annabelle-Praktikantin Céline Geneviève Sallustio ist 24 Jahre alt – und verspürt im Moment absolut keinen Kinderwunsch. Die Idee, sich gegen Unfruchtbarkeit versichern zu lassen, findet sie nicht schlecht. Doch: Warum liegt die Verantwortung wieder nur bei der Frau?
Die Krankenkasse Sanitas hat als erste Schweizer Versicherung ein Angebot lanciert, das Frauen bei einem unerfüllten Kinderwunsch finanziell unterstützt. Konkret bietet sie eine Zusatzversicherung, die verschiedene Behandlungsformen einer künstlichen Befruchtung übernimmt. Die Grundversicherung bezahlt maximal drei Versuche einer künstlichen Befruchtung im Mutterleib. Die Zusatzversicherung von Sanitas beteiligt sich an zwei weiteren solchen Versuchen. Auch Leistungen einer künstlichen Befruchtung ausserhalb des Mutterleibs, beispielsweise eine In-vitro-Fertilisation, werden mit maximal 12 000 Franken unterstützt. Hinzu kommt die Kostenübernahme für genetische Untersuchungen des Embryos. Um die Zusatzversicherung abschliessen können, müssen Frauen zwischen 18 und 35 Jahre alt sein und sich einem medizinischen Fruchtbarkeitstest unterzogen haben.
Das Angebot der Sanitas trifft den Nerv der Zeit: In der Schweiz wird bereits jedes vierzigste Kind mit Hilfe künstlicher Befruchtung gezeugt. Die Behandlungen teilen sich auf die In-vitro-Fertilisation (IVF) und die Intracytoplasmic Sperm Injection (ICSI) auf. Bei der IVF-Behandlung werden mehrere Spermien «in die Nähe» der Eizelle gebracht, damit sie dann aus eigenem Antrieb in die Eizelle gelangen. Bei der ICSI wird ein Spermium direkt in die Eizelle injiziert . Zahlen des Bundesamts für Statistik zeigen: Bei ungefähr 32 Prozent der so behandelten Frauen kam es zu einer Schwangerschaft und Geburt. Es überrascht daher nicht, dass die Nachfrage nach künstlicher Befruchtungen enorm gestiegen ist: Im Jahr 2002 haben rund 3200 Frauen das Angebot in Anspruch genommen. Heute liegt die Zahl bei rund 6000.
Dass man sich nun also gegen allfällige Unfruchtbarkeit versichern lassen kann, scheint angesichts dieser Zahlen ein logischer Schritt zu sein. So logisch, dass Bruno Imthurn, Direktor der Klinik für Reproduktions-Endokrinologie am Unispital Zürich, sogar sagt: «Idealerweise könnten Eltern eine solche Zusatzversicherung ihrer Tochter auf den 18. Geburtstag schenken.» Und klar, ein solches Geschenk mag für manche junge Frau, die um Fruchtbarkeitsprobleme in ihrer Familie weiss, willkommen sein. Dennoch wirft dieses Angebot bei mir Fragen auf. Für mich persönlich liegt mit 24 Jahren die Frage rund um eine Familienplanug noch in ferner Zukunft. Zudem – und das ist meine Hauptkritik – wird das Thema Kinderbekommen nun schon wieder ganz den Frauen überlassen. Die Männer bleiben in der Debatte aussen vor – obwohl fast genauso viele Männer wie Frauen von Unfruchtbarkeit betroffen sind. So liegt bei Fruchtbarkeitsproblemen die Ursache etwa zu je einem Drittel beim Mann oder bei der Frau und zu einem Drittel bei beiden Partnern zusammen. «Hauptgrund der Unfruchtbarkeit bei Männern ist die schlechte Qualität der Spermien», erklärt Christian de Geyter, Chefarzt an der Universitäts-Frauenklinik Basel. In der Schweiz erreichen nur knapp vierzig Prozent der Männer die von der Weltgesundheitsorganisation definierten Normwerte einer genügenden Spermienqualität.
Trotz der grossen Betroffenheit scheint Unfruchtbarkeit nach wie vor ein Tabuthema zu sein – bei Männern wie bei Frauen. Höchste Zeit also, das Thema nicht einfach reflexartig über die Frauen abzuhandeln und damit die konventionellen Geschechterrollen noch weiter zu zementieren, sondern endlich auch die Männer gleichermassen anzusprechen. Wo, also, bleiben die Angebote, über die Männer ihre Spermienqualität versichern lassen können?