Familie
Ohne die Kinder in die Ferien fahren – darf man das?
- Text: Jacqueline Krause-Blouin
- Bild: Stocksy
Editor-at-Large Jacqueline Krause-Blouin hat kürzlich eine Woche Urlaub gemacht – nur mit ihrem Mann. Ein Plädoyer für kinderfreie Ferien.
Die Entspannung fing bereits beim Packen an. Freudig schleuderte ich Leinenkleider (weisse!), Bikinis und schicke Schuhe in meinen Koffer. Keine Feuchttücher, keine Malbücher, keine Toniebox, keine Snacks – mein Mann und ich fuhren kürzlich eine Woche zusammen in den Urlaub. Sieben Tage, sieben Nächte. Alleine. Also zu zweit. Mit alleine meine ich: ohne unsere Tochter. Und es war das Beste, was uns seit Langem passiert ist.
Der verlockende Zusatz «Adults only»
An diesem Punkt muss ich vermutlich erwähnen, dass ich mein Kind über alles liebe, damit mir nicht gleich der #badmom-Stempel aufgedrückt wird. Schade, dass man das immer betonen muss, aber gut – noch einmal für alle: Ich liebe mein Kind. Aber ich liebe es ebenfalls, ein Hotel zu buchen, das den verlockenden Zusatz «Adults only» trägt.
Eltern, wann habt ihr zuletzt nur für euch alleine gepackt? Wie easy das ist! Plötzlich haben Romane im Koffer Platz oder halterlose Strümpfe und man hat nicht dauernd das Gefühl, dass man etwas Lebenswichtiges vergessen hat: Das Nuschi oder die singende Schildkröte. Ich beobachtete meinen Mann dabei, wie er eine Kerze in seinen Koffer packte und fand das wahnsinnig romantisch.
Dann kam die Oma, die sich riesig über Zeit allein mit ihrer Enkelin freute – und die Freude beruhte auf Gegenseitigkeit. Nun habe ich das grosse Glück, ein Prachtexemplar von einer Mutter zu haben – sie sagte mir vorher: «Ihr sollt die Zeit geniessen, also kommt bloss nicht auf die Idee, vorher das Haus zu putzen oder vorzukochen.»
Ich hielt mich daran und schon beim Verabschieden wusste ich, dass ich mir in keiner Minute dieser sieben kostbaren Tage Sorgen machen müsste, dass es meinem Kind schlechter gehen könnte als sonst. Eher besser vermutlich. Weil man bei Omi mehr Gummibärchen bekommt und sie schon mal «vergisst», «Peppa Pig» abzuschalten.
«Es fühlte sich an, als ob wir die Schule schwänzten, um etwas Verbotenes zu tun»
Wir verabschiedeten uns also für eine ganze Woche und machten uns auf zum Flughafen. Es fühlte sich irgendwie aufregend an, als ob wir die Schule schwänzten, um etwas Verbotenes zu tun. Schon nach dem Einchecken war alles so relaxt, ich kaufte mir in Ruhe ein paar Magazine, mein Mann holte Kaffee. Im Flugzeug schauten wir gemeinsam einen Film, so wie wir es früher immer getan hatten. Und ich las eine Zeitung – kein Pixi-Buch.
Die sieben Tage am Strand waren das Schönste, was ich seit Langem erlebt habe. Wir schliefen aus, frühstückten stundenlang, lebten in den Tag hinein – ohne Pläne, ohne Stress, ohne ständig tausend Dinge herumzuschleppen und ohne, dass ein Kind uns unseren Rhythmus diktiert.
Der Erholungseffekt ist nicht in Worte zu fassen. Ich habe drei Bücher gelesen, jeden Tag Yoga gemacht, eine Paarmassage genossen, antike Ruinen besucht, bin durch Boutiquen geschlendert und habe in hippen Restaurants ohne Kinderkarte gegessen.
Echter Gedankenaustausch
Das Wichtigste aber: Wir hatten endlich mal wieder Zeit und vor allem Kapazität füreinander. Als Paar. Es haben sich Gespräche ergeben, die wir so wohl nur in unserer Zeit vor der Elternschaft geführt haben. Keine logistischen Absprachen, sondern echter Gedankenaustausch. Ich hatte plötzlich wieder Raum für die Ideen und Gedanken meines Mannes und fand ihn total faszinierend.
