«Ich finde es wichtig, dass meine Kinder mich weinen sehen»
- Text: Marie Hettich, Jacqueline Krause-Blouin
- Bild: zvg; Collage: annabelle
In unserer Rubrik «The Mamas and the Papas» kommen Eltern aus der Schweiz zu Wort: Ein ehrlicher Fragebogen über Liebe, Erschöpfung, politische Missstände und Parenting-Hacks. Diesmal mit Eline, Mutter von zwei Kindern.
Vorname: Eline
Alter: 46
Beruf: Fotografin
Kinder: Ein Sohn (9 Jahre) und eine Tochter (13 Jahre)
Familienstruktur: Ich bin alleinerziehend und arbeite freiberuflich als Bildredaktorin und Fotografin mit Schwerpunkt Kinder-/Familienfotografie. Durch die Autismus-Diagnose meiner Tochter ist ihre Selbstständigkeit im Alltag (noch) nicht altersentsprechend. Daher betreue ich sie recht eng, das heisst, ich begleite und fördere sie intensiv in ihrer Entwicklung. Der Vater betreut die Kinder zwei Abende pro Woche, jedes zweites Wochenende und vier Wochen Ferien im Jahr. Weitere Betreuung durch Grosseltern oder ähnliches gibt es bei uns leider nicht.
Ein Gerücht über Eltern, das stimmt: Dass sie immer über ihre Kinder reden
Ein Gerücht über Eltern, das nicht stimmt: Dass sie nicht mehr tanzen gehen
Das Schönste daran, Kinder zu haben: Ich habe durch meine Kinder die Chance bekommen, mich als Mensch weiterzuentwickeln und mitzuwachsen – und zwar auf eine Art, wie ich mir das früher nie zugetraut hätte.
«Ich habe unterschätzt, wie schwierig es sein kann, sich von der eigenen Vorstellung eines Familienlebens zu lösen»
Am alleranstrengendsten im Alltag mit Kindern finde ich: Die Balance finden und halten
Ein Teil von mir, den ich vermisse: Die Unbekümmertheit – einfach mal alles zu vergessen
Eine kürzliche Erkenntnis, die sehr wichtig für mich war: Nachdem wir vor sieben Jahren bei meiner damals sechsjährigen Tochter die Diagnose Autismus bekamen und mit viel Zeit und Arbeit lernten, damit zurechtzukommen, wurde letztes Jahr nach einigen heftigen epileptische Anfällen eine Epilepsie diagnostiziert. Nach einer sehr schwierigen Phase lernten wir: Auch das schaffen wir!
Die grösste Veränderung an mir selbst, seit ich Mutter bin: Eine ganz neue Art, Verantwortung übernommen zu haben und das auch schätzen zu können
Das Witzigste an meinen Kindern: Wenn sie ihre Albernheit ausleben, ohne daran zu denken, ob es auf andere peinlich oder verrückt wirkt
Eine Sache, die mir in der Erziehung ganz besonders wichtig ist: Meinen Kindern zu verstehen geben, dass alle Menschen gleichwertig sind
Das gönne ich mir, seit ich Mutter bin: Mittagsschlaf
Unterschätzt habe ich: Wie schwierig es sein kann, sich von der eigenen Vorstellung eines Familienlebens komplett lösen zu müssen. Dabei durfte ich aber lernen, wie wertvoll und schön es anders sein kann.
«Mein Ventil sind meine Freundschaften, die mich immer gut auffangen können»
Eine Sache, die ich über mich selbst gelernt habe, seit ich Mutter bin: Ich habe gelernt, dass ich ein Stehaufmensch bin und es immer wieder schaffe, etwas Humorvolles in einer Situation zu sehen.
So erschöpft bin ich gerade von 0 bis 10: 4
Mein Ventil: Meine Freundschaften, die mich immer gut auffangen können. Und schwimmen gehen.
Ein schnelles Gericht, das alle lieben: Reis mit Gurke, Avocado und Mango
Eine Sache, die sich familienpolitisch in der Schweiz ganz dringend ändern muss: Total viel! Zum Beispiel die Aufteilung der Betreuungskosten innerhalb und ausserhalb der Familie, Arbeitsaufteilung, Lohnungleichheit, eine angemessene Elternzeit und so fort.
Etwas, das ich meinen Eltern gerne sagen würde, seit ich selbst Mutter bin: DANKE, DANKE, DANKE
Das beste Buch für Eltern: Alle Bücher, die mit den Kindern gemeinsam im Bett gelesen werden möchten
Das bringt mich als Mutter sofort zum Weinen: Ganz viele Dinge und Momente bringen mich zum Weinen. Ich finde es vor allem wichtig, dass meine Kinder mich weinen sehen, ob es nun vor Freude, bei einem Film oder aus Trauer ist.
«Ich bereue, dass ich nicht schon früher konsequent nach meiner Intuition gehandelt habe»
Der beste Tipp für frischgebackene Eltern: Chills mal! Und legt euch öfter einfach mal ins Bett, ob mit oder ohne Kind.
Eine Sache, die sich in der Arbeitswelt aus Elternsicht dringend ändern muss: Wir brauchen die 35-Stundenwoche.
Das bereue ich als Mutter: Dass ich nicht schon früher konsequent nach meiner Intuition gehandelt habe. Ich habe schon in den ersten Lebensjahren gemerkt, dass sich meine Tochter anders entwickelt und habe es beim Kinderarzt angesprochen. Doch trotz Logopädie, Psychomotorik und der fehlenden sozialen Kompetenz wurde die Diagnose Autismus-Spektrum-Störung (ASS) erst in unserem Auslandsjahr in Dänemark gestellt und nachfolgend in der Schweiz an der KJPP bestätigt.
In dieser Situation spüre ich die Liebe zu meinem Kind immer ganz intensiv: Wenn wir abends im Bett vorlesen
Etwas, das ich als Mutter rückblickend anders machen würde: Ich hätte mehr Schmusezeit mit meinen Kindern im Alltag einbauen sollen, statt zu versuchen, alle fremden und eigenen Anforderungen unter einen Hut zu bringen. So wären viele Momente entspannter gewesen.
Drei Hacks für gelungene Familienferien:
1. Genug Hörspiele einpacken, die allen gefallen
2. Genug Bücher/Comics für alle ausleihen
3. Genug Zeit für alles einplanen
Ein guter Spartipp für Familien: Unterwegs öfter picknicken – ist auch lustiger!
«Eltern in der Schweiz haben es im Vergleich zu sehr vielen Eltern an sehr vielen anderen Orten sehr gut»
Das beste Reiseziel für Familys: Dänemark
Meine Schwangerschaften … waren wunderbar.
Am besten geht es mir … wenn ich im Wasser bin.
Komplett ans Limit komme ich … wenn ich zeitgleich zu viele unvorhersehbare Herausforderungen hantieren muss, ohne eine Pause haben zu können.
Eltern in der Schweiz … haben es im Vergleich zu sehr vielen Eltern an sehr vielen anderen Orten sehr gut.
Alles wäre so viel einfacher, wenn … wir Menschen Kiemen und Flügel hätten.
Wenn Geld keine Rolle spielen würde, würde ich … öfter eine Runde schmeissen.
Hier findet ihr alle Folgen «The Mamas and the Papas»