert, seit ich Mutter bin: Ich liebe meinen Körper für all seine Funktionen. Und für seine Ehrlichkeit. Auch wenn wir es manchmal noch so sehr wollen: Der Körper lässt sich nicht überlisten. Er holt sich, was er braucht. Unabhängig von Erwerbsarbeit, Care-Verantwortung oder sonstigen Hürden.

Eine Sache, die uns als Paar extrem hilft: Offen über alle Gefühle zu sprechen, die aufkommen. Eine neue Beziehung aufzubauen, wenn ein Kind involviert ist, kann sehr herausfordernd sein, für alle Beteiligten. Umso wichtiger ist es, eine gemeinsame Vision zu haben, auf diese hinzuarbeiten und alle schönen Momente auf dem Weg dorthin bewusst wahrzunehmen und zu geniessen.

Mein schlauster Parenting-Hack: Choose your battles! Es lohnt sich nicht, über jeden Pipifax zu diskutieren.

Das bringt mich als Mutter sofort zum Weinen: Leidende Mütter und Kinder. Der Weltschmerz ist manchmal fast nicht zum Aushalten.

Wovor ich mein Kind sehr gern bewahren würde: Vor anerzogenem People Pleasing. Macht einem das Leben echt schwer.

Das beste Reiseziel für Familien: Französische Küsten. Seit meiner Kindheit verbringe ich dort regelmässig Ferien – eine Tradition, die ich gerne weiterführe.

Am besten geht es mir, wenn … Ich bewusst im Moment lebe.

Alles wäre so viel einfacher, wenn … Kinder sich selbst schon regulieren könnten, externe Kinderbetreuung erschwinglicher wäre, Care-Arbeit finanziell entlohnt würde, Mütter nicht zu Superheldinnen glorifiziert würden und strukturelle Probleme nicht individualisiert würden.

Komplett ans Limit komme ich, wenn … Ich versuche alle Arbeit allein zu machen, die eigentlich für mindestens (!) zwei Personen gedacht wäre.

Mein Lifesaver Nummer eins, immer wieder: Frische Luft und Bewegung. Und manchmal auch einfach das iPad.

«Mental Load ist der ultimative Endgegner»

Ferien mit Kind sind … manchmal schön und erholsam, manchmal einfach Alltag an einem anderen Ort, manchmal die Hölle auf Erden. Meistens alles zusammen, am selben Tag.

Wenn Geld keine Rolle spielen würde, würde ich … ein Haus am Meer kaufen, den ganzen Tag mit meinem Partner und Sohn verbringen, gärtnern und mich mit feministischem Coaching für Mütter selbstständig machen.

Mütter … sind keine übernatürlichen Superheldinnen, sondern ganz normale Menschen mit endlichen Kräften.

Mental Load … ist der ultimative Endgegner, den ich so nicht erwartet habe und sollte darum bereits in Geburtsvorbereitungskursen Thema sein.

Vereinbarkeit … existiert nicht. Wir können als Gesellschaft nicht alles haben. Die Karrieren einzelner basieren auf der unter- oder unbezahlten Care-Arbeit anderer.

Work-Life-Balance … ist für Eltern nicht weiter als eine Floskel, solange Care nicht als Arbeit mit in die Rechnung einfliesst.

Hier findet ihr alle Folgen «The Mamas and the Papas»

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