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Expertin über Erholung: «Lange Urlaube haben keinen besonderen Effekt»

Gesundheit

Expertin über Erholung: «Lange Urlaube haben keinen besonderen Effekt»

Eine lange Auszeit bringt keine tiefere Erholung, sagt Alexandra Freund, Professorin für Psychologie an der Universität Zürich. Wie Pausen für uns wirklich erholsam werden.

annabelle: Alexandra Freund, Sie befassen sich unter anderem damit, wie Menschen Pausen erleben. Was ist das eigentlich genau, eine Pause?
Alexandra Freund: Formal bedeutet eine Pause einen zeitlich begrenzten Unterbruch. Dieser entsteht, wenn sich Menschen erschöpft fühlen und mit ihrer gegenwärtigen Aufgabe nicht weiterkommen. Sie spüren, dass sie das, was sie gerade tun, nicht fortführen können, weil sie das Gefühl haben, dass ihre Batterien leer sind. Wobei ich sagen muss, dass das Bild der Batterie, so einleuchtend es in diesem Zusammenhang auch ist, aus wissenschaftlicher Sicht nicht stimmt.

Warum nicht?
Trotz jahrelanger Forschung gibt es keine Evidenz dafür, dass Menschen über eine Form von Energie verfügen, die sich erschöpft und dann wieder aufladen lässt. Viel wahrscheinlicher ist es, dass es sich dabei um Motivation handelt, die nachlässt. Wir registrieren: Ich bin erschöpft, ich will nicht mehr.

Dann legen wir eine Pause ein.
Genau, diese Empfindung kann sich auf einzelne Arbeiten oder längere Zeiträume beziehen. Dann ploppen Gedanken auf wie: «Ich brauche Ferien.» Oder: «Dieses Jahr soll endlich zu Ende gehen.» Wir täuschen uns aber darin, wenn wir glauben, möglichst lange Pausen oder eben Ferien generierten ein Maximum an Erholung.

Ist dem nicht so?
Ich will lange Urlaube überhaupt nicht schlechtreden, sie haben einen eigenen, besonderen Wert und ermöglichen es uns, Dinge zu tun, die wir sonst nicht erleben würden. Aber in Bezug auf die Erholung haben sie keinen besonderen Effekt: Erholung ist sehr schnelllebig. Das heisst, wir sind nach langen Ferien nicht tiefer oder länger anhaltend erholt. Bereits einen Tag danach ist man wieder im alten Trott.

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«Es ist zentral, dass man in Pausen Distanz findet zu dem, was man vorher ausgeübt hat»

Was macht eine erholsame Pause aus?
Das ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Die einen erholen sich etwa beim Meditieren. Andere empfinden ein Volleyballtraining, in dem sie körperlich und sozial aktiv sind, als Pause. Wiederum andere kochen komplizierte Rezepte oder schauen Netflix-Serien. Die Forschung zeigt, dass es zentral ist – und wahrscheinlich gilt dies auch für Ferien –, dass man in Pausen Distanz findet zu dem, was man vorher ausgeübt hat.

Also raus zum Spazieren, wenn ich lange am Bürotisch gesessen habe?
Das kann eine Möglichkeit sein. Man muss aber in einer Pause nicht zwingend gleich die gegensätzliche Tätigkeit ausüben. Wie gesagt, es geht vielmehr darum, Distanz zu schaffen. Die meisten von uns sind Kopfarbeiter:innen. Das bedeutet, dass eine Distanz, die wir als erholsam empfinden, oft durch körperliche oder soziale Aktivitäten hergestellt wird. In dieser Beziehung spielen aber auch Vorlieben und Charaktereigenschaften eine Rolle. So erholen sich extrovertierte Personen eher durch den sozialen Austausch, Introvertierte eher in der Ruhe.

Haben zeitlich fixierte Pausen, wie etwa in der Schule oder in der Schichtarbeit, dieselbe Funktion wie frei gewählte?
Fixe Pausen erlauben es, sich sozial auszutauschen, da alle zur selben Zeit keine bestimmten Aufgabe erledigen müssen. Sie haben also meist eine andere Funktion als selbst gewählte Pausen. Doch auch wenn es eine Situation nicht zulässt, eine selbst gewählte Pause einzulegen, zum Beispiel während des Unterrichts oder einer Sitzung, nehmen wir sie uns. Etwa indem wir innerlich abschalten oder eine sozial akzeptable Art finden, kurz aus dem Setting auszusteigen, und etwa auf die Toilette gehen.

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«Pausen laufen der Effizienzlogik zuwider, und das verursacht häufig ein schlechtes Gewissen»

Inwiefern ist die Pause, geprägt durch Leistungsdruck und entgrenzte Arbeitszeiten, mit schlechtem Gewissen belastet?
Sie sprechen das übergeordnete Ziel an, an dem sich unsere westliche Industriegesellschaft orientiert, geprägt durch die protestantische Arbeitsmoral: Wir müssen unseren Wert beweisen, indem wir Leistung erbringen, müssen effizient sein, uns ständig optimieren. Pausen laufen dieser Effizienzlogik zuwider, und das verursacht häufig ein schlechtes Gewissen.

Wie legen wir dieses schlechte Gewissen ab?
Es gibt kein einfaches Rezept dafür. Vielleicht muss man versuchen, zu erkennen, dass es keine scharfen Kriterien gibt, mit denen sich Effizienz bemessen lässt; man kann immer noch effizienter, noch besser sein. Die Menschen glauben, sie dürfen ihre Zeit nicht vergeuden. Aber für unsere Gesundheit ist es wichtig, mal kein konkretes, benennbares Ziel zu verfolgen. Das ist keine Vergeudung der Lebenszeit, sondern verschafft uns auch eine Pause von der ständigen Effizienzorientiertheit.

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Patrick Michiels

“Trotz jahrelanger Forschung gibt es keine Evidenz dafür, dass Menschen über eine Form von Energie verfügen, die sich erschöpft und dann wieder aufladen lässt.”

Mitochrondrien, ATP, Glykolyse, biochemischer Prozesse wie der Stoffwechsel von Nahrungsmitteln, Schlaf, …

Unsere Selbstwahrnehmung basiert darauf körpereigene Signale zu interpretieren. Sich einer Aufgabe konzentriert zu widmen resultiert darin diese Signale nicht wahrzunehmen/ zu ignorieren. Erholung entsteht durch Wahrnehmung und Erfüllung dieser Bedürfnisse, was im übertragenen Sinne sehr wohl einer “Batterie” (eigentlich einem Akku) gleicht.

Emotionale Belastungen führen übrigens auch zu einem Bedürfnis nach Pause/Erholung. Auf biochemischer Ebene müssen Neuronen, Neurotransmitter und der Hormonhaushalt wieder normalisiert werden. Auch hierfür benötigt der Körper Zeit und Ressourcen.

Die Illusion stundenlang konzentriert arbeiten zu können, ohne einen eigentlichen Effizienzverlust zu erleiden ist ein Problem. Mehrere kleine Pausen am Tag, um den körpereigenen Bedürfnissen nachzugehen und die Ressourcen aufzuladen erhöhen letztlich sogar die Produktivität.

Buslifetravel

Wir haben gerade eine 2 jährige Pause hinter uns;) Wir waren als Familie mit einem mobilen tinyhouse unterwegs. Wie auch im Text angedeutet, ist das natürlich etwas anderes als eine “Pause/Urlaub”. Gleichwohl ist der Effekt für die Familie, die eigene Zufriedenheit, Weltsicht und den weiteren Lebensweg so unglaublich wertvoll. Alles einmal aus der Vogelperspektive zu betrachten, das Reisen ohne Ziel, das vergessen der Zeit, Familie 24/7 und die Zeit für die intensive Innenschau. Wir sind gestärkt für die kommenden Abenteuer und vor allem klar unseren Kindern ein sicheres Geleit durch die vielzahl an Herausforderungen (andere Menschen;) zu geben. Ich selbst habe eine tiefe Zufriedenheit erlangt die es mir nun größtenteils ermöglicht den Problemen und Herausforderungen des Egos zu einem Großteil mit ausgleichendem Mitgefühl zu begenen. Bisher noch mit relativ gutem Erfolg;)
Geistig sind wir aber leider irgendwie dem Alltagstrott und vor allem den eingefahrenen Denkmustern der Massen noch immer fern. Das ist schon eine Herausfordeung sich hier nicht abzuschotten…
Liebe Grüße und danke für den schönen Beitrag!

Hoke

Wenn ich unter großer körperlichen Belastung stehe, Arme und Beine kaum noch bewegen kann, dann bin ich also nicht erschöpft, sondern demotiviert?

Interessante These.

Petra

Toller Beitrag, ich neige auch dazu keinen Weg nur so zum Spaß zu nehmen. Bin ich mit dem Fahrrad unterwegs will ich immer irgendwas erledigen .Habe mir jetzt angewöhnt wenigsten einzukehren und einen Kaffee zutrinken und im Wald eine Pause auf einer Bank zumachen und die Sonne zu genießen..zum Glück gibt es da auch kein Internet.
Gruß Petra

Maxi

HalliHallo!
Ich freue mich über euren Beitrag zum Internet

Herby

ich frage mich ernstlich, was soll das, ein Professor beschäftigt sich mit Pausen und Urlaub und erforscht das, es gibt bestimmt ernsthaftere Forschungsthemen

Alex

Guten Tag, gerne können Sie auf der Homepage der Universität Zürich nachlesen, zu welchen Forschungsthemen die Professorin forscht. Ich habe mir mal die Mühe gemacht. Es geht um Entwicklungspsychologie und sehr viel um Ziele und Motivation über die Lebensspanne. Die Erforschung von Pausen ist nur ein sehr minimaler Teil davon. Die Zeitschrift hat die Professorin als “Expertin für Pausen” bezeichnet. Ich kann mir vorstellen, dass sie das auch nicht so toll findet, da es ihr sehr unfangreiche und weit gefächerte Forschung nicht wiederspiegelt.

alter ego

was ist jetzt der mehrwert ihres kommentares? wollten sie nur meckern? mag ja sein, dass sie das nicht interessiert! was wollen sie dann hier? mich interessiert das sehr wohl!

