Liebe & Sex
Die Sexfrage: Wie lerne ich mich sexuell richtig kennen?
- Text: Bettina Disler
- Bild: Stocksy; Collage: annabelle
Alle zwei Wochen beantwortet Paar- und Sexualtherapeutin Bettina Disler eine Frage zum Thema Liebe oder Sex. Diesmal geht es um die eigene sexuelle Lust.
Sich selbst annehmen zu können, ist eine grundlegende Voraussetzung dafür, um sich sexuell kennenzulernen. Denn Selbstliebe und das Vertrauen in sich selbst helfen dir, deine Wünsche besser wahrzunehmen und deinen Körper genau zu spüren.
Kenntnisse über die Anatomie, insbesondere wie dein Geschlechtsteil aussieht und aufgebaut ist, schaffen einen Zugang, um deine eigenen erogenen Zonen besser kennenzulernen. Ein «Mapping» deiner Vulva beziehungsweise Vagina oder deines Penis ist eine hilfreiche Übung, welche dir eine erste Orientierung geben kann.
Hierbei sind erogene Zonen grafisch in spezifische Bereiche aufgeteilt, die du individuell und auf unterschiedliche Weise an dir selbst erkunden kannst. So lernst du, wo und wie es dir am besten gefällt, berührt zu werden. Auch verschiedene Sextoys können dir dabei helfen, neue Sinneserfahrungen zu machen.
«Habe nur den Sex, den du wirklich willst»
Neugier und Kreativität sind ebenfalls ein Schlüssel zu einer erfüllenden sexuellen Biografie. Bei jeder Horizonterweiterung entscheidest du, ob dich das Neue inspiriert und dir Lust bereitet oder ob es dich kaltlässt und gar abturnt. Was dir guttut, kannst du weiter verfolgen – alles andere bleibt dir als einmaliger Erfahrungsschatz in Erinnerung.
Beim Dich-Kennenlernen geht es nicht ausschliesslich darum, deinen Body neu zu erkunden, sondern auch darum, deiner Fantasie freien Lauf zu lassen. Bekanntlich ist für viele das Hirn das wichtigste Sexualorgan! Anhand erotischer Literatur oder Filme kannst du dich inspirieren lassen – und wenn es passt, dich mit anderen über unterschiedliche sexuelle Fantasien austauschen.
Die Horizonterweiterung ist nicht nur für den Solo-Sex spannend, sondern vor allem auch für das Zusammenkommen mit potenziellen Sexualpartner:innen. Denn mit jeder Begegnung begegnet man sich selbst neu. Das heisst, du begegnest dir selbst über die Ideen des Gegenübers nochmals von einer ganz anderen Seite.
Je offener du dabei in eine Begegnung gehst, desto wahrscheinlicher ist die Möglichkeit, dass du von dir selbst überrascht wirst. Wichtig dabei ist, dass du nicht nur den Mut hast, dich auf jemanden einzulassen, sondern auch, dass du deine Grenzen wahrst und Nein sagst, wenn du etwas nicht willst. Peggy Kleinplatz, eine kanadische Sexualwissenschaftlerin, sagt, es gehe dabei um den «Sex worth wanting»: Habe also nur den Sex, den du wirklich willst. Und sonst sag Nein.
Bettina Disler arbeitet in ihrer Praxis in Zürich als Paar- und Sexualberaterin und ist Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung. Sie hat ein eigenes Modell entwickelt, mit dessen Hilfe sich Bewegung in festgefahrene Beziehungen bringen lässt. 2019 hat Disler beim Klett-Cotta Verlag ein Fachbuch zu den Themen Lustlosigkeit, Entfremdung und Affären veröffentlicht.