Familie
«Ich habe im Kopf ständig 24 Tabs gleichzeitig offen»
- Text: Marie Hettich, Sandra Brun
- Bild: Privat; Collage: annabelle
In unserer Rubrik «The Mamas and the Papas» kommen Eltern aus der Schweiz zu Wort: Ein ehrlicher Fragebogen über Liebe, Erschöpfung, politische Missstände und Parenting-Hacks. Diesmal mit Flurina, Mutter von einem Kind.
Vorname: Flurina
Alter: 33
Beruf: Sozialpädagogin
Kinder: Ein einjähriges Kind
Familienstruktur: Mein Partner arbeitet 100 % und betreut unsere Tochter einen halben Tag pro Woche, ich habe ein 45%-Pensum und betreue sie zweieinhalb Tage. Zwei Tage die Woche besucht sie die Kita.
«Eltern sind die besten Manager:innen»
Ein Gerücht über Eltern, das stimmt: Sie sind die besten Manager:innen
Das hat mich regelrecht schockiert: Im Bus angepöbelt zu werden, wenn meine Kleine weint
Das Schönste am Kind haben: Mega kitschig, aber diese bedingungslose Liebe ist wirklich das intensivste Gefühl, das ich je erlebt habe.
Am alleranstrengendsten im Alltag mit Kind: Alle Erwartungen unter einen Hut zu bringen und allen Rollen gerecht zu werden. Und das Gefühl, ständig 24 Tabs gleichzeitig offen zu haben im Kopf (hallo, Mental Load).
Eine kürzliche Erkenntnis, die mega wichtig für mich war: Hilfe anzunehmen ist okay.
Die grösste Veränderung an mir selbst, seit ich Mutter bin: Ich habe ständig irgendwelche Sörgeli und Ängstli.
Das Witzigste an meinem Kind: Ihr Appenzeller-/Angolanisches Temperament, wenn ihr etwas nicht in den Kram passt
Eine Sache, die mir in der Erziehung ganz besonders wichtig ist: Dass sich mein Kind bedingungslos geliebt fühlt, wie es ist, und andere Menschen achtet und respektiert. Und weiss, dass es mit allem zu uns kommen kann, ohne verurteilt zu werden.
«Es ist völlig okay, wenn Elternsein einem mal keinen Spass macht»
Eine Sache, mit der mich mein Kind zur Weissglut treibt: Dass es nie vor halb zehn Uhr abends einschläft, komme was wolle
Das gönne ich mir, seit ich Mutter bin: Gutes Stichwort – ich sollte mir definitiv öfter was Gutes tun!
So erschöpft bin ich gerade von 0 bis 10: 8
Das letzte Mal ausgeschlafen habe ich: Vor ihrer Geburt
Mein Ventil: Mich mit meinen Mama-Freundinnen auszutauschen und Dampf abzulassen. Und Musik, frische Luft und Bewegung.
Unterschätzt habe ich: Dass ein Kind jedem Hans und Heiri den Eindruck vermittelt, seinen Senf dazugeben zu müssen. Danke für nüt, gell! Und Sätze, die mit «Früher war das noch ganz anders…» anfangen.
Unser Lieblingsresti mit Kind: Am liebsten Take-Away-Pizza im Park
Etwas, worüber wir Eltern ehrlicher reden sollten: Dass das Muttersein an extrem viele Erwartungen geknüpft ist und es auch völlig okay ist, wenn einem mal alles über den Kopf wächst und das Ganze gerade keinen Spass macht
Eine Sache, die sich familienpolitisch in der Schweiz ganz dringend ändern muss: Bezahlbare Kitaplätze und Wohnungen. Und mehr als 12 Wochen Mutterschaftsurlaub, was für ein Witz!
Eine Anschaffung, die für die Katz war: Nuggi und Schoppen – sie wollte von beidem nichts wissen
Eine Anschaffung, die uns das Leben gerettet hat: Tragetuch
«Bittet eure Freund:innen und Familie darum, euch Essen ins Wochenbett zu bringen statt Geschenke»
Das bereue ich als Elternteil: Dass ich am Anfang zu wenig auf meine Bedürfnisse als frischgebackene Mama gehört habe
Der beste Tipp für frischgebackene Eltern: Bittet eure Freund:innen und Familie darum, euch Essen ins Wochenbett zu bringen statt Geschenke.
In dieser Situation spüre ich die Liebe zu meinem Kind immer ganz intensiv: Wenn es nachts seine Ärmchen nach mir suchend ausstreckt und sich dann an mich gekuschelt wieder einschläft. Und wenn es mich nach einem langen Kita-Tag sieht und dann mit gefühlt 100 km/h und einem riesigen Grinsen auf mich zu krabbelt.
Meine Hacks für gelungene Familienferien: Irgendwohin ans Wasser reisen, und lieber in der Nähe, als weit weg zu fliegen. In die Ferienwohnung statt ins Hotel. Und Gepäck bei den SBB aufgeben.
Etwas, das ich als Elternteil rückblickend anders machen würde: Mich von Anfang an mit meinem Partner abwechseln mit der Einschlafbegleitung
Das hat sich am Verhältnis zu meinem eigenen Körper geändert, seit ich Mutter bin: Ich bin selbstbewusster geworden. Mein Körper kann Extremleistungen vollbringen, er hat ein kleines Menschlein zur Welt gebracht und ernährt es seit einem Jahr. Wenn das keine Superpower ist, dann weiss ich auch nicht!
Mein schlauster Parenting-Hack: Überall püriertes Gemüse daruntermischen
Wovor ich mein Kind sehr gern bewahren würde: Ausgrenzung, Rassismus, Mobbing, Patriarchat
Ein Vorsatz, den ich wieder aufgeben musste: «Direkt nach dem Rückbildungskurs gehe ich wieder dreimal pro Woche ins Gym.» Ich würde vermutlich bereits im Bus dahin einpennen.
Die Geburt … gab mir ein Gefühl von Unbesiegbarkeit.
Wenn Geld keine Rolle spielen würde … würde ich meinen Job kündigen und mit meiner Familie in einem alten VW-Bus die Welt bereisen.
Leute, die Kinder nicht mögen … können mir gestohlen bleiben.
Work-Life-Balance … ist irgendwie schon deutlich mehr Work als Balance, seit ich Mutter bin.
Hier findet ihr alle Folgen «The Mamas and the Papas»