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Wie ist es eigentlich, als Therapeutin Psychedelika zu verabreichen?

Gesundheit

Wie ist es eigentlich, als Therapeutin Psychedelika zu verabreichen?

Die niederländische Psychologin Jeanine Souren bindet das psychedelisch wirkende Psilocybin in ihre Arbeit ein. Uns erklärte sie, wie sich das auf ihre Patient:innen auswirkt – und was dabei besonders wichtig ist.

Neulich kam eine Klientin zu mir, weil sie sich nicht zwischen ihrem Liebhaber und ihrem Ehepartner entscheiden konnte. Ich erklärte ihr, dass eine psychedelische Reise keine eindeutige Empfehlung macht. Vielmehr wird es ihr hoffentlich gelingen, mit Abstand auf ihre Situation zu blicken und zu erkennen, weshalb sie feststeckt. Zehn Minuten nachdem sie die «Magic Truffles» eingenommen hat – ein in den Niederlanden legales Naturprodukt, das psychedelisch wirkendes Psilocybin enthält –, musste sie sich übergeben.

Ich bin studierte Psychologin mit Schwerpunkt auf zwischenmenschliche Beziehungen. Im Rahmen der Traumatherapie kam ich dazu, Psilocybin in meine Arbeit einzubinden. Vereinfacht gesagt, lässt sich dessen Wirkung so erklären: Die Selbstwahrnehmung wird geschärft, so kommen die Ursachen der Symptome ans Licht. Meine Klient:innen kommen alle mit komplexen Themen, sie haben das Gefühl, im Leben nicht weiterzukommen. Es geht um Liebesdinge, die Sexualität, die Beziehung zu den Eltern.

Ein sicheres und vertrauensvolles Umfeld

Daraus entstehen während des Trips multiple Erzählstränge und entsprechend herausfordernd ist es für mich, die Teile zusammenzufügen und zu verstehen. Im psychedelischen Kontext finde ich es noch wichtiger als in der traditionellen Therapie, ein sicheres und vertrauensvolles Umfeld zu schaffen. Ausserdem muss man ein gewisses Mass an persönlicher Reife mitbringen. Ich verbringe nicht nur fünfzig Minuten, sondern einen ganzen Tag mit meinen Klient:innen. Ich begleite sie in ihren verletzlichsten Momenten – manchmal fühlt es sich so an, als würde ich mich um ein kleines Kind oder ein Baby kümmern.

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«Die psychedelische Reise erweitert die Beziehung zwischen mir und den Klient:innen»

Eine Klientin wollte einmal, dass ich drei Stunden lang ihre Hand halte. Ein solcher Wunsch geht gegen die Regeln der klassischen Ausbildung, nach denen man einander nicht berühren darf. Die psychedelische Reise erweitert die Beziehung zwischen mir und den Klient:innen. Sie verwandelt sich in eine begleitende und fürsorgliche, weil ich Teil einer Seelenlandschaft aus ungefilterten Emotionen werde.

Bei meiner unentschlossenen Klientin hat das Psilocybin glücklicherweise trotz Erbrechen gewirkt: Sie sah eine riesige Wüste. Dort gab es keinen Himmel, sondern nur eine grosse Decke aus Trauer. Diese Landschaft repräsentierte ihren Mann. Auf der anderen Seite der Wüste erblickte sie ein Bild von sich und ihrem Geliebten. Dort wollte sie sein.

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«Vielen Klient:innen fällt es anschliessend leichter, ihr Selbst bis in die Tiefe zu erforschen»

Dann erschien ein Achterbahnwagen, in den sie einsteigen sollte. Sie tat es nicht, weil sie Angst davor hatte, die Wüste der Trauer zu durchqueren – sie bekam also ihre Antwort. Sie hatte sich längst für ihren Geliebten entschieden, aber fürchtete die emotionale Achterbahnfahrt einer Trennung von ihrem Mann.

Solche Geschichten bleiben tagelang bei mir, ich kann sie nicht sofort wieder abschütteln. Es fühlt sich anders an als ein fünfzigminütiges Gespräch, ein Händeschütteln und ein «bis nächste Woche». Die therapeutische Verbindung hat sich verändert, sie ist nun präziser und tiefer, es gibt keine oberf lächlichen Interaktionen mehr. Vielen Klient:innen fällt es ausserdem anschliessend leichter, ihr Selbst bis in die Tiefe zu erforschen. – Jeanine Souren (52), Psychologin, Culemborg, Niederlande

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