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Glauben Sie …

Body & Soul

Glauben Sie …

  • Foto: iStock / morokey

Grosse Fragen: Glauben Sie an die Liebe, die Treue, den Orgasmus? Experten geben Antwort.  

… an die Familie?
Florian Burkhardt (43), bekannt aus dem Dokfilm «Electroboy» und Autor des autobiografischen Romans «Das Kind meiner Mutter» über seine Kindheit und Jugend in einer dysfunktionalen Familie:

Langfristige, positive und unterstützende Nähe ist elementar für die seelische Gesundheit. Ich glaube an die Familie, weil der Mensch ohne sie einsam und verloren scheint. Ich habe erfahren, dass wir sie spätestens als Erwachsene selbst kreieren und gestalten können. Im Idealfall können sich sogar Freundschaften mit den leiblichen Eltern entwickeln. Manchmal mit viel Kraftaufwand und Überwindung. So wie bei mir. Ich bin dabei, ihnen zu verzeihen – damit mein Paket leichter wird und ich gesunden kann.

… an die freie Liebe?
Gisela Getty (68), Ikone der 68er-Bewegung:

Ich bin kein gläubiger Mensch. Nur einmal in dieser ekstatischen Zeit habe ich etwas erfahren, woran ich glauben kann: die grosse Liebe, die später freie Liebe genannt wurde. Sie war nicht körperlich, sondern unendlich zärtlich. Kein Besitzdenken, keine Eifersucht. Es ging darum, alles und alle zu lieben. Das konnte ich aber nicht ganz verwirklichen, obwohl ich es immer versucht habe. In letzter Zeit habe ich alles verloren. Meine Zwillingsschwester. Meine Männer. Ich glaube, ich werde es nicht mehr versuchen, das mit der normalen, der besitzenden, der körperlichen Liebe. Wahrscheinlich eigne ich mich dafür nicht. Zu schnell fühle ich mich eingeengt, zu schnell enge ich den anderen ein. Stattdessen werde ich diese damalige Erfahrung suchen, die Zärtlichkeit mit allem und allen. Darum geht es, das wird mir immer klarer. Daran glaube ich.

… an die Liebe?
Susi Müller (54), Off-Stimme der ehemaligen TV-Datingshow «Herzblatt» und «erotischste Stimme Deutschlands»:

Jetzt erst recht, muss ich wohl sagen. Ich erinnere mich genau daran, wie ich mich das erste Mal mit 14 verliebte. Abgesehen von der Geburt meiner Kinder habe ich nie mehr so ein intensives Gefühl erlebt, es ging mir durch den ganzen Körper. Ich kam neu in die Klasse, und alle Kinder sassen schon, nur neben ihm war noch ein Platz frei. Ich wusste sofort, dass dieser Junge jemand ganz Besonderes für mich werden würde. Er hat mich aber immer nur geneckt und erst später, an einem Klassentreffen, haben wir uns dann unsere Liebe gestanden. Es hielt aber leider nicht, er hat sich noch anderweitig umsehen müssen. Ich habe mich dann zurückgezogen, wusste aber, dass wir irgendwann wieder zusammen sein würden. Unerwiderte Liebe lässt einen zweifeln. Aber wenn es bei mir mal nicht so lief, gab mir «Herzblatt» Kraft. Ich bin so dankbar, dass ich fast zwanzig Jahre Teil eines Formats war, das Menschen zusammenbrachte. Die Frischverliebten haben mir gezeigt: Es geht doch, man kann sich fallen lassen, man muss das immer wieder versuchen. Ich sass hinter der Wand und habe mich mit den Kandidaten mitgefreut – das Glück zu sehen, hat mir Mut gemacht. Die, die geliebt sind, haben eine Verantwortung, diese Liebe weiterzugeben, damit andere, die nicht so viel Glück haben, auch etwas davon haben. Man kann seine Liebe auch an den Nachbarn weitergeben oder an eine Pflanze. Und wenn einen gar nichts mehr aufheitert, muss man sich «French Kiss» mit Meg Ryan anschauen. Meine Jugendliebe und ich haben übrigens beide jemand anderen geheiratet und Kinder bekommen, aber vor drei Jahren haben wir wieder zueinandergefunden. Jetzt wollen wir sogar zusammenziehen. Ich wusste das ja immer.

… an die Treue?
Michèle Binswanger (45), Journalistin und Autorin, deren neustes Buch «Fremdgehen. Ein Handbuch für Frauen» kürzlich erschienen ist:

Als Liebende glaube ich an Treue. Doch im Kern moderner Sexualität toben unversöhnliche Konflikte. Jeder wünscht vom Partner sexuelle Treue, doch als sexuelle Wesen sind wir ewig auf der Suche nach dem Abenteuer. Die Frage ist deshalb, was man unter Treue versteht. Geht es nur um sexuelle Treue – und wenn ja, wo beginnt der Seitensprung? Bei der intimen Zuwendung zu jemand anderem, beim flirtenden Chat – oder erst beim Austausch von Körpersäften? Diese Fragen stellen sich irgendwann im Verlauf fast jeder Beziehung, und die Antwort ist selten klar. Vielleicht, weil wir Treue so eng fassen. Bedeutet sie nicht viel mehr? Etwa auch Loyalität, Intimität und Ehrlichkeit gegenüber dem Partner – und gegenüber sich selbst. Sich treu zu sein heisst, ehrliche Bilanz über die eigenen Wünsche und Bedürfnisse zu ziehen und sich dem Partner anzuvertrauen. Treue heisst aber auch zu akzeptieren, dass der Partner vielleicht andere Bedürfnisse hat – und wie man damit umgeht. Das heisst für mich auch wahre Intimität. Der Rest ist Verhandlungssache.

… an den Orgasmus?
Simon «Hitzi» Hitzinger (24), seit einem Unfall 2011 vom Brustkorb abwärts gelähmt:

Nach meiner Querschnittlähmung musste ich meinen Körper und meine Sexualität neu kennenlernen. Was funktioniert noch? Was fühlt sich gut an? Die ersten zwei Jahre nach dem Unfall konnte ich keinen wirklichen Orgasmus empfinden. Ich fand das nicht so tragisch. Ich habe mich auf die Befriedigung meiner Partnerin konzentriert, und das hat auch mir eine gewisse Befriedigung gegeben. Diese Umorientierung hat mir ganz neue Wege gezeigt, die man in der Sexualität gehen kann, die vielleicht nicht dem klassischen Muster entsprechen, die aber trotzdem befriedigen. Ich habe das Gefühl, die Jagd nach dem Orgasmus ist ein bisschen ein Männerding. Sex kann aber auch schön sein, wenn man nicht kommt, solange man es wirklich geniesst. Das habe ich den Frauen früher nicht geglaubt, aber die hatten recht! Mittlerweile ist es so, dass ich einen Orgasmus empfinden kann. Nicht so schnell und nicht so einfach, aber wenn, dann besser und intensiver als vor dem Unfall. Medizinisch lässt sich das nicht restlos erklären. Das spielt für mich aber keine Rolle. Ich habe gelernt, mich voll auf eine Situation einzulassen und all meine Sinne darauf zu fokussieren. Es geht um das Erleben des Gesamten. Das macht die Intensität aus.

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