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Mit der Familie am FKK-Strand

Familie

Mit der Familie am FKK-Strand

  • Redaktion: Annik Hosmann; Foto: Getty Images

Sandra Müller (Name geändert) konnte ihren Klassenkameraden nach den Sommerferien jeweils nur Landschaftsbilder zeigen: Ihre Familie mags im Urlaub nackt.

Du kommst an und ziehst dich aus – und zwar ganz. Du begrüsst nackt deine Campingplatznachbarn, stellst nackt dein Zelt auf und richtest es nackt ein. Komisch sei dies alles nur die ersten paar Minuten, meinte mein Vater jeweils, wenn er von seinen ersten FKK-Ferien mit meiner Mutter und einem befreundeten Paar erzählte. Spätestens wenn das Zelt steht, sei die Nacktheit egal, falle gar nicht mehr auf. Und er hatte recht; an diesem anderen Ort trugen wir halt einfach keine Hose und kein T-Shirt, aber alle anderen taten es ja auch nicht. Vor allem als Kind störst du dich nicht an der Nacktheit, im Gegenteil. Denn wann oder wo sonst könntest du deinem älteren Bruder eine herzige Sonne mit Wasserfarben auf den Hintern malen, ohne dass deine Eltern mit dir schimpfen?

Nackt, nackt, nackt. Das ist Freikörperkultur. Nun ja, fast. Denn die Leute auf FKK-Campingplätzen mögen zwar auf Kleider verzichten, nicht aber auf Hygiene. Sein bestes Stück in die Tiefkühltruhe hängen zu lassen, ist ebenso verpönt, wie seinen Hintern blutt auf einem Stuhl niederzulassen. Ein Strandtuch um die Hüfte ist oft Pflicht. Auch bedeutet FKK nicht, um jeden Preis nackt zu sein. Im korsischen Regen und Wind wurden wir nie schief angeschaut, wenn wir uns Hose und Pullover angezogen haben. Aber sicher gibt es auch die FKKler der knallharten Sorte, die mit gelben Gummistiefeln und durchsichtiger Pelerine durch den grössten Regen spazieren – alles schon gesehen, wie ich überhaupt so ziemlich alles schon mal gesehen habe, was der menschliche Körper so zu bieten hat, von winzigen Penissen bis zu Melonenbrüsten. Du siehst die füdliblutte Tennisspielerin in Tennisschuhen und mit hochgezogenen weissen Socken, Sonnenschild und Sport-BH – weil frei schwingende Brüste ein ambitioniertes Tennisspiel offenbar verhindern – oder auch den kleinen Buben, in der einen Hand sein Nutellabrot, in der anderen seinen kleinen Freund. Solche Momente mögen skurril anmuten, und wir haben auch viel gelacht. Sie sind aber weder anrüchig noch abstossend oder peinlich.

Es mag überraschen, doch das Einzige, was ich während all meiner FKK-Ferien nie gesehen habe, ist ein erigierter Penis. Die Meinung, beim FKK gehe es nur ums Schauen und Angeschautwerden, ist nur ein Mythos, der sich hartnäckig hält. Klar gibt es auch Nacktstrände, wo nur der Voyeurismus und der Exhibitionismus zählen, aber dort waren wir nie. Ich muss sogar sagen: Ich fühle mich heute im Schwimmbad im Bikini mehr beobachtet als damals am FKK-Strand.

Dennoch gab es während der Pubertät eine Zeit, in der ich meine Ferien lieber an einem «normalen» Strand verbracht hätte. Gerade der Sommer, in dem ich meine ersten Schamhaare bekam und das erste Mal die Menstruation hatte, war zu Beginn schwierig. Doch wie gesagt, es geht beim FKK entgegen der weitverbreiteten Meinung nicht darum, um jeden Preis nackt zu sein. Also zog ich mir damals eben eine Badehose an, das Problem hatte sich erledigt. Ich merkte lange nicht, dass die Art, wie unsere Familie ihre Ferien verbrachte, speziell ist. Den Aha-Moment hatte ich, als alle Kinder Ferienfotos in die Schule brachten und ich die Einzige war, die nur Landschaftsbilder zeigen konnte. Und irgendwann in der Primarschule erfuhren auch einige Klassenkameraden von unseren FKK-Ferien. Viele Kinder verstanden nicht genau, was das war, es gab einen kleinen Aufschrei, doch die Aufregung legte sich schnell. Gehänselt wurde ich nicht.

Wenn heute Leute nachfragen oder es um dieses Thema geht, dann verheimliche ich nichts. Ich kann mir auch durchaus vorstellen, mit meinen Kindern dereinst ebenfalls FKK-Ferien zu machen, solange mein Partner einverstanden ist. Dennoch brauche ich den Leuten meine FKK-Erfahrungen nicht unter die Nase zu reiben, gerade weil man damit heute noch auf Unverständnis stösst. Irgendwie kann ich das verstehen. Es ist halt ungewohnt, und die eigene Nacktheit scheint noch immer ein Tabu zu sein – trotz nackten Hintern in der Werbung oder entblössten Brüsten in Musikvideos.