Jens

Wie kann man die Aussage, dass es “eigentlich keinen Beweis für so etwas wie “Energie als Solches” gibt, sondern man eher Motivation verliert, beim Thema Depressionen einordnen? Ist das Symptom der (manchmal kompletten) Antriebslosigkeit dann auch nur fehlende Motivation?

Andrea

Mir erscheint der Beitrag nicht wahrheitsgemäß. Meine eigene Erfahrung ist, dass ich von langen Urlauben wie 6 bis 8 Wochen mehr gezehrt habe auch noch später als nur nach 10 Tagen. Einer Studie der finnischen Universität Tampere brauch es mindestens 8 Tage. Aus eigener Erfahrung habe ich den Effekt des Urlaubs nach 8 Tagen zu Hause auch schon wieder verbraucht. Bei längeren Aufenthalten zehre ich länger davon, soweit ich darauf achte mir auch zu hause mehr Freiräume nach dem Urlaub einzuräumen.

Peter

Mir ist der Artikel etwas schwammig: Pause ist Pause zum Akkus aufladen, aber langer Urlaub ist nur eine Pause und keine Reflexionszeit? Obwohl die Autorin mit dem Thema Motivation und überbordendem Effizienzgedanken eine Steilvorlage für eine erweiterte Perspektive auf Pause vorlegt (zum Beispiel, um sich mal zu sammeln und zu reflektieren) bleibt sie Logik der persönlichen Verwertbarkeit für die Arbeitswelt verhaftet.

Jeder kennt den Erschöpfungszustand, der sich nach 5 Jahren mit Jobanfang, Weiterbildung, Familie gründen, Jobwechsel, Umziehen, Immobile kaufen, usw. einstellt. Manchmal ist soviel zu tun, dass tatsächlich nicht mehr als eine Pause drin ist. Und ganz ehrlich: nach so einer Phase sind 4 Wochen Urlaub besser als 2. Und ich bin auch erholter und motivierter, wenn ich genauso weiter machen will (oder muss).

Mit der Vermischung von Pause, Zeit und Urlaub ist da nur nicht geholfen. In meinem Leben sind jedenfalls Reflexionsphasen dringend notwendig, in welchen ich – um nochmal die Vorlage mit der Motivation und dem Effizienzgedanken aufzugreifen – meine Lebensperspektive zurechtrücken und über die Bücher zu gehen muss. Was ist mein aktueller Lebensabschnitt, wo bin ich dran, für was arbeite ich nochmal wie bescheuert, stimmen die Ziele noch, bin ich on track?

Diese Reflexionsarbeit fällt nicht vom Himmel. Sie nimmt Zeit in Anspruch, Langeweile, kreativ werden, neue Menschen kennenlernen, Fehler machen, Lebensgeister aktivieren usw. Erst nach einem solchen Lebensaudit (um im Verwertungssprech zu bleiben) ergibt sich (meiner Meinung nach) die neue Perspektive auf das eigene Leben, die aktuellen Ziele, die Motivation. Die Autorin mag Recht haben, es gibt vermutlich eine zeitliche Obergrenze, in welcher solche Reflexion noch Früchte trägt, bevor man sonderbar wird. Subjektiv kann ich aber nach mehreren solcher “Pausen” sagen: zwischen 3-6 Monaten ist besser als 4 Wochen. Dieses Pausenverständnis bleibt aber in dem Artikel ganz und gar unberührt und ist die eigentliche Baustelle im Bezug auf Motivation und Effizienz (das ist ja in dem Artikel auch erkannt)

Und so ist mir die Darstellung zu kurz. Urlaube und Pause und Erholung so nonchalent zu vermixen und auf die Plumpe Dauer zu reduzieren, ohne die Qualität der “Pause” zu berücksichtigen bleibt auf einer ziemlich überholten Idee von beruflicher Verwertbarkeit und Effizienz verhaftet. Stechuhrlogik.

Es hätte mir gefallen, ein Plädoyer für mehr Reflexionszeit im Arbeitsleben zu lesen, statt ein Xtes Argument für eine streng regulierte Anzahl von Urlaubstagen aufzutischen.

Freundliche Grüsse