Ich glaube, ich kann sagen, dass ich mich neu in ihn verliebt habe. Der Typ, der mich nervt, weil er die Post nicht öffnet oder vergisst, die Sachen aus der Reinigung zu holen – meilenweit entfernt.
Schlechtes Gewissen
Wenn man «Urlaub ohne Kinder» googelt ist einer der ersten Zusätze: «schlechtes Gewissen». Und bei meiner nicht repräsentativen Umfrage im Freundeskreis sagen zwar alle, dass sie gerne ohne Kinder wegfahren würden – tun es dann aber trotzdem nicht. Schon gar nicht für eine Woche. Wenn es hoch kommt mal für ein Wellnessweekend alle zwei Jahre. Oder eine Hochzeit.
Aber reicht das wirklich, Leute? Es gibt Mittel und Wege, sich kleine Fluchten zu schaffen. Es muss ja nicht das Luxushotel sein – tauscht die Wohnung mit Freund:innen, geht campen, fahrt auf ein Festival. Wenn ihr keine Grosseltern habt, fragt Gotte oder Götti oder organisiert euch mit anderen Familien. Für ältere Kinder gibt es tolle Feriencamps.
Die meisten Menschen in der Schweiz haben mehr als einmal Ferien im Jahr, es fallen also wegen eurer privaten Auszeit die geliebten Familienferien (die ich übrigens auch sehr geniesse!) nicht weg.
«Aber dann hat man doch viel zu viel Zeit zum Streiten», sagte eine Freundin. Nun, wir streiten doch aber auch (oder gerade!), wenn wir keine Zeit füreinander haben, oder? Ausserdem ist meine Erfahrung, dass man sich sehr viel Mühe gibt, wenn man sich für einen gemeinsamen kinderlosen Trip entscheidet, weil die Zeit nun mal sehr kostbar ist.
Man muss sich allerdings trauen, loslassen und sich selbst als Elternteil nicht so wichtig nehmen. Dafür aber mal wieder nachfühlen, wer man als Individuum eigentlich ist. Und als Paar.
«Viele Eltern halten sich für unersetzlich»
Auf die Gefahr hin, dass das eine unpopuläre Meinung ist: Ich stelle fest, dass sich viele Eltern für unersetzlich halten. Sie trauen anderen nicht zu, auf ihre Kinder achtzugeben, glauben, dass die Abwesenheit der Eltern die Kleinen irgendwie traumatisieren würde oder wollen andere nicht «belasten». Dabei ist es für die Kids auch toll, Beziehungen jenseits der Kernfamilie aufzubauen.
Grosse Freude aufs Wiedersehen
Sich zu beweisen, dass sie auch ohne Papi und Mami im Zimmer nebenan gut schlafen können oder sogar auswärts, stärkt das Selbstbewusstsein und die Unabhängigkeit. Nicht zu unterschätzen ist auch, dass die Liebe durch die Distanz manchmal noch grösser wird – was habe ich mich auf das Wiedersehen mit meiner Tochter gefreut. Wir haben danach stundenlang mit ihrem Puppenhaus gespielt (etwas, das mich sonst eher so mässig begeistert) und hatten uns richtig viel zu erzählen.
«Wie sehr man auch aufgeht in der Elternrolle, es kann niemand leugnen, dass es verdammt anstrengend ist»
Ich muss sagen, dass ich fast ein bisschen überfordert war, als ich mich nach den sieben Tagen plötzlich wieder mitten im Alltag zwischen Snackbox packen und Tütü waschen wiederfand. Da habe ich mich gefragt: Ist es überhaupt gut, nochmal vorgeführt zu bekommen, was man nicht mehr hat? Wie unkompliziert das Leben ohne Kind sein kann?
Nun, ich würde es jederzeit wieder tun. Wie sehr man auch aufgeht in der Elternrolle, es kann niemand leugnen, dass es verdammt anstrengend ist. Ab und zu braucht man ein Reset. Nicht das Hauptargument – durchaus nicht, man muss sich nicht dafür rechtfertigen, aus welchen Gründen man etwas für sich selbst tut, aber: Die Auszeit kommt am Ende auch den Kindern der erholten Eltern zugute. Aus einer leeren Schale kann nun mal keiner schöpfen.