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Fetisch-Möbelstücke fürs Wohnzimmer

Body & Soul

Fetisch-Möbelstücke fürs Wohnzimmer

  • Interview: Line Numme; Fotos: Joan Minder 

Seine Spezialanfertigungen stehen in privaten Spielzimmern oder in Domina-Studios: Jörg Frei baut BDSM-Möbel, also Inventar für Fetischisten. Der 54-jährige Schreiner über Tabuzonen, Sonderwünsche und clevere Frauen.

annabelle: Jörg Frei *, wie kamen Sie dazu, Fetisch-Möbel zu bauen?
Ein Kollege von mir betreibt ein Domina-Studio und fragte mich vor ein paar Jahren, ob ich als Möbelschreiner vielleicht einmal ein paar Spezialanfertigungen für ihn machen würde. Das war vor etwa sechs Jahren. Zu der Zeit hatte ich gerade meinen Job als Produktionsleiter in einer grossen Schreinerei aufgegeben und war arbeitslos. Da dachte ich: Warum nicht?

Kann man denn solche Möbel bauen, ohne selbst Erfahrung in BDSM zu haben?
Nein, man muss schon wissen, wie sie zu handhaben sind und worauf es ankommt. Zuerst musste ich mich mit den Bedürfnissen vertraut machen. Ich war oft zu Besuch dort im Studio und habe die Dominas bei ihrer Arbeit beobachtet. Natürlich kam ich so in Berührung mit dieser Szene und eines führte zum anderen.

Sie waren also selbst auch aktiv?
Eher passiv. Als langjähriger leitender Angestellter, wo ich täglich viel Verantwortung trug, habe ich es genossen, mir einmal zur Abwechslung sagen zu lassen, was ich zu tun habe und die Kontrolle abzugeben. Aber auch die andere Seite hat seinen Reiz. Mit der Zeit habe ich sogar geholfen, Dominas auszubilden. Heute verkehre ich aber nicht mehr aktiv in der Szene.

Weiss Ihr Umfeld, was Sie beruflich machen?
Ja, ich gehe damit ziemlich offen um. Meine Werkstatt befindet sich hier in meinem Haus und die Nachbarschaft bekommt unweigerlich mit, wenn ich zum Beispiel Möbel zur Auslieferung in meinen Wagen packe. Sie stehen bei grösseren Aufträgen vorher auch manchmal aus Platzgründen in meinem Wohnzimmer und da kommt es schon mal vor, dass jemand hereinspaziert.

Sie möchten hier aber anonym bleiben: Warum?
Ich betreibe meine Manufaktur als Zweiterwerb und möchte nicht unbedingt, dass mein jetziger Hauptarbeitgeber weiss, was ich sonst so tue.

Was gefällt Ihnen an der Arbeit als Möbelbauer in diesem Nischenbereich?
Sie ist sehr interessant und abwechslungsreich. Vor allem komme ich mit sehr vielen unterschiedlichen Menschen in Kontakt. Ich lerne ihre Fantasien kennen und komme auch oft an die Grenzen meines Vorstellungsvermögens. Diese Herausforderung mag ich.

Es ist heute also noch ein Tabu, Fetisch-Möbel in der Wohnung stehen zu haben?
Meine Kunden legen jedenfalls grössten Wert auf Diskretion – also würde ich sagen Ja. Ich garantiere absolute Verschwiegenheit und liefere alles ganz diskret und so verpackt, dass nicht ersichtlich ist, was sich unter den Wolldecken verbirgt. Die meisten meiner Privatkunden richten sich nach Möglichkeit ein bis zwei separate Spielzimmer oder einen Kerker im Keller ein – sozusagen eine Tabuzone. Einige wünschen auch zerlegbare Möbel, die dann platzsparend verstaut werden können, zum Beispiel unter dem Bett oder im Schrank. Oder ich habe auch schon ein Andreaskreuz im Wohnzimmer einer Kundin montiert, das neben dem Fenster hinter dem Vorhang versteckt wird. Platz sparen ist also auch ein Thema.

Müssen Sie oft multifunktionale Möbel bauen?
Es gibt einige Kunden, die am liebsten ein Möbel hätten, das alles in einem ist. Allerdings ist das schwierig, weil man dann zu viele Kompromisse eingehen müsste, und das entspricht nicht meinem Qualitätsanspruch. Allerdings habe ich eine bestimmte Lösung entwickelt, eine Sklavenliege mit einem Bock zu kombinieren. Der Bogen ist demontierbar. Dieses Kombi-Möbel ist mittlerweile mein Bestseller geworden. BDSM-Möbel sind ja Designmöbel schlechthin. Sie müssen hohe Gestaltungsansprüche erfüllen.

Wie gewichten Sie die Aspekte Qualität, Design und Funktionalität?
Zuerst kommt natürlich die Funktionalität, dann die Qualität. Schliesslich müssen auch diverse Sicherheitsaspekte berücksichtigt werden. Das Design ergibt sich dann meist anhand der gewünschten Funktion.

Wie ist es denn mit der Optik? Stehen alle BDSM-Anhänger automatisch auf Leder und Nieten?
Es gibt tatsächlich selten Spezialwünsche, was die Optik angeht. Die meisten möchten schwarzes Leder oder Kunstleder. Oder auch mal Rot. Kürzlich hatte ich allerdings eine Kundin, die wollte alles in Weiss. Für mich gibt es eigentlich keine Grenzen, ich bin für jegliche Kundenwünsche sehr offen.

Solche Fetisch-Möbel kommen formal doch recht stereotyp daher und die Funktionen scheinen nach altertümlichen Vorbildern ziemlich vorgegeben zu sein. Gibt es auch Raum für Innovation?
Meistens bekomme ich von Auftraggebern selbst angefertigte Skizzen der Ideen, die ich dann nach ihren Wünschen zu verwirklichen versuche. Manchmal gibt es auch speziellere Anfragen, die stark von den Standardmöbeln abweichen. Es ist immer ein Entstehungsprozess in engem Austausch mit den Kunden. Ich selbst habe wegen der vielen Aufträge kaum Zeit für neue Ideen. Kürzlich wurde ich von einem bekannten Designer angefragt. Wir verabredeten uns inkognito in einem Café und er übergab mir seine Pläne für eine massgeschneiderte und in Einzelteile zerlegbare Boden-Fesselvorrichtung für seine Partnerin. So etwas hatte ich zum Beispiel noch nirgends gesehen.

Was war bisher das speziellste Möbel, das Sie bauen durften?
Da gab es einen Auftraggeber, einen Fussfetischisten, der wollte einen massiven Fuss-Pranger, den er auf sein Bettgestell montieren konnte. Nebst den ausgepolsterten Öffnungen für die Fussgelenke musste ich jeweils in bestimmten Abständen Bohrungen für ein Fadenzugsystem machen, mit dem jeder einzelne Zeh separat fixiert und bearbeitet werden konnte.

Haben Sie auch schon mal einen Auftrag abgelehnt?
Ich sollte einmal eine Black Box anfertigen, abschliessbar und ohne vorgesehene Lüftungsöffnungen. Da habe ich in der Offerte festgehalten, dass ich für diese Ausführung keine Haftung übernehmen würde und den Kunden damit auch deutlich darauf hingewiesen, dass wegen Erstickungsgefahr nachträglich noch Lüftungslöcher angebracht werden müssten. Das gewünschte Schloss hätte ich dann lediglich mitgeliefert, aber nicht selbst montiert. Er hat den Auftrag dann zurückgezogen. Da war ich eigentlich erleichtert.

Wie setzt sich Ihre Kundschaft zusammen?
Was für Menschen kommen zu Ihnen? Ich würde sagen, etwa die Hälfte meiner Kunden sind Clubbesitzer oder Dominas, also aus dem kommerziellen Bereich. Die andere Hälfte sind Privatleute. Meistens sind es Paare, die gemeinsam ihren Fetisch in den eigenen vier Wänden ausleben. Es gibt viel mehr private Dungeons, als man denkt. Im Privatbereich ist meistens der Mann der Dominante und die Frau devot. In Etablissements ist es meist umgekehrt. Sie werden von Dominas beherrscht.

Wie gut müssen Sie sich in Ihre Kunden einfühlen können?
Es gibt Kunden, die sind eher verschlossen und geben nicht viel preis – vorwiegend solche aus dem mittleren bis oberen Kader, die etwa für bekannte Firmen arbeiten. Oft geht es bei ihnen darum, sich einen Raum zu schaffen, wo sie sich fallen lassen können und aufgefangen werden. Oft haben sie eine Gespielin oder ihre Frau, die ihnen das ermöglicht. Ein einfacher Büezer ist da tendenziell weniger distanziert und erzählt offener über seine Wünsche und Vorlieben.

So wie es also aussieht, arbeiten ausschliesslich Dominas, die Männer bearbeiten, kommerziell. Warum gibt es Ihrer Meinung nach keine Clubs für devote Frauen, die sich gerne von Männern dominieren lassen?
Ich glaube, Frauen sind einfach zu clever. Sie haben dem Mann gewisse Dinge voraus. Sie machen aus ihrem ‹Hobby› oder ihrer Neigung gleich auch noch ein Business. Sie stellen sich dann in vereinzelten Einrichtungen exklusiv als Gast-Sklavin zur Verfügung.

Wie finden die Leute zu Ihnen und wie läuft so ein Bestellvorgang ab?
Den grössten Zulauf bekomme ich über meine Website und ich werde per Mail angefragt. Da es sich bei Privatkunden immer um Massanfertigungen handelt, ist der Austausch über die gewünschten Details sehr wichtig. Für ein Andreaskreuz benötige ich zum Beispiel die Körpergrösse und die bevorzugte Absatzhöhe der Highheels, wenn welche getragen werden, damit ich die Ösen auf optimaler Höhe anbringen kann. Der ganze Prozess dauert im Schnitt vielleicht drei bis vier Wochen.

Wie viele Möbel stellen Sie pro Jahr denn her?
Das sind etwa drei bis vier pro Monat, also komme ich auf knapp vierzig.

Und wie sieht es preislich aus?
Ein Andreaskreuz, das man als das gängigste Einsteigermöbel bezeichnen könnte, liegt bei etwa 700 Franken. Je nach Ausführung auch etwas teurer. Ein Stehkäfig kostet etwa 2000 Franken, da ich mit hochwertig verchromten Eisenstangen arbeite.

Meinen Sie der Hype um die Bücher und Filme «Fifty Shades of Grey» hat auf Ihren Erfolg einen Einfluss?
Ein Stück weit ist der SM-Bereich dadurch sicher salonfähiger geworden, aber in der Szene, wo dieser Lifestyle unabhängig von Modeströmungen ausgelebt wird, hat das keine Relevanz. Der Erotikmarkt hat in dem Zusammenhang natürlich für die Masse gewaltig aufgerüstet, hauptsächlich mit Accessoire-Artikeln, und hat vielleicht viele Menschen ermutigt, sich einmal ein paar Handschellen oder so zu kaufen. Auf mich kam nach dem Film-Erfolg ein deutscher Erotik- Grossverteiler zu, der einen Katalog mit meinen Möbeln herausbringen wollte. Allerdings war die gewünschte Marge viel zu hoch. Es entspräche auch nicht meinen Qualitätsansprüchen, meine Möbel in Grossserien herzustellen.

Sollten Sie auch schon mal für einen Kunden ein bestehendes Alltagsmöbelstück umfunktionieren?
Es gab mal jemanden, der wollte wohl für Fütterungsspiele eine entsprechende Öffnung für den Kopf in der Tischplatte haben. Ich habe ihm dann aber ein neues Exemplar mit eingebautem Pranger angefertigt. Abgedeckt, ein ganz normaler Tisch.

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1.

Schweizer Qualitätsarbeit auf Wunsch und nach Mass: Jörg Frei in seiner privaten Schreinerei.

2.

«Meistens bekomme ich von Auftraggebern selbst angefertigte Skizzen der Ideen, die ich dann nach ihren Wünschen zu verwirklichen versuche.»

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Pro Jahr hämmert Jörg Frei hier gut 3000 Nieten von Hand ins Leder

4.

«Die meisten möchten schwarzes Leder oder Kunstleder